Bonn (csr-news) – Die Weltgemeinschaft unternimmt nicht genug im Kampf gegen die Armut. „Eine Welt ohne Hunger ist möglich, schon heute, und es ist zynisch und unmoralisch, dass sie nicht schon umgesetzt ist“, sagte der Staatssekretär im Bundesentwicklungsministerium, Friedrich Kitschelt, am 12. Mai in Bonn. Kitschelt forderte zugleich nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster: „Globalisierung muss Teilhabe für alle sein und nicht Einladung zur Ausbeutung von Menschen und Umwelt“, sagte der Staatssekretär während der „Bonn Conference for Global Transformation“, auf der am 12. und 13. Mai etwa 700 Teilnehmer aus 70 Ländern über die Weltentwicklung diskutierten.
Einen Anlass der Konferenz bildete die bevorstehende Verabschiedung der Sustainable Development Goals (SDGs) in der Nachfolge der auslaufenden Millennium Development Goals (MDGs). Zur Verwirklichung der Entwicklungsziele reichten staatliche Mittel nicht aus. „Wir wollen schließlich die Weichen so stellen, dass immer mehr private Mittel für die Förderung dieser Nachhaltigkeitsziele mobilisiert werde“, so Kitschelt.
MDGs: gemischte Bilanz
Eine gemischte Bilanz zur Verwirklichung der Millenniumentwicklungsziele zog die Vorstandssprecherin der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), Tanja Gönner: „Fünf Jahre vor Ablauf der MDGs ist es gelungen, den Anteil der Menschen in extremer Armut zu halbieren.“ Gleiches gelte für die Kindersterblichkeit. Anderseits: „Von unserem selbstgesteckten Ziel, Wachstum nicht auf Kosten natürlicher Ressourcen zu verwirklichen, sind wir weiter entfernt denn je“, so die GIZ-Chefin.
Dynamik statt Sicherheit
Nach Ansicht der Entwicklungsexpertin sind globale Wandlungsprozesse von Unsicherheiten geprägt. Wir leben in einer „Welt, in der Dynamik und Wandel an die Stelle von Sicherheit und Stabilität treten“, sagte Gönner. Nicht nur Staaten, sondern immer mehr nicht-staatliche Akteure beeinflussten die globale Weltordnung. Gönner: „Digitalisierung, Globalisierung und Urbanisierung haben dazu geführt, dass immer mehr Menschen an Entscheidungen teilhaben.“
Voraussetzung für eine positive globale Entwicklung sei ein „entschiedener Pfadwechsel, der nicht nur unsere Konsum- und Produktionsmuster in Frage stellen wird, sondern auch unsere Lebensstile, ja sogar unsere Wertsysteme“, sagte Gönner weiter.
Paradigmenwechsel: alle Länder im Fokus
Dem pflichtete die Europaministerin des Landes Nordrhein-Westfalen, Angelica Schwall-Düren, bei: „Die Weltgesellschaft steht vor einem Paradigmenwechsel in der Wahrnehmung der sozialen Herausforderungen.“ Es würden nicht mehr nur Probleme in den Ländern des Südens wahrgenommen, sondern ebenso der nicht nachhaltige Lebensstil in westlichen Ländern. Während einerseits die Mehrheit der unter Armut leidenden Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern lebe, seien auch in Deutschland 15% der Menschen von Armut bedroht. „Fragen der globalen Verteilung nach Chancen und Gütern lassen sich nicht trennen von Fragen der Verteilungsgerechtigkeit innerhalb der Staaten und Gesellschaften“, sagte die Ministerin.
Entwicklung braucht Mentalitätswandel
Nordrhein-Westfalen könne als Vorbild für Transformationen dienen. Das Land wandle sich von einer Industrie- zu einer Dienstleistungsgesellschaft und stehe nun vor den Herausforderungen der digitalen Revolution. „Für uns in NRW ist Transformation Alltag und gelebte Praxis.“ Entwicklung brache aber nicht nur technische Innovationen. Schwall-Düren: „Ein struktureller Wandel gelingt nicht ohne einen tiefgreifenden Wandel von Mentalitäten und Lebensweisen.“ Eine von oben verordnete Transformation sei zum Scheitern verurteilt.
Auf die kontroverse Diskussion um die Zukunft der Braunkohle in NRW angesprochen, forderte Schwall-Düren einen Prozess, „der das Ziel im Auge hat und versucht, die Menschen mitzunehmen.“ Die Ministerin weiter: „Man darf ihre Lebensgrundlage nicht zerstören.
iCow fördert kenianische Landwirte
Auf der Konferenz berichteten Unternehmen und Entrepreneure, die mit neuen Ideen zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen. Die kenianische Musikerin und Gründerin der Green Dreams Ltd., Su Kahumbu Stephanou, stellte ihr Trainingsprogramm iCow für kenianische Landwirte vor. Das Programm knüpft an die weite Verbreitung von Mobiltelefonen in dem ostafrikanischen Land an: Landwirte empfangen drei SMS pro Woche mit Informationen zu Viehzucht, Bodenpflege sowie Gemüseanbau und sie erhalten Zugang zu Sprachnachrichten. Smartphone-Besitzer können zudem eine App nutzen.
„Erfolgreiche Landwirtschaft startet im Kopf. Wir müssen in landwirtschaftliche Bildung investieren“, sagte Kahumbu Stephanou. Zudem brauchten Landwirte Zugang zu Kapital. „Es braucht sehr viel Zeit, etwas umzusetzen.“ Kahumbu Stephanou weiter: „Wir haben keine Zeit.“
Positive Resonanz
Das Land NRW und die GIZ zogen als Veranstalter der Tagung eine positive Bilanz. Mehr Interesse aus deutschen Unternehmen hätte sich wohl Ministerin Schwall-Düren gewünscht: „Das ist ein Anfang mit der Wirtschaft, das können wir erweitern.“ GIZ-Chefin Gönner kündigte an, dass die „Bonn Conference for Global Transformation“ alle zwei Jahre stattfinden wird: „Es geht uns mit der Konferenz darum auszutauschen, zu lernen, zu vernetzen – über Ländergrenzen hinweg.“
Foto: Su Kahumbu Stephanou, kenianische Bio-Pionierin und Erfinderin der App iCow. (GIZ/photothek)
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