Friedrichshafen (csr-news) – Initiativen wie #LeaveRussia der Kyiv School of Economics (KSE) kritisieren westliche Unternehmen, die noch in Russland vertreten sind. Diese Unternehmen finanzieren den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine mit, so das Argument. #LeaveRussia führt eine > Liste, auf der u.a. das Unternehmen Zeppelin aufgeführt wird. Der aus dem Luftschiffbau entstandene Technologiekonzern ist mit über 10.000 Mitarbeitenden an rund 340 Standorten weltweit vertreten. Über das Russlandgeschäft sprach CSR NEWS mit Peter Gerstmann, dem Vorsitzenden der Geschäftsführung. Die Fragen stellte Achim Halfmann.
Herr Gerstmann, wie haben Sie den Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine erlebt?
Peter Gerstmann: Als am 24. Februar 2022 der Krieg ausbrach, wurde ich um 6.00 Uhr geweckt und darüber informiert; zwei Stunden später hatten wir einen Krisen-Call. Wir hatten Niederlassungen in den Kriegsgebieten und haben alles getan, um unsere ukrainischen Mitarbeiter in Sicherheit zu bringen. So haben wir Sammelpunkte an den Grenzen eingerichtet und Busse dorthin organisiert.
Heute sind bereits viele dieser Mitarbeiter in anderen Ländern tätig. Wir haben hundertprozentig zu den Arbeitsplätzen gestanden und keinen Mitarbeiter in den freien Gebieten entlassen.
Ihr Unternehmen ist ebenso in Russland vertreten. NGOs kritisieren, dass Putin auch mit den Steuern westlicher Konzerne seinen Krieg finanzieren kann. Warum sind Sie immer noch dort?
Wir sind Händler für den Baumaschinenhersteller Caterpillar, auch für viele west- und osteuropäische Länder und den Nordwestgürtel von Russland. In Russland haben wir für die Baumaschinen nach dem Fall des Eisernen Vorhangs über Jahrzehnte unsere Händlerschaft aufgebaut. Für die deutsch-russische Freundschaft wurden wir früher gefeiert.
Klar war von Anfang an: Wir werden uns strikt an die Sanktionen halten. Mit der elften Sanktionsrunde war dann der Verkauf von und der Service für Baumaschinen nicht mehr erlaubt. Klar war aber auch: Wir werden uns nicht schlagartig zurückziehen können. Zu Beginn des Krieges hatten wir 1.600 Mitarbeiter in Russland, jetzt sind es noch 600 und zum Ende des Jahres werden noch 70 dort für uns tätig sein. In erster Linie um unser verbliebenes Vermögen zu verwalten. Wir haben Verpflichtungen gegenüber unseren Mitarbeitern und unseren nicht sanktionierten Kunden. Und alle Entscheidungen, die wir zu Russland treffen, die treffen wir nicht allein: Caterpillar muss zustimmen, das ist ganz wichtig.
Wir haben also versucht, den Rückzug so gut wie möglich zu gestalten. Die Sanktionen zwangen uns zur Entlassung unserer russischen Mitarbeiter. Dabei wollen wir diesen Mitarbeitenden mit Anstand und Respekt und auf Augenhöhe begegnen. Und wir haben versucht, ihnen Arbeitsplätze bei unseren Kunden und Partnern anzubieten.
Kritiker werfen den in Russland verbliebenen westlichen Unternehmen vor, ihre wirtschaftlichen Interessen über ihre Verpflichtungen als „Corporate Citizens“ zu stellen.
Seit Kriegsbeginn haben wir keine Gewinne in Russland mehr gemacht, sondern erhebliche Verluste. Die Abschreibungen von Vermögensteilen haben kräftig in unsere Bilanz hineingewirkt. Von der schweizerischen Aufsichtsbehörde SECO erwirkten wir die Sondererlaubnis, alles zu verkaufen, was wir noch im Land haben – aber nicht an sanktionierte Parteien. Dabei sehen wir uns zugleich als Garanten für die Einhaltung westlicher Sanktionen. Hätten wir uns sofort zurückgezogen, wären Händler aus der Türkei, Ägypten oder anderen Ländern an unsere Stelle getreten, die solchen Sanktionen nicht unterliegen.
Nachdem Caterpillar entschieden hat die Lieferung von Maschinen und Ersatzteilen nach Russland einzustellen, hat auch Zeppelin beschlossen sich nach über einem Jahr Krieg und Sanktionen aus Russland weitestgehend zurückzuziehen.
Wie könnte es nach dem Krieg weitergehen?
Es wäre vernünftig, die Brücken nicht einzureißen, denn es wird eine Zukunft geben. Ich habe sehr viele persönliche Beziehungen nach Russland aufgebaut und sehr gut gebildete und weitsichtige Menschen dort kennengelernt. Über soziale Medien bin ich mit manchen weiter in Kontakt.
Wir haben unsere Mitarbeitenden gefördert und deren Familien unterstützt. Einem halben Dutzend konnten wir Funktionen in Deutschland oder anderen Ländern anbieten und sie dort ohne Repressalien integrieren – darauf sind wir stolz.
Aktuell gilt unsere hundertprozentige Sympathie dem ukrainischen Verteidigungswillen, den wir durch unsere Präsenz in der Ukraine als Unternehmen unterstützen. Unsere Maschinen werden im Bergbau eingesetzt, nah an den Kampfgebieten. Das macht die Arbeit schwierig. Und wir liefern Aggregate für die im Zentrum vieler Angriffe stehenden ukrainische Infrastruktur.
Ich hoffe sehr, dass der Krieg bald endet und der Wiederaufbau der Ukraine beginnen kann.
Vielen Dank für das Gespräch!
Wie handeln andere in Russland vertretene deutsche und österreichische Unternehmen? Lesen Sie mehr dazu > hier auf CSR NEWS.

Caterpillar-Baumaschine im Einsatz (Foto: Ingo Doerrie auf Unsplash)
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