Stuttgart (csr-news) > Banken haben über die Kreditvergabe einen wirksamen Hebel ökologische und soziale Aspekte in der Wirtschaft stärker zu verankern. An der Universität Stuttgart wurde die Vergabepraxis deutscher Kreditinstitute untersucht. Der nun vorliegende Bericht vermittelt ein Stimmungsbild und zeigt die aktuellen Entwicklungen auf.
Eine aktuelle Untersuchung der Nachhaltigkeits-Ratingagentur oekom-research belegte kürzlich den Nachholbedarf von Kreditinstituten bei der Berücksichtigung nachhaltiger Aspekte im Kerngeschäft, auch wenn sich immer mehr Institute zu Mindeststandards und Selbstverpflichtungen bekennen. Diese Standards sowie die Reputation des Unternehmens sind für die Banken auch die wichtigsten Treiber, Nachhaltigkeitsaspekte bei der Kreditvergabe zu berücksichtigen. Weitere Treiber sind die eigene Nachhaltigkeitsstrategie, Forderungen der Anteilseigner und zunehmend auch der externe Druck durch Nachhaltigkeitsratings. In der Studie des Lehrstuhls für Betriebs- und Finanzwirtschaft der Universität Stuttgart, gaben mehr als 70 Prozent der untersuchten Unternehmen diesen Grund an. Dadurch wird der substanzielle Einfluss der Ratingagenturen auf die nachhaltige Geschäftsausrichtung der Banken deutlich. Dabei wird dieser Aspekt in den Ratingagenturen höchst unterschiedlich gewichtet, von 0,5 Prozent bis 22,1 Prozent reicht das Spektrum der Gewichtungen. Insgesamt sechs auf Nachhaltigkeit spezialisierte Agenturen wurden für die Studie untersucht.
Als Grundlage für die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten bei der Kreditvergabe dienen häufig internationale Standards und Initiativen, wie die Studie zeigt, gibt es dabei allerdings große Unterschiede. Mit mehr als 80 Prozent kommen überwiegend der GRI und der UNEP FI Standard zum tragen. Weit abgeschlagen und gerade mal von der Hälfte der Institute werden der UN GC oder die PRI angewandt. Eine große Hürde stellt nach wie vor die operative Umsetzung von Nachhaltigkeitsstandards dar. Gerade an diesem Punkt sehen auch die Ratingagenturen erheblichen Nachholbedarf. Demnach müssten Richtlinien in Zukunft konkreter und verbindlicher formuliert und konsequenter umgesetzt werden. Weiteren Nachholbedarf sehen die Agenturen hinsichtlich der Transparenz und Kommunikation sowie dem Prozess der Nachhaltigkeitsprüfung.
Allen Standards zum Trotz bestehen zudem erhebliche Anforderungen an die, für die Nachhaltigkeitsprüfung, zuständigen Mitarbeiter. Sie müssen über vertiefende Kenntnisse in den betroffenen Sektoren verfügen, spezifische Richtlinien und Checklisten sind dabei eine wirksame Unterstützung und reduzieren die Anforderungen deutlich. Insgesamt halten die meisten Banken den Aufwand allerdings für gerechtfertigt und überschaubar.
Dennoch betrachten die Banken eine Nachhaltigkeitsbeurteilung im Rahmen der Kreditvergabe ausschließlich als Zusatzinformation, die zwar über die Gewährung eines Kredits mitentscheidet, jedoch kaum oder gar keinen Einfluss auf die Konditionen hat. Obwohl von Nachhaltigkeitsexperten ein Zusammenhang zwischen Nachhaltigkeitsleistung eines Unternehmens und Kreditausfallrisiko gesehen wird, findet dieses Risiko beim Pricing keine Beachtung. Ein Grund könnte nach Ansicht der Stuttgarter Forscher fehlendes statistisches Material über Kreditausfälle der Vergangenheit sein. Zwar erheben die Banken Statistiken über Ausfallgründe, ökologische oder soziale Kriterien werden dabei bislang jedoch nicht berücksichtigt.
Wie die Studie weiterhin zeigt, nutzen Kreditinstitute die Nachhaltigkeitsprüfung um die Geschäftsbeziehungen zu ihren Kunden auszubauen. So werden die Ergebnisse der Nachhaltigkeitsprüfung oft als zusätzliche Beratungsleistung verwendet, um Kunden für Nachhaltigkeitsrisiken zu sensibilisieren und ihnen entsprechende Produkte anzubieten. Die Implementierung einer Nachhaltigkeitsprüfung im Kreditgeschäft bietet Banken somit neben der Reduzierung von Reputations- und Kreditausfallrisiken, auch die Chance sich Wettbewerbsvorteile zu verschaffen.