Ein Gastbeitrag von:
Dr. Sascha Genders,
Bereichsleiter Standortpolitik, Existenzgründung und Unternehmensförderung,
IHK Würzburg-Schweinfurt
Konkret gilt es für Geschäftsjahre nach dem 31. Dezember 2016, nichtfinanzielle Aspekte der Geschäftstätigkeit, insbesondere Themen wie Umwelt- und Arbeitnehmerbelange, Achtung der Menschenrechte oder Bekämpfung von Korruption und Bestechung, aufzuzeigen. Laut Gesetz sind von den Regelungen Betriebe mit mehr als 500 Mitarbeitern im Jahresdurchschnitt, einem Umsatz von über 40 Mio. Euro oder einer Bilanzsumme von über 20 Mrd. Euro betroffen, wenn Kapitalmarkorientierung besteht. Banken, Versicherungen und Fondsgesellschaften fallen unabhängig von der Börsennotierung in den Geltungsbereich. Nicht vorgegeben ist hierbei das Format der Berichterstattung, eine Integration beispielsweise in den Lagebericht ist ebenso denkbar wie eine separate Offenlegung, zum Beispiel über die unternehmenseigene Internetseite. Orientierungshilfen zur Umsetzung bieten Rahmenwerke wie der Global Compact der Vereinten Nationen, die Norm ISO 26000: Leitfaden für gesellschaftliche Verantwortung, die Global Reporting Initiative (GRI) oder der Deutsche Nachhaltigkeitskodex (DNK).
Mit der Gesetzesumsetzung liegt ein klares Signal für den zukünftigen Stellenwert von CSR vor. Der Blick ins Detail zeigt zwar, dass sich die nachvollziehbare Sorge der Unternehmen in Sachen möglicher bürokratischer Mehrbelastung durch CSR-Berichtspflichten nicht in der Regelungsschärfe im Gesetz niederschlägt, wie es auch denkbar hätte sein können – die unmittelbar dem Gesetz unterliegenden Großunternehmen sind vergleichsweise gering in der Anzahl hierzulande, die Inhalte, über die zu berichten ist, sind nicht prüfungsrelevant wenn sie beispielsweise ausschließlich über die Unternehmenshomepage veröffentlicht werden und ferner hat ein externer Abschlussprüfer grundsätzlich nur das Vorliegen des nichtfinanziellen Berichtes zu prüfen, ebenda aber nicht die Inhalte. Die vorliegende Umsetzung des Gesetzes ist gut und ausreichend, einheitliche Standards und Regelwerke in Sachen CSR werden schlicht niemals der Vielfalt der Möglichkeiten gerecht, mit denen Betriebe ihrer nicht zuletzt durch das Leitbild des ehrbaren Kaufmannes immanenten inneren Haltung in der Praxis nachkommen können.
Aber: Die Umsetzung der Richtlinie ist keinesfalls ein stumpfes Schwert, wie gemutmaßt werden könnte. Das Gesetz trägt neben der von ihm ausgehenden Signalwirkung, durch zwei Gründe dazu bei, dass von einer scharfen Klinge in Sachen CSR gesprochen werden muss.
Kaskadeneffekt fordert KMU
Die Annahme, nur Großunternehmen seien angehalten, über die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung Bericht zu erstatten, geht an der Realität schlicht vorbei. Zum einen sind eben gerade diese Betriebe nicht nur aufgrund der Größe in der Lage ohnehin über CSR-Aktivitäten zu berichten und sie nutzen bewusst die Chancen von CSR bereits umfangreich, um Wettbewerbsvorteile zu erlangen – für sie ist CSR Teil des Tagesgeschäftes. Durch das Gesetz dürfte darüber hinaus aber mit Blick auf kleine und mittlere Unternehmen (KMU) von denjenigen, die oftmals innerhalb von Wertschöpfungsketten, eben diesen Großunternehmen vorgelagert sind, eine noch stärkere Anforderung zu erwarten sein, als dies bislang bereits der Fall ist.
Beim Thema Menschenrechte und Produktionsbedingungen in Entwicklungsländern zeigt sich beispielsweise bei der Herstellung oder dem Handel mit pflanzlichen Rohstoffen und Produkten, dass Großkonzerne im Zuge ihres eigenen Beschaffungswesens auf eigene Standards – fernab etablierter Rahmenbedingungen wie Global Compact oder GRI – innerhalb der Lieferketten setzen. Diese sind mit Blick auf die Zulieferer und Händler zu berücksichtigen und oftmals durchaus aufwendiger als genannte internationale oder nationale Konzepte. Die großen Automobilhersteller hierzulande verlangen von ihren Zulieferern schon heute explizite Nachweise darüber, inwieweit bei der Produktion ihrer Bauteile, Komponenten oder Dienstleistungen entsprechende Anforderungen mit Blick auf die CSR-Relevanz für eben diese Großunternehmen eingehalten werden – und dies lässt sich ohne Zweifel auf diverse weitere Branchen und spezielle CSR-Handlungsfelder übertragen.
Für die Zulieferer selbst ist somit die Umsetzung von CSR-Maßnahmen nicht zuletzt Erfolgsgarant, um innerhalb des Wettbewerbs um Großaufträge Erfolge zu erlangen. So hat sich bei einem großen deutschen Automobilhersteller ein Verfahren etabliert, wonach potenzielle Zulieferer eine Reihe eben dieser CSR-relevanten Information nachweisen müssen, bei zweifacher Nichterbringung scheitert das Geschäft. CSR ist letztlich Zugangs- und Wettbewerbskriterium für die Umsetzung einer geschäftlichen Partnerschaft mit den innerhalb der Wertschöpfungsketten nachgelagerten Unternehmen. Diese bereits heute gelebte Praxis dürfte durch die nunmehr gesetzlich verankerte Berichterstattung weiter verstärkt werden:
Sanktionierung durch Öffentlichkeit
Menschenrechtsverletzungen, Umweltverschmutzungen oder Bestechungsfälle, all dies sind Schlagzeilen, die Unternehmen jedweder Größenordnung in der eigenen Existenz schädigen können, zusätzlich zu den Schicksalen hinter den Ereignissen. Die sich hinter den Schlagwörtern Rana Plaza, Deepwater Horizon oder Dieselgate verbergenden Ereignisse im Kontext der Debatte unternehmerischer Verantwortung seien stellvertretend genannt. Auch Kampagnen von NGOs mit Blick auf international aufgestellte Großkonzerne haben vielfach Wirkung hinterlassen und die Sensibilität der Verbraucher und Endkunden geschärft. Insbesondere in den heutigen Zeiten rasanter Kommunikation und Nachrichtenverbreitung mit Social Media sowie einem grundlegenden Vertrauensverlust in Institutionen und Akteure jedweder Art können negative Schlagzeilen den Unternehmensfortbestand gefährden. Der Konsument ist mehr denn je bereit, durch Nichtkauf zu sanktionieren als durch Kauf zu belohnen. Negative CSR-News können dank digitaler Vernetzung innerhalb von wenigen Augenblicken rund um den Globus gesendet werden. Mit Blick auf das vorliegende Gesetz heißt dies, dass logischer Weise die nicht gegebene inhaltliche Prüfung der Berichte festzustellen ist, aber das ist letztlich auch nicht entscheidend: Die mögliche öffentliche Wahrnehmung und eben auch denkbare Sanktionierungen durch Kunden bei Verstößen gegen CSR-Anforderungen wiegen weitaus gewichtiger. In der Konsequenz müssen sich demnach sowohl große als auch kleine Betriebe – unabhängig von Größe, Mitarbeiteranzahl oder Sitz – zukünftig deutlich aktiver mit den eigenen negativen sowie positiven CSR-Themen und deren Kommunikation beschäftigen, ob sie wollen oder nicht.
Chance statt Belastung sehen
Das neue CSR-Gesetz trifft auf den ersten Blick nur die „Großen“ und scheint in Sachen Anforderungen nicht zu wesentlichen zusätzlichen bürokratischen Hürden zu führen. Auf den zweiten Blick verankert es aber das Thema CSR in der Unternehmerschaft. Durch bereits vorherrschende und zukünftig noch stärker zu beobachtende Kaskadeneffekte werden sich mittelfristig alle Unternehmen, gerade diejenigen mittlerer und kleiner Größe innerhalb der Wertschöpfungsketten, aktiv mit dem Thema auseinandersetzen müssen. Nicht zuletzt ein gesellschaftspolitischer Wandel hin zur stärkeren Mitbestimmung von Interessensgruppen in allen Facetten trägt dazu bei. Wichtig ist in diesem Kontext jedoch: CSR darf nicht als Belastung gesehen werden, weil es das nicht ist. Es sollte vielmehr als Chance verstanden werden, die Unternehmen ohnehin freiwillig ergreifen. Gesetzliche Regelungen wie die CSR-Richtlinie, aber auch der Nationale Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte der Bundesregierung, sind die eine Seite. Die freiwilligen Maßnahmen andererseits bieten die wahren Chancen.
Was im Schlechten gilt in Sachen öffentlicher Sanktionierung, greift auch bei Positivbeispielen: Gesellschaftliche Verantwortung bei erfolgreicher Umsetzung zu kommunizieren hilft beispielsweise in der Produktvermarktung dabei, eine echte Win-Win-Situation zu schaffen, für die Gesellschaft selbst und eben für das eigene Unternehmen. In der heutigen CSR-Debatte ist daher auch nicht ohne Grund von einem durch die Unternehmen mittels CSR zu schaffenden „Share Value“ die Rede, einem Mehrwert für die Gesellschaft und alle relevanten Stakeholder, aber eben legitimer Weise auch für das Unternehmen. Nebst dem reinen Marketingaspekt, um Kunden oder Mitarbeiter zu gewinnen, kann die Umsetzung einer freiwilligen CSR-Strategie im Unternehmen dabei helfen, nicht nur dem stärker werdenden Anspruch unterschiedlicher Interessensgruppen gerecht zu werden, sondern zugleich Innovations- und Wettbewerbsvorteile zu generieren, neue Märkte zu erschließen oder Effizienzsteigerungen im Geschäftsalltag zu bewirken. Eine starke Wettbewerbsposition ist möglich dank CSR.
Die IHK Würzburg-Schweinfurt hat kürzlich gemeinsam mit Prof. Bolsinger von der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt, Fakultät Wirtschaftswissenschaften, eine Studie über das CSR-Verständnis der Unternehmen in Mainfranken durchgeführt. In einem Beitrag auf CSR-NEWS haben Sie die Ergebnisse vorab präsentiert. Inzwischen ist die Studie “Wirtschaftspolitische Perspektiven – Unternehmerische Verantwortung in Mainfranken” veröffentlicht und steht hier zum Download zur Verfügung.