Berlin (csr-news) > Diversity steht in Deutschlands Unternehmen noch immer am Anfang. Das ist eine der zentralen Ergebnisse einer Studie, die Anlässlich des zehnjährigen Bestehens des Vereins „Charta der Vielfalt“ erstellt wurde. Zwei von drei Unternehmen in Deutschland haben bislang noch keine Maßnahmen im Diversity Management umgesetzt und nur 19 Prozent planen für die Zukunft konkrete Maßnahmen. Dabei ist sich zugleich eine große Mehrheit von 65 Prozent der Tatsache bewusst, dass die Einbindung unterschiedlicher Lebensmodelle, kultureller Perspektiven und Erfahrungen dem eigenen Unternehmen Vorteile bringt.
Rund drei Viertel der Unternehmen erkennen zwar, dass eine vielfältig zusammengesetzte Belegschaft die Offenheit und Lernfähigkeit, und damit auch die Zukunftsfähigkeit sicherstellt. Doch vom Handeln sind sie weit entfernt. Die, vom Beratungsunternehmen Ernst & Young (EY) erstellte Studie „Diversity in Deutschland“ wurden 349 Unternehmen, die die Charta der Vielfalt unterzeichnet haben, befragt. Zugleich wurden Personalverantwortliche in 250 zufällig ausgewählten Unternehmen befragt, welche die Selbstverpflichtung nicht unterzeichnet haben. Es sollte eine Art Bestandsaufnahme sein, um zu sehen, wie sich das Thema Diversity in den vergangenen zehn Jahren seit Bestehen des Vereins, weiterentwickelt hat. Dabei ging es den Autoren ausdrücklich nicht um Wertung, vielmehr wollten sie Ergebnisse präsentieren, Interpretationen liefern und auf offene Fragen hinweisen.
Vielfältiger denken und schneller lernen
10 Jahre Charta der Vielfalt seien ein guter Zeitpunkt, eine erste Bilanz zu ziehen, schreibt Aletta Gräfin von Hardenberg, Geschäftsführerin des Vereins Charta der Vielfalt, im Vorwort. Die internationale Vernetzung der Zusammenarbeit, Frauenförderung, die Integration von Flüchtlingen oder der Fachkräftemangel, mit mindestens einem dieser Punkte wird nahezu jedes Unternehmen konfrontiert. Spätestens bei der Suche nach Lösungen steht schnell auch das Thema Diversity im Raum. „Die Digitalisierung und die Globalisierung verlangen von uns, dass wir vielfältiger denken und schneller lernen“, so Ana-Cristina Grohnert, Vorstandsvorsitzende des Vereins Charta der Vielfalt und Personalchefin bei EY. Dabei würde der Wettbewerbsfaktor Vielfalt noch immer stark unterschätzt. „Wer nicht in der Lage ist, eine vielfältige Belegschaft aufzubauen, der wird den Kontakt zu gesellschaftlichen und technologischen Trends und somit Kundenbedürfnissen an den Märkten verlieren“, so Grohnert.
Diversity Management in Deutschland noch am Anfang
Die Studie zeigt, dass bei dem Drittel der Unternehmen und Institutionen, die aktives Diversity Management betreiben, vor allem Maßnahmen der Flexibilisierung von Arbeitszeit und Arbeitsort, sowie Maßnahmen der Personalgewinnung und Personalentwicklung im Vordergrund stehen. Für die Studienmacher ein Indiz dafür, dass die Organisationen vor allem aus kurzfristiger Perspektive auf Personalmangel reagieren. Gräfin von Hardenberg bewertet diese Herangehensweise eher kritisch: „Nur ein ganzheitlich ausgeübtes Diversity Management unter Einbeziehung aller Akteure und Akteurinnen sowie Dimensionen führt zum Erfolg.“ Sie fordert, dass Organisationen Diversity Management zum festen Bestandteil der Strategie machen. „Diversity Management steht in Deutschland immer noch am Anfang, es wird aber für die Zukunft des Standorts massiv an Bedeutung gewinnen“, so von Hardenberg.
Interessant, wenn auch nicht verwunderlich, ist der Unterschied zwischen den Unterzeichnern der Charta und dem nationalen Querschnitt. Für von Hardenberg sind die Unterzeichner den anderen Unternehmen mindestens zwei Schritte voraus. Sichtbar wird dies unter anderem bei den Diversity-Aspekten, wo die Befragten keinen Handlungsbedarf sehen. Sechs Aspekte (Geschlecht, Nationalität und ethnische Herkunft, Religion und Weltanschauung, Behinderung, Alter sowie sexuelle Orientierung und Identität. Der Unterschied ist mehr als deutlich. In allen Bereichen sehen die Unterzeichner einen relativ gleichbleibend hohen Handlungsbedarf, im Gegensatz zum Querschnitt der Unternehmen. Vor allem bei Themen wie Religion und sexuelle Orientierung wird wenig oder gar kein Handlungsbedarf gesehen. Aus Sicht der Autoren wirft dies die Frage auf, „ob es sich hier eventuell um Tabuthemen handelt, zu denen die Unternehmen über keine Handlungsansätze verfügen und die sie deshalb zur Privatsache erklären.“
Die Studie „Diversity in Deutschland“ mit allen Ergebnissen der Studie und zahlreichen interessanten Experteninterviews zum Download.