Freiburg/Berlin (csr-news) > Die kurze Lebenszeit von Elektroartikeln führt zu immensen Mengen sogenannten Elektroschrotts. Allein bis zu 70 Millionen Alt-Handys liegen nach Schätzungen der Deutschen Telekom in bundesdeutschen Haushalten. Ihre letzte Reise führt nicht selten nach Westafrika. Die Vereinten Nationen haben diese Problematik des Elektroschrotts in einer Studie untersucht, mit überraschendem Ergebnis.
Denn, der Binnenkonsum in afrikanischen Ländern wie Nigeria und Ghana selbst ist einer der Hauptursachen für die dortige, wachsende Elektroschrottproblematik. Gut 85 Prozent des in West-Afrika anfallenden E-Schrotts stammen aus dem dortigen Gebrauch, immerhin bis zu 1 Millionen Tonnen jährlich. Dennoch wird die Situation vor Ort durch die Altgeräte aus Europa und anderen Industrieländern weiter verstärkt. Im Rahmen des groß angelegten Projekts „E-waste Afrika Projekt“ hat das Freiburger Ökoinstitut Daten zur Elektronik-Schrott-Situation in den Ländern Benin, Côte d’Ivoire, Ghana, Liberia und Nigeria ausgewertet. Gleichzeitig schlagen der UN-Report „Where are WEee in Africa?“ sowie eine Reihe spezifischer Analysereports Lösungen vor, um die ökologischen und sozialen Auswirkungen des Elektronikschrottrecyclings in West-Afrika zu verbessern.
„Der Bedarf, insbesondere das Recycling von Altgeräten zu optimieren, ist enorm“, erläutert Andreas Manhart, Projektleiter am Öko-Institut. „Viele Menschen arbeiten dort teilweise unter gesundheitlich extrem riskanten Bedingungen und bringen gefährliche Schadstoffe in die Umwelt. Wir haben deshalb lokale Recycler in mehreren Trainingseinheiten im fachgerechten Umgang mit Altgeräten und dessen Zerlegung geschult.“ «Die effektive Bewirtschaftung des wachsenden Elektroschrottaufkommens, das in Afrika und anderen Teilen der Welt produziert wird, stellt ein massgebliches Bindeglied dar im Hinblick auf den Übergang zu einer kohlenstoffarmen, ressourcenschonenden grünen Wirtschaft», so Achim Steiner, Exekutivdirektor des UN-Umweltprogramms (UNEP) und UN-Untergeneralsekretär. «Indem wir die nachhaltige Bewirtschaftung des Elektroschrottaufkommens unterstützen und die im Elektroschrott enthaltenen wertvollen Metalle und Rohstoffe zurückgewinnen, können wir das Wachstum der afrikanischen Volkswirtschaften unterstützen, menschenwürdige Arbeitsplätze schaffen und die Umwelt schützen. Im Hinblick auf die Rio+20-Konferenz im Juni erläutert der Bericht, inwiefern Maßnahmen wie verbesserte Sammel- und Rücknahmemethoden Umweltschäden begrenzen und gleichzeitig wirtschaftliche Chancen bieten können», so Steiner weiter.
Der inzwischen gigantische Import von Elektroschrott birgt Chancen und Risiken in einem. Beispielsweise waren 70 Prozent aller in 2009 nach Ghana eingeführten Geräte gebraucht, davon waren rund 30 Prozent nicht mehr funktionstüchtig. In anderen Ländern liegt die Quote der funktionsuntüchtigen Geräte deutlich über diesem Wert und kann insofern als Schrottimport bezeichnet werden. Der größte Teil (rund 75 Prozent) der Geräte stammt aus Europa, rund 15 Prozent aus Asien und der Rest aus Afrika (hauptsächlich Marokko) und Amerika. Hauptexporteur ist Großbritannien gefolgt von Frankreich und Deutschland. In den letzten Jahren wurden jährlich bis zu 250.000 Tonnen Elektroschrott illegal in die untersuchten westafrikanischen Länder eingeführt, immerhin gut 5 Prozent des gesamten E-Schrott-Aufkommens in der EU.
Die Risiken liegen hauptsächlich in der nicht fachgerechten Demontage der Geräte. Um an die wertvollen Inhaltsstoffe zu kommen (beispielsweise Kupfer), werden viele Geräte über offenem Feuer bearbeitet, mit katastrophalen Folgen beispielsweise durch die Freisetzung von Dioxin. Und, diese Arbeit wird oft von Kindern verrichtet, wie die Untersuchung ergab. So sind Kinder ab einem Alter von 12 Jahren beim Sammeln und Trennen der Abfälle beteiligt, allerdings sind bereits Fünfjährige mit leichteren Arbeiten wie der Zerlegung kleinerer Teile sowie der Materialsortierung betraut. Wird dieser Entsorgungsprozess jedoch in professioneller Weise durchgeführt, so bietet der Elektroschrott auch Chancen. Neben den wertvollen Materialien sind dies qualifizierte Arbeitsplätze. Inzwischen verdienen mehr als 30.000 Menschen ihren Lebensunterhalt mit dem geordneten Reparieren und Verkaufen von Altgeräten. Spitzenreiter ist Nigeria: „Kein anderes westafrikanisches Land importiert so viele Altgeräte“, so Manhart. „Das bedeutet gleichzeitig, dass Reparatur und Recycling von Alt- und Schrottgeräten wichtige Arbeitsmärkte für die Menschen sind. Allein auf den zwei größten Märkten des Landes – dem Alaba Market und dem Ikeja Computer Village – reparieren und verkaufen 15.000 Menschen in 5.500 Kleinbetrieben gebrauchte elektrische und elektronische Geräte. Kein Reformansatz dieser – teilweise informellen – Sektoren kommt an der Frage vorbei, was mit den Arbeitsplätzen in Zukunft geschehen soll“. Dabei gibt es durchaus positive Nachrichten. So existiert beispielsweise in Ghana eine überaus effiziente Sammelstruktur, mit der 95 Prozent aller Altgeräte erfasst werden. Dieser Wert liegt weit über den Kennzahlen der europäischen Länder. „Beim Recycling sollte West-Afrika nicht einfach den europäischen Weg einschlagen“, fordert Manhart. „Denn in Europa sind die Verfahren oft auf einen möglichst geringen Arbeitskräfteeinsatz optimiert. Dies wäre in West-Afrika einerseits aus sozialen Gründen nicht akzeptabel, andererseits gehen bei vielen mechanisierten Verfahren auch wertvolle Rohstoffe unwiederbringlich verloren.“
Weitere Informationen auf den Webseiten der Basel Konvention, UNEP und dem Öko-Institut.