Einst als Nischenthema wenig beachtet und später als Managementmode gebrandmarkt, hat sich Corporate Social Responsibility (CSR) – definiert als freiwilliges Engagement in den Bereichen Soziales, Umwelt, Ökonomie und Governance – heute zu einem Kernthema des strategischen Managements entwickelt. Die Flüchtlingswelle unterzieht die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen einem Härtetest.
Karlsruhe (csr-magazin) – Einst als Nischenthema wenig beachtet und später als Managementmode gebrandmarkt, hat sich Corporate Social Responsibility (CSR) – definiert als freiwilliges Engagement in den Bereichen Soziales, Umwelt, Ökonomie und Governance – heute zu einem Kernthema des strategischen Managements entwickelt. Die Flüchtlingswelle unterzieht die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen einem Härtetest.
Von Florian Weber
Dem liegt die Einsicht zugrunde, dass Unternehmen als Institutionen in den gesellschaftlichen Rahmen eingebettet sind. Die Interaktionen zwischen Unternehmen und anderen gesellschaftlichen Akteuren sind zahlreich und vielschichtig. Beispielsweise nutzen Unternehmen das Arbeitskräftepotenzial der Gesellschaftsmitglieder, stellen Unternehmen der übrigen Gesellschaft ihre Produkten und Dienstleistungen zur Verfügung, tragen Unternehmen über Steuerzahlungen zur Organisation des Ordnungsrahmens bei, verlassen sich Unternehmen auf den gesellschaftlichen Rechtsrahmen zur Vermeidung von Unsicherheit. Ein bei allen Akteuren der Gesellschaft akzeptiertes gemeinsames Wertesystem schafft die Grundlage für gute Koordinationseffizienz. Unternehmen gedeihen also auf dem gesellschaftlichen Nährboden, reichern diesen aber auch an.
CSR geht über die oben genannten, direkt mit der Gewinnerzielung verbundenen Aspekte hinaus und adressiert die Belange unterschiedlicher Anspruchsgruppen. So justiert CSR die selbstgewählte Positionierung von Unternehmen in der Gesellschaft. Treffend wird CSR als gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen ins Deutsche übersetzt.
Legitimität als Existenzgrundlage
Erst durch das dynamische Zusammenspiel von Unternehmen und Anspruchsgruppen wird Unternehmenserfolg möglich: Während die Anspruchsgruppen Erwartungshaltungen (teilweise implizit) formulieren und an Unternehmen herantragen, gestalten Unternehmen kontinuierlich das den Erwartungen zugrundeliegende Wertefundament mit. Die gesellschaftliche Akzeptanz und Erwünschtheit von Unternehmen, kurzum deren Legitimität, wird zur Existenzgrundlage und zum langfristigen Erfolgsfaktor für Unternehmen.
Um Unternehmenserfolg langfristig zu sichern, müssen sich Unternehmen der gesellschaftlichen Verantwortung stellen, die vorherrschende Erwartungshaltung antizipieren und gesellschaftliche Herausforderungen in die eigene Agenda übernehmen.
Ist CSR in der Unternehmens-DNA verankert?
Im Spätsommer 2015 hat die Flüchtlingswelle Deutschland erreicht, nachdem sie sich über Jahre hinweg als Folge internationaler Krisenherde aufgebaut hatte. Der Zustrom großer Zahlen von Kriegsflüchtlingen wird von der Bundeskanzlerin und anderen mit dem Mammutprojekt der deutschen Wiedervereinigung verglichen. Insbesondere die langfristige Integration derer, die dauerhaft bleiben, stellt eine bedeutende gesellschaftliche Herausforderung dar, die weit über die tagesaktuelle Debatte um Begrenzungen und Asylverfahren hinausgeht.
Folglich wird die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen im Zuge der Integration der Flüchtlinge in die Gesellschaft einem Härtetest unterzogen. Ist CSR wirklich in der Unternehmens-DNA verankert und fester Teil des strategischen Managements?
Drei Aktionsfelder liefern Indizien:
Erstens können Unternehmen direkt Angebote für Flüchtlinge schaffen. Insbesondere geht es dabei um Arbeitsplätze für Flüchtlinge, da Arbeit die gesellschaftliche Teilhabe garantiert und somit die Basis für erfolgreiche Integration darstellt. Der Flüchtlings-Zuzug birgt die Chance, dem Fachkräfte-Mangel der Industrie entgegenzuwirken. Dieser Aspekt wurde bereits medienwirksam vom Daimler-Vorstandsvorsitzenden Dieter Zetsche aufgegriffen. Über die Ankündigung hinaus können Unternehmen jedoch dauerhafte Angebote schaffen und Flüchtlinge in die Belegschaften integrieren.
Zweitens können Unternehmen indirekt Integrationsbemühungen fördern. Auf Basis ihrer institutionellen Rolle haben Unternehmen eine einflussreiche Position: Sie können die verschiedenen Anspruchsgruppen in deren Bemühungen ermutigen und unterstützen. Dies geschieht beispielsweise durch das Schaffen von Anreizen – monetär oder in Form von Freistellungsregelungen – für die Beschäftigten, sich individuell zu engagieren: Begleitung bei Behördengängen, Vermittlung der deutschen Sprache und Werte oder Tandem-Familienpartnerschaften sind nur einige Ideen. Weitere Möglichkeiten sind die Abgabe von Produkten und Dienstleistungen an Hilfsorganisationen zu Sonderkonditionen oder die Unterstützung staatlicher Ordnungsstellen mit geeigneten Service- oder IT-Lösungen.
Drittens können Unternehmen durch Kommunikation Einfluss nehmen. CSR manifestiert sich nicht nur in Unternehmenshandlungen, sondern gleichermaßen in der Unternehmenskommunikation. Dies bedeutet, dass die gesellschaftliche Debatte von Unternehmen aktiv begleitet wird. Dabei werden sehr wohl auch kritische Aspekte beleuchtet: Zweifelsfrei gibt es Probleme und Schwierigkeiten, mit denen man sich auseinandersetzen muss, der Fokus liegt aber auf konstruktiven Lösungsvorschlägen. Insbesondere der Unternehmensleitung kommt eine wegweisende Funktion zu. Unternehmen finden aufgrund der institutionellen Rolle Gehör und können so Werte vermitteln. Mut, Respekt und Vertrauen sind nur einige der Werte, die die Integration voranbringen.
Direkte Angebote der Unternehmen sind der Gewinnerzielung zuzuordnen und somit im Kern nicht CSR. Positive Nebeneffekte daraus für die Gesellschaft sind nicht ausgeschlossen und wünschenswert. Vor dem Hintergrund der Überlegungen zu CSR geht es aber vielmehr darum, wie Unternehmen über die eigentliche Geschäftstätigkeit und Gewinnerzielung hinaus gesellschaftliche Verantwortung übernehmen und die Belange ihrer Anspruchsgruppen bedienen. Konkret geht es darum, wie Unternehmen Integrationsbemühungen indirekt unterstützen und so andere in die Lage versetzen, helfen zu können, sowie darum, durch Kommunikation eine offene Kultur fördern.
Unternehmen müssen die Integrationsanstrengungen mittragen
Bei der Integration der Flüchtlinge handelt es sich um eine Aufgabe, die die gesamte Gesellschaft bewegt und verändert und somit den Nährboden von Unternehmen betrifft. Von Unternehmen als wichtige Institutionen der Gesellschaft erwarten die anderen gesellschaftlichen Akteure und Anspruchsgruppen, dass diese die Integrationsanstrengungen mittragen. Das schafft Legitimität und sichert die langfristige Daseinsberechtigung für Unternehmen. Und führt letzten Endes zur langfristigen Unternehmenswertmaximierung. Genau deshalb sollten Unternehmen die Herausforderung annehmen!
Die ersten Initiativen bei großen wie kleinen Unternehmen als Reaktion auf die akute Flüchtlingssituation im Spätsommer 2015 deuten an, dass CSR tatsächlich in der Unternehmens-DNA verankert ist. Allerdings steht die eigentliche Herausforderung und somit der wahre Härtetest für CSR in den nächsten Jahren noch bevor. An die Arbeit.
Zum Autor:
Florian Weber ist Doktorand am Institut für Unternehmensführung des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Familienunternehmen und Corporate Social Responsibility (CSR). Er blickt auf eine mehrjährige Berufserfahrung in einem der größten deutschen Familienunternehmen zurück.