Gelsenkirchen (csr-news) – An der Westfälischen Hochschule in Gelsenkirchen soll ein Professor über mehrere Jahre männliche Studierende bedrängt und teilweise sexuell belästigt haben. Das berichtete die WAZ (Funke Mediengruppe) am Dienstag. Gegenüber der Zeitung haben inzwischen sechs Betroffene geredet: Die Belästigungen liefen über längere Zeit und sollen der Hochschule bereits bekannt gewesen sein.
Nach dem WAZ-Bericht hatten sich die betroffenen Studenten mit Gedächtnisprotokollen an die Hochschulleitung gewandt. Das älteste Protokoll stamme aus dem Jahr 2019. Gegenüber der Zeitung bestätigte die Westfälische Hochschule, mehrere Studierende hätten „grenzüberschreitenden Machtmissbrauch durch eine lehrende Person“ aktuell angezeigt. Die Westfälische Hochschule hat nun mit einer vorläufigen Dienstenthebung und der Einleitung eines Disziplinarverfahrens reagiert.
Betroffene Studenten sagen, von dem Professor öfter in sein Büro oder auf einen Kaffee in die Mensa eingeladen worden zu sein. Berichtet wird von häufigen WhatsApp-Kontakten und Handyanrufen – auch sonntags nach 22.00 h. Der Professor habe die Studenten zu sich nach Hause eingeladen, um mit ihnen über Studieninhalte zu sprechen, so seine Begründung. Dort habe er Alkohol angeboten und Studierende zum Übernachten eingeladen. Bei diesen Begegnungen sei es zu unangemessenen Verhaltensweisen gekommen: Berichtet wird von einem Massieren des Rückens, langen Umarmungen – auch durch den nur mit Boxershorts bekleideten Professor -, dem Streicheln des Gesichts, der Hand auf dem Oberschenkel und dem Küssen auf die Wange.
Die Studenten berichten gegenüber der WAZ, aus Scham über das Erlebte lange geschwiegen zu haben. Zudem hätten sie wissenschaftlich und beruflich von dem Professor profitiert und sich abhängig gefühlt.
„Diskriminierung wird an unserer Hochschule nicht geduldet“, heißt es in einer Stellungnahme der Westfälischen Hochschule. „Unsere Richtlinie ‚Diskriminierungsfreie Hochschule‘ bringt das deutlich zum Ausdruck und regelt Prozesse und Ansprechmöglichkeiten, falls dennoch ein Diskriminierungsverdacht aufkommt.“ Aufgrund des laufenden Verfahrens werde die Hochschule zu dem konkreten Fall keine weiteren Aussagen treffen.
Sexuelle Belästigungen und Compliance an Hochschulen
Studierende sind in besonderer Weise von Bewertungen durch ihre Professorinnen und Professoren abhängig. Fast ein Drittel der Studierenden und Mitarbeitenden an Hochschulen haben im Studium oder bei der Arbeit sexuelle Belästigung erlebt. Das berichtete der Spiegel im November aus einer Studie des Kölner Leibniz-Instituts für Sozialwissenschaften. Danach haben sechs Prozent der Befragten körperliche Gewalt und drei Prozent sexuelle Gewalt erlebt. Die Vorgänge an der Westfälischen Hochschule sind also kein Einzelfall. Werden Berichte Betroffener an Universitäten und Hochschulen ernst genommen? Schützen wissenschaftliche Institutionen ihren Studierenden und Mitarbeitenden ausreichend vor Missbrauch? Wie kann die Compliance an Hochschulen verbessert werden? Lesen Sie dazu unsere Meldung: Sexuelle Belästigungen im Wissenschaftsbetrieb. Was Hochschulen dagegen unternehmen (sollten).