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Textilproduktion: „Tatsächlich sind die Löhne in den Keller gerutscht“

Textilarbeiterin in ihrem Zuhause in Dhaka - mit Mutter und Sohn (Foto: Achim Halfmann / CSR NEWS)

Das Interview mit Berndt Hinzmann für das 40. CSR MAGAZIN

Berlin (csr-news) – Häufig treibt die Armut Menschen in Bangladesch in eine Beschäftigung im Textilsektor. Doch selten holt diese Beschäftigung die Betroffenen aus der Armut heraus. Darüber sprach CSR NEWS mit Berndt Hinzmann, Referent für Wirtschaft und Menschenrechte beim INKOTA-netzwerk und gewähltes Mitglied im Steuerungskreis des Textilbündnis. Das Gespräch führte Achim Halfmann.

Seit den tragischen Ereignissen in Rana Plaza, Bangladesch, hat sich für die Textilarbeiterinnen manches zum Besseren gewandelt. Der Bangladesh Accord hat zu einer Verbesserung von Gebäudesicherheit und Brandschutz geführt. Aber wie steht es um die Löhne?

Berndt Hinzmann, INKOTA (Foto: privat)

Berndt Hinzmann: Tatsächlich sind die Löhne in den Keller gerutscht und im Kontext der Corona-Pandemie haben sich auch die Arbeitsbedingungen verschlechtert: In Bangladesch grassiert die Inflation, die Währung wurde abgewertet. Der Arbeitsdruck hat sich insgesamt erhöht. Derzeit liegt der Mindestlohn bei 8.000 Taka, das sind knapp 70 Euro im Monat. Das ist nicht existenzsichernd, und es hat Folgen: So werden Kinder nicht zur Schule geschickt. So verdient eine Mutter heute trotz massiver Überstunden und ohne ein freies Wochenende 10.000 Taka im Monat; das reicht nicht für ihre Familie.

Der Mindestlohn wird aller fünf Jahre neu verhandelt; in diesem Jahr ist es wieder so weit. Die Gewerkschaften gehen mit der Forderung von 23.000 Taka in die Verhandlungen. Das entspricht den Berechnungen des Bangladesh Institute of Labour Studies (BILS), das seine Berechnungen Anfang des Jahres in der Studie „Mind the Gap“ ausführlich dokumentiert hat. Und es geht ihnen nicht nur um den Lohn, sondern auch um die Arbeitsbedingungen. Beim Thema Arbeitsdruck sind ganz klar auch die auftraggebenden Unternehmen und Brands aus Europa gefordert. Nachhaltige Einkaufspraktiken müssen umgesetzt werden.

Das trifft in gewisser Weise auch für den neuen Bangladesh Accord zu. Denn dass dieser wie bisher funktioniert, ist übrigens nicht sichergestellt: Seit der Überführung des Accords in die Verantwortung der Regierung von Bangladesch gibt es Hinweise darauf, dass Kontrollen nicht so zuverlässig durchgeführt werden wie zuvor. Es fehlt an Ressourcen, um fachspezifisch kontrollieren zu können. Diese Ressourcen müssen dem Account dringend zur Verfügung gestellt werden.

Wie stark ist die Position der Gewerkschaften in Bangladesch?

Es gibt gerade ganz massive Repressionen gegen exponierte Gewerkschafter, die gezielt von Schlägern angegriffen werden: Im Juni wurde Shahidul Islam, Präsident der Textil- und Industriegewerkschaft, zusammengeschlagen und erlag seinen Verletzungen. Er hatte ausstehende Löhne eingefordert. Aktuell gibt es zwei neue Fälle von Angriffen auf Gewerkschafter.

Die Zahl der demokratisch gewählten Gewerkschaften in den Betrieben ist immer noch nicht sehr hoch. Und es gibt zahlreiche sogenannte „gelbe“ Gewerkschaften, die von Fabrikbesitzern mitgegründet wurden. Ein Grundpfeiler fairer Lieferketten sind starke demokratische Gewerkschaften. Der Schutz der Vereinigungsfreiheit muss durch Capacitiy Building und echte Beteiligung gewährleistet werden. Gutes Stakeholder Engagement ist deshalb ein wichtiges Element für die Umsetzung von Sorgfaltspflichten und ein wesentlicher Beitrag von Multi-Stakeholder-Initiativen. Auch hier könnte das Textilbündnis eine Schippe drauflegen.


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