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Ist ein Rückzug aus Russland ethisch geboten?

Kreml, Moskau (Foto: Paul G auf Unsplash)

CSR NEWS hat bei deutschen Unternehmen nachgefragt.

Velbert (csr-news) – Sollten sich deutsche Unternehmen aus Russland zurückziehen? Unterstützen sie den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, wenn sie bleiben? Diese Ansicht wird in ukrainischen Initiativen wie B4Ukraine und #LeaveRussia der Kyiv School of Economics (KSE) vertreten.

Das Argument: Ein Viertel aller in Russland gezahlten Gewinnsteuern stammen von Unternehmen aus den G7-Staaten. „Alle westlichen Unternehmen, die den russischen Markt seit der vollmaßstäblichen Invasion der Ukraine, die vor 16 Monaten begann, nicht verlassen haben, sind mitschuldig an den Kriegsverbrechen und den Verbrechen gegen die Menschlichkeit von Putins Regime“, heißt es bei B4Ukraine.

#LeaveRussia analysiert das Geschäftsverhalten internationaler Unternehmen in Russland. Danach haben knapp ein Drittel der deutschen Unternehmen einen Ausstieg aus Russland beschlossen; acht Prozent haben ihn umgesetzt. Zum Vergleich: Knapp zwei Drittel der Unternehmen aus Großbritannien haben den Ausstieg beschlossen, allerdings haben ihn lediglich neun Prozent bereits umgesetzt.

#LeaveRussia-Analyse, Stand: 6. August 2023

CSR NEWS hat bei deutschen Unternehmen nachgefragt, die von #LeaveRussia als in Russland aktiv gelistet werden.

Der Technologiekonzern Zeppelin vertritt insbesondere die Baumaschinenmarke Caterpillar in Russland. „Nachdem Caterpillar entschieden hat die Lieferung von Maschinen und Ersatzteilen nach Russland einzustellen, hat auch Zeppelin beschlossen sich nach über einem Jahr Krieg und Sanktionen aus Russland weitestgehend zurückzuziehen“, sagte Zeppelin-CEO Peter Gerstmann > im CSR NEWS-Interview. „Wir haben also versucht, den Rückzug so gut wie möglich zu gestalten. Die Sanktionen zwangen uns zur Entlassung unserer russischen Mitarbeiter. Dabei wollen wir diesen Mitarbeitenden mit Anstand und Respekt und auf Augenhöhe begegnen. Und wir haben versucht, ihnen Arbeitsplätze bei unseren Kunden und Partnern anzubieten.“

Fresenius ist mit Medizinprodukten und durch Behandlungen in den Dialysezentren seines Unternehmensbereichs Fresenius Medical Care in Russland vertreten. „In der jetzigen Situation werden wir unser Engagement in Russland nicht weiter ausbauen. Sämtliche Investitionen haben wir auf Eis gelegt“, so ein Unternehmenssprecher. Patienten in rund 100 russischen Dialysezentren seien auf Fresenius Produkte und Dienstleistungen dringend angewiesen.

Der Medizindienstleister B. Braun betreibt in Russland Dialysezentren für rund 7.000 Patienten und beschäftigt in dem Land rund 3.400 Mitarbeiter. „B. Braun arbeitet intensiv daran, dass dort insbesondere chronisch kranke Patienten weiterhin behandelt werden können“, so eine Sprecherin. „Sämtliche Investitions- oder Expansionsaktivitäten haben wir unmittelbar nach Beginn des russischen Angriffskrieges gestoppt.“

Und auch das pharmazeutische Unternehmen Berlin-Chemie verweist auf seine Verantwortung, allen Patienten den Zugang zu seinen Medikamenten zu ermöglichen. „In Bezug auf Russland befindet sich das Unternehmen seit dem Ausbruch des Krieges in einem Stillstandsmodus und konzentriert sich auf die Aufrechterhaltung der Medikamentenversorgung für die Patienten, die diese dringend benötigen“, so eine Sprecherin. „Dementsprechend wurden alle Werbeausgaben des Unternehmens in Russland ausgesetzt und sämtliche neue Investitionen, einschließlich Forschungs- und Produktionsanlagen, gestoppt.“

Eine Nestlé-Sprecherin verwies auf ein > Online-Statement. „Wir haben unsere Aktivitäten auf die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln des täglichen Bedarfs ausgerichtet und die Lieferung der meisten Produkte aus unserem vor dem Krieg bestehenden Portfolio in Russland ausgesetzt“, heißt es dort.

„Die RBI hat bestimmte Geschäftsaktivitäten in Russland bereits reduziert und das grenzüberschreitende Exposure des RBI-Konzerns gegenüber Russland minimiert“, heißt es bei der Raiffeisen Bank International. Die Sprecherin weiter: „Die Raiffeisenbank wird einige Bankgeschäfte in Russland aufrechterhalten, um die Bedingungen zur Aufrechterhaltung ihrer Banklizenz zu erfüllen, und sie wird ihre Kunden, einschließlich jener, die von der Reduktion der Geschäftsaktivitäten in Russland betroffen sind, weiter unterstützen.“

Das Unternehmen GEA mit dem – nach eigenen Worten – Unternehmenszweck „Engineering for a better world“ teilt über eine Sprecherin mit, dass es im September 2022 seinen Produktionsstandort in Russland verkauft habe. „Das bedeutet, dass wir unsere Geschäftsaktivitäten zurückgefahren haben und nur noch einen sehr eingeschränkten Betrieb aufrechterhalten, um die Produktion von lebenswichtigen Nahrungsmitteln und Medikamenten für die lokale Bevölkerung zu ermöglichen.“

Scharfe Kritik am französischen Unternehmen Framatome und an Siemens Energy äußerte Greenpeace. Nach Angaben der Umwelt-NGO liefern die beiden Konzerne weiterhin Hochtechnologie und Know-how an den russischen Staatskonzern Rosatom. “Während Russland unendliches Leid über die ukrainische Bevölkerung bringt, machen Framatome und Siemens Energy weiterhin Geschäfte mit einem russischen Staatsunternehmen. Das ist unerträglich”, so Kateryna Bystrytska, Sprecherin von Greenpeace in Kyjiw, gegenüber der Presse. Rosatom sei unmittelbar an der russischen Invasion in der Ukraine beteiligt und solle auf die EU-Liste der sanktionierten russischen Unternehmen gesetzt werden, forderte Greenpeace. Mitarbeiter des Unternehmens seien im umkämpften Atomkraftwerks-Standort Saporischschja tätig.

Dass der Flughafen-Konzern Fraport ein Viertel der Anteile an der Betreibergesellschaft vom St. Petersburger Flughafen Pulkowo hält, ist nicht neu. Nach Recherchen von WDR, NDR und “Süddeutscher Zeitung” (SZ) wurde dieser in den vergangenen Monaten von Militärmaschinen genutzt – und das ist neu. So zeigten Satellitenbilder, dass dort ein Tu-22M3-Bomber landete. Maschinen dieses Typs können unter anderem KH-22-Marschflugkörper abwerfen, die von Russland im Angriffskrieg gegen die Ukraine auch gegen zivile Ziele eingesetzt werden. Ob die beobachtete Maschine tatsächlich im Ukraine-Krieg eingesetzt wurde, sei nicht belegt. Zu den Fraport-Anteilseignern zählen das Land Hessen ist mit mehr als 30 Prozent und die Stadt Frankfurt über ihre Stadtwerke mit rund 20 Prozent. Fraport wolle seine Beteiligung am Flughafen in St. Petersburg ruhen lassen, aber nicht aufgeben, heißt es in dem Bericht.

Wie sieht ein verantwortungsvolles unternehmerisches Verantwortung angesichts des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine aus? Schreiben Sie uns Ihre Meinung oder Hinweise auf unternehmerisches Handeln an redaktion@csr-news.net.

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