40.CSR-MAGAZIN Kreislaufwirtschaft Lieferkette Modeindustrie Unternehmen & Gesellschaft

Audits in der Lieferkette, Kundenerwartungen und der Weg zur Kreislaufwirtschaft

Jan Lorch (Foto: Hari Pulko / VAUDE)

Das Interview mit Jan Lorch von Vaude für das 40. CSR MAGAZIN

Tettnang (csr-news) – Wie gelingt ein ethisch verantwortliches Handeln in der textilen Lieferkette? Wo stehen Textilunternehmen im Blick auf die Kreislaufwirtschaft? Und welchen Beitrag leistet das Textilbündnis zur Transformation des Textilsektors? Darüber sprach CSR NEWS mit Jan Lorch, Vertriebsleiter und zugleich Leiter Sustainability bei Vaude, einem Spezialisten für Outdoor-Kleidung. Das Gespräch führte Achim Halfmann.

CSR MAGAZIN: Wie organisieren Sie das Thema CSR in Ihrem Unternehmen?

Jan Lorch: Unser CSR-Team ist keine Abteilung, sondern ein interdisziplinärer Zirkel. Dazu gehören eine hauptamtliche Nachhaltigkeits-Managerin und Personen aus den unterschiedlichen Abteilungen: Fachleute für Themen wie Klima, Material oder Lieferketten – damit sorgen wir dafür, dass Nachhaltigkeit in allen Bereichen verankert ist.

Im Blick auf die unternehmerische Verantwortung der Textilindustrie stehen insbesondere die Lieferketten im Fokus. Wie nehmen Sie dort Verantwortung wahr?

Grundsätzlich streben wir eine größtmögliche Transparenz in unserer Lieferkette an, und da sind wir – gerade im Blick auf die Konfektionsbetriebe – gut vorangekommen. Wir halten strenge ökologische Vorgaben ein und haben uns darüber hinaus freiwillig verpflichtet, bestimmte Stoffe nicht zu verwenden. Mit der Fair Wear Foundation (FWF) kooperieren wir seit zehn Jahren, dort haben wir seit 2015 den Leader Status, die höchstmögliche Kategorie erreicht: Die FWF begleitet uns bei allen Themen des Code of Labour Practices wie zum Beispiel Arbeitssicherheit, arbeitsvertragliche Regelungen und Überstunden in der Lieferkette. Und sie führt jährlich zahlreiche Audits durch, um sicherzustellen, dass Standards auch eingehalten werden.

Bei solchen Audits gibt es immer auch sogenannte Findings, weil in der einen oder anderen Produktionsstätte Abweichungen gibt. Dann erarbeiten wir gemeinsam Korrekturpläne, um die Situation zu verbessern. Langfristige Lieferantenbeziehungen sind uns wichtig, um an Missständen arbeiten zu können. Bei häufigen Wechseln oder einem Price Hopping wäre das nicht möglich. Unsere Lieferantenlisten weisen Preise und Qualitäten aus, aber auch soziale Aspekte und Kommunikation. Lieferanten müssen natürlich auch mitarbeiten. Über die Jahre haben wir uns von einigen Lieferanten trennen müssen, weil sie nicht auf Findings reagiert haben.

Ein jährliches Audit findet auch an unserem Geschäftssitz statt, um sicherzustellen, dass auch wir als Marke unserer Verantwortung nachkommen. Dabei geht es für unser Bestellwesen etwa um die Frage: Geben wir unsere Aufträge rechtzeitig und in geeigneter Größe ab? Kurze Zeiträume zwischen Bestellung und Auslieferung oder zu große Bestellmengen erhöhen den Druck auf Lieferanten und könnten zum Beispiel Überstunden verursachen.

Wir haben unsere eigenen Mitarbeiter vor Ort, die unsere Zulieferer regelmäßig besuchen. Neben Qualitätskriterien überwachen sie auch unsere ökologischen und sozialen Standards. Etwa 85% unserer Produktion kommt aus Asien; unsere Konfektionäre sitzen zu zwei Dritteln in Vietnam und das Material kommt zu gut 80% aus Taiwan. In Taiwan gelten strenge Arbeits- und Umweltstandards, die von unseren Zulieferern eingehalten werden müssen. Im Vergleich zu Mainland China funktioniert die demokratische Selbstorganisation der Arbeitnehmerschaft dort gut. Perspektivisch sind wir allerdings sehr von Taiwan als Produktionsstandort der Stoffe abhängig.

Sie erstellen Produkte für den Outdoor-Einsatz – mit anderen Kundenerwartungen als etwa bei preisgünstiger Alltagsmode.

Zuverlässigkeit, Qualität, saubere ökologische Standards und faire Arbeitsbedingungen sind über die Jahre immer wichtiger für unsere Kund:innen geworden. Das unterscheidet uns deutlich vom Modebereich. Im Outdoorbereich bieten wir hoch funktionale Produkte, die ihren Preis haben. Etwa 70% unserer Produkte laufen über mehrere Saisons. Unsere Kundschaft erwartet Langlebigkeit und eine sehr gute Qualität. Dazu gehört auch, dass unsere Kleidung reparierbar und wiederverkaufbar ist.

Wie steht es um die Kreislauffähigkeit Ihrer Produkte?

Kreislauffähigkeit ist uns ein wichtiges Anliegen. Generell verarbeiten wir hauptsächlich Kunstfasern. Unser Baumwollanteil liegt bei 3%; die Baumwolle ist GOTS-zertifiziert und stammt zu einem großen Teil aus Portugal. Bei den Kunstfasern wollen wir weg von „virgin“ und hin zu recycelten Materialien. Derzeit sind etwa 75% unserer Kunstfasern recyceltes Material, allerdings auf der Basis von PET-Flaschen. Wir wollen dahin kommen, dass unser Material aus recycelten Textilien gewonnen wird.

Da stehen wir in unserer Branche noch am Anfang: Die Sammlungssysteme und vor allem die Materialtrennung ist noch nicht so weit, ausreichende Mengen zur Verfügung stellen zu können. Um hier weiterzukommen, brauchen wir ein kreislauffähiges Produktdesign: Materialien, die nicht vermischt werden, und Verarbeitungstechnologien, die eine einfache Trennung ermöglichen. Zum Beispiel können wir einen Knopf einschlaufen, statt ihn anzuriegeln.

Ein echtes Textilrecycling-System gibt es in Europa noch nicht, aber durch den Green Deal sollen bis 2025 Rahmenbedingungen für eine kreislauffähige Textilwirtschaft geschaffen werden. Zudem bleiben es geografische Herausforderungen, auch wenn wir auf unserem Kontinent ein solches Recyclingsystem aufbauen: Unsere Beschaffungsmärkte sind in Asien. Selbst wenn wir gebrauchte Textilien sauber in ihre Bestandteile trennen können, fehlt in Europa bisher die Infrastruktur, um daraus Garne und Stoffe zu machen.

Zum Textilrecycling arbeiten wir in der European Outdoor Group mit anderen Unternehmen in Pilotprojekten zusammen. Im Bundesverband der Deutschen Sportartikel-Industrie engagieren wir uns gemeinsam mit Puma und Adidas im Lobbying, um die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen.

Mit unseren neuen, kreislauffähigen Rethink-Produkten gehen wir einen ersten Schritt in Richtung Textilrecycling. Diese Produkte sind aus Monomaterial und lassen sich somit einfacher zu neuen Textilien recyceln.

Die Bundesumweltministerin Steffi Lemke sagte jüngst, dass ohne Kreislaufwirtschaft die Klimaneutralität nicht zu erreichen sein wird. Sehen Sie das ähnlich?

Ja, wir sind überzeugt davon, dass wir Kreislaufkonzepte brauchen, um die globalen Herausforderungen wir Klimawandel oder Ressourcenschwund zu meistern.

Die Hauptemissionen fallen in unserer Lieferkette bei der Stoffproduktion an. Das Recycling erzeugt deutlich geringere CO2-Emissionen, weil hier das Material nicht neu hergestellt werden muss. Das ist ein Hebel, den alle Sportartikelhersteller nutzen können.

Dann ist es natürlich auch wichtig, welche Energieträger in den Produktionsbetrieben eingesetzt werden. Die Unternehmen in der Supply Chain müssen weg von CO2-intensiven Energieträgern. Da geht es in Ländern wie Taiwan und Vietnam um die Verfügbarkeit alternativer Energieträger, das ist eine politische Frage – und für die Unternehmen ein wichtiger Wettbewerbsvorteil.

Ein Zusammenschluss, der Nachhaltigkeitsthemen in der textilen Lieferkette adressiert, ist das von der Bundesregierung initiierte Bündnis für nachhaltige Textilien. Gehen von dort wirksame Impulse aus?

Die Entstehung des Textilbündnisses habe ich von Anfang an begleitet, ich war im Gründungssteuerkreis mit dabei. Das war von der Idee, vom Geist des Bündnisses her eine gute Initiative des damaligen Entwicklungsministers Müller. Dass nach 10 Jahren immer noch weniger als die Hälfte der Textilindustrie beigetreten ist, das ist ein Manko.

Zur Bewusstseinsbildung, in den Schulungen und als Austauschplattform hat das Bündnis viel gebracht. Wir haben unter den Mitgliedern, was die nachhaltige Transformation angeht, allerdings unterschiedliche Geschwindigkeiten. Manche sind recht langsam und das Vorgehen im Bündnis war – auch im Steuerungskreis – nicht sehr ambitioniert. Da wird manchmal zu viel auf den kleinsten gemeinsamen Nenner abgestellt.

Deshalb ist es wichtig, dass es neben einem solchen Bündnis mit dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz eine verbindliche Regulatorik gibt. Das schafft gleiche Wettbewerbsbedingungen, die wir in ganz Europa brauchen. Daher hoffen wir, dass die europäische Regelung zur Lieferkettenverantwortung deutlich über die deutsche hinausreicht, etwa im Blick auf die zivilrechtliche Haftung der Unternehmen oder was die Maßnahmen zum Klimaschutz angeht.

Haben Sie vielen Dank für das Gespräch!

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