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Wie Unternehmen Umwelt gerechter gestalten könn(t)en

Foto: Claudio Schwarz | @purzlbaum

Strategische CSR und Diversity Management (DiM) Konzepte

Immer mehr Unternehmen übernehmen Verantwortung im Rahmen sogenannter großer gesellschaftlicher Transformationen. Diese beziehen sich bisweilen – im Kontext einer solidarischen Ökonomie – auf die Verantwortung von Unternehmen für eine Entbettung der Ökonomie aus gesellschaftlichen Verhältnissen, wie sie Karl Polanyi (1944) früh diagnostiziert hatte. Immer mehr Unternehmen beziehen sich indes aktuell auf Uwe Schneidewinds (2018) Überlegungen zu Nachhaltigkeit als kulturelles Transformationsprojekt.

Von Andrea D. Bührmann

Dabei verfolgen Unternehmen zwar verschiedene Ziele, aber – unabhängig von der jeweiligen Zielsetzung – nutzen die meisten Unternehmen dafür das so genannte Corporate Social Responsibility (CSR). Spätestens seit dem Beginn des 21. Jahrhunderts sind hier verstärkt ökologische und/oder ökonomische Nachhaltigkeitsaspekte adressiert worden: Unternehmen spenden beispielsweise für Initiativen für ressourcenschonende Produktionsanlagen oder engagieren sich für klimafreundlichere Lieferketten. Seit einigen Jahren adressieren Unternehmen aber auch das Thema Nachhaltigkeit mit Blick auf Diversität. Im Sinne einer sozialen Nachhaltigkeit sollen in diesem Kontext durch ein entsprechendes Diversitätsmanagement (DiM) beispielsweise neue Arbeitskräfte rekrutiert und ein wertschätzendes und anerkennendes Arbeitsklima für alle Beschäftigten geschaffen werden. So versuchen Unternehmen nicht nur Transaktionskosten zu vermeiden, vielmehr hoffen sie auch, in diversen Teams innovativere und nachhaltige Lösungen zu entwickeln.

CSR und DiM-Konzepte zusammenbringen

Aus der Perspektive der reflexiven Diversitätsforschung (vgl. Bührmann 2020) und der CSR-Forschung (vgl. Schneider2012) können hier mindestens vier Verhältnisbestimmungen unterschieden werden, in denen Unternehmen ihre strategischen CSR-Konzeptionen mit entsprechenden DiM-Konzeptionen zusammenbringen (können):

Tabelle 1: Verhältnisbestimmungen zwischen CSR- und DiM-Konzeptionen (vgl. Bührmann 2017).

CSR-Typus  Tentative

Verhältnisbestimmungen

 

DiM Typus
CSR 0.0:

Gesell. Engagement – economic & legal responsibility Typus

Keine Reziprozität DiM 0.0:

Discrimination & fairness Typus

CSR 1.0:                                 social sponsoring Typus Indirekte Reziprozität DiM 1.0:                                   Access & legitimacy Typus
CSR 2.0:                               Typus der unternehmerischen & gesellschaftlichen Wertschöpfung Direkte Reziprozität DiM 2.0:                                  Learning & effectiveness Typus
CSR 3.0:                                 proaktiver Typus jenseits Organisation Starke direkte Reziprozität DiM 3.0:

Inclusive & transformative  Typus

Die in der Tabelle aufgelisteten Verhältnisse unterscheiden sich: So konzentrieren sich die strategischen Typen DiM 0.0 und CSR 0.0 darauf, den gesetzlichen Mindeststandards zu entsprechen. Unternehmen, die diesem DiM Typus zugeordnet werden können, implementieren häufig Mentoringprogramme, insbesondere für Frauen und historisch diskriminierte Minderheiten. So soll es den neuen und vermeintlich ‚anderen‘ Beschäftigtengruppen leichter fallen, sich zu assimilieren. Im Rahmen dieses CSR-Typus wird dagegen entweder ‚per se‘, d.h. durch die schiere unternehmerische Tätigkeit, oder aber über die bloße Einhaltung geltender gesetzlicher Vorschriften soziale Verantwortung übernommen. Es besteht keine erkennbare Reziprozität zwischen beiden Typen. Sie können und werden unabhängig voneinander verfolgt. Das ändert sich indes bei den nachfolgenden Typen.

DiM 1.0: Unterschiede als Chance

Denn schon der CSR-Typus 1.0 und der DiM-Typus 1.0 verweisen zumindest indirekt aufeinander, insofern es in beiden um die Erschließung und Optimierung von Marktzugängen geht. Allerdings werden hier unterschiedliche Strategien und Taktiken verfolgt, die nicht aufeinander abgestimmt sind. Im CSR-Typus 1.0 stehen philanthropische Aktivitäten wie Spenden, Sponsoring und Mäzenatentum im Zentrum, die gerade nicht das unternehmerische Kerngeschäft betreffen. Daneben zählt aber auch das so genannte Corporate Citizenship zu diesem Typus. Dabei verstehen sich Unternehmen selbst als verantwortungsvolle „Unternehmens-Bürger“.

Demgegenüber geht es beim DiM es Typus 1.0 darum, bestimmte Unterschiede zwischen den Angehörigen eines Unternehmens als Vorteile zu nutzen. Dabei steht eine marktorientierte Zielsetzung im Zentrum und so werden diese neuen, ‚anderen‘ Organisationsmitglieder insbesondere im Kontakt mit ihrer neuen, ‚anderen‘ Kundschaft eingesetzt. Es werden häufig spezielle Abteilungen gegründet, die nicht systematisch in das gesamte Unternehmen integriert werden.

DiM 2.0: Gesellschaftlichen Mehrwert generieren

Im CSR-Typus 2.0 und im DiM-Typus 2.0 steht nun auch das Ziel, einen gesellschaftlichen und nicht nur einen – wie auch immer gearteten – finanziellen Mehrwert zu generieren, im Fokus. Dabei werden ähnliche Taktiken verfolgt. Allerdings wirkt das CSR 2.0 eher im organisationalen Umfeld. Es geht darum, langfristig gesellschaftliche Wertschöpfung zu generieren und so einen nachhaltigen Beitrag zur gesellschaftlichen Entwicklung zu leisten. Beispielhaft nennt Schneider (2012) u.a. Produkt- wie Prozessinnovationen, Ressourceneffizienz, aber auch nachhaltige und verantwortungsvolle Liefer- und Wertschöpfungsketten. Damit werden also Aktivitäten adressiert, die sich direkt und unmittelbar auf die Geschäftsstrategie auswirken. Aber darüber hinaus geht es darum, dass Unternehmen einen nachhaltigen Entwicklungspfad mit kontinuierlichen Optimierungen verfolgen. Insofern werden hier CSR Aktivitäten als Investitionen in die Zukunft des Unternehmens betrachtet.

Demgegenüber setzen die Strategien und Taktiken des DiM 2.0 eher in der jeweiligen Organisation an. Im Fokus steht die Integration der Beschäftigten. Wie im DiM-Typus 1.0 sollen alle Beschäftigten der Organisationen die gleichen Chancen erhalten und wie im DiM-Typus 0.0 sollen bestehende Unterschiede wertschätzend anerkannt werden. Aber darüber hinaus geht es darum, dass sich die Unternehmenskultur wie die –strukturen selbst verändern, so dass die Unterschiede zwischen den Beschäftigten bestmöglich ‚genutzt‘ werden können. Das Ziel ist also auch eine Kulturveränderung im Unternehmen.

DiM 3.0 und CSR 3.0: die „Doppelhelix“

Eine starke direkte Reziprozität besteht indes in Bezug auf den DiM-Typus 3.0 und CSR-Typus 3.0. Beide strategischen Typen verweisen nämlich wechselseitig aufeinander, insofern sie auf eine kontinuierliche Mitgestaltung ihrer organisationalen Umwelt setzen und dazu nicht nur die organisationalen Prozesse und Strukturen transformieren, sondern eben auch ihre Umwelt. Ja, es scheint so, als dass hier eine Doppelhelix, bestehend aus DiM und CSR Strategien und Taktiken, zusammenwächst.

In diesem Sinne versuchen Unternehmen zusammen mit ihren unterschiedlichen Stakeholdern, zukunftsfähige Formen des Wirtschaftens zu gestalten. Im Unterschied zum CSR-Typus 2.0, bei dem Optimierungsprozesse im Fokus stehen, können in Bezug auf den Typus 3.0 strategische Differenzierungsprozesse konstatiert werden. Dabei wird ein kontinuierlicher Dialog mit externen Stakeholdern angestrebt. Kritik an den strategischen Aktivitäten des Unternehmens wird als ein wichtiges Sensorium zur Antizipation anstehender gesellschaftlicher Herausforderungen betrachtet. Unternehmen avancieren so zu Agenda-Settern: Sie werden nicht mehr von gesellschaftlichen Problemen getrieben, sondern treiben ‚gute‘ Lösungen für die Problemstellungen voran.

Im Fokus steht dabei, das Streben nach gesellschaftlichem Mehrwert und Gewinn im Unternehmen. Kurz: CSR 3.0 kümmert sich um gesellschaftliche Herausforderungen, die zwar nur in einem nicht unmittelbaren Sinne die Unternehmenstätigkeiten beeinflussen (z.B. Menschenrechte; Bildung im und außerhalb des Unternehmens beispielsweise durch Kooperationen in der Grundausbildung; Anti-Korruptionsmaßnahmen und Bewusstseinsbildung hierzu, etc.), jedoch langfristig Mehrwert für Unternehmen generieren könnten. Laut Schneider (vgl. 2012: 36) orientiert man sich hier an einem Motto des Managementforschers und -beraters Peter Drucker, der sagte: „Der beste Weg, die Zukunft vorher zu sagen, ist es, diese zu erschaffen“.

Und genau dieses Motto leitet auch den 3.0 Typus des DiM an. Ziel dieses Typus ist es dabei erstens, die Organisationstrukturen selbst inklusiver zu gestalten. Darüber hinaus geht es aber zweitens darum, das Umfeld bzw. die Umwelt gerechter zu gestalten. Hier steht also der ‚social case‘ im Zentrum und die Dimensionen sozialer wie ethnischer Hintergrund bzw. Bildungshintergrund avancieren zu sehr relevanten Dimensionen.

Ein prototypisches Beispiel für einen solchen DiM-Typus haben Fujimoto, Azmat und Subramaniam (2019) in ihrer Fallstudie eines großen indonesischen Papierkonzerns beschrieben, das sowohl auf eine inklusive Organisation zielt als auch auf die diversitätsgerechtere Transformierung der Umwelt des Unternehmens: „By seeking the ecological validity of inclusive organizations, organizations can move beyond an insular perspective, of how diversity within an organizational context contributes to greater business success, as well as community development by integrating a community-wide perspective. Our study suggests inclusion is a multiple level (individual, relational, collective, and structural) concept, which involves personal empowering, relationship building, resource exchange, and structural governance facilitated by those who include (e.g. the organization) and those who are not included (e.g. minority members).“ (Fujimoto et al.2019: 740)

Diese beiden proaktiven Typen 3.0 des CRS und des DiM sollten – aus meiner Perspektive – unbedingt weiter durch entsprechende Maßnahmen – z.B. Wettbewerbsvorteile bei öffentlichen Ausschreibungen oder auch Steuererleichterungen – unterstützt werden, damit Unternehmen nachhaltig ökologische, ökonomische und soziale Transformationen vorantreiben und gesellschaftliche Verantwortung jenseits des Marktes übernehmen können.

Prof. Dr. Andrea D. Bührmann

Prof. Dr. Andrea D. Bührmann
leitet das Goettingen Diversity Research Institute der Universität Göttingen.
andrea.buehrmann@uni-goettingen.de

Literatur:

Bührmann, Andrea D. (2017):  Un/geklärte Verhältnisse? Überlegungen zum Verhältnis zwischen (Corporate) Social Responsibility und Diversity Management aus der Perspektive der reflexiven Diversitätsforschung, in: Hansen, Katrin (Hrsg.): CSR und Diversity Management. Erfolgreiche Vielfalt in Organisationen, Wiesbaden, S. 103 – 116

Bührmann, Andrea D. (2021): Reflexive Diversity Research – An Introduction, Cambridge

Fujimoto, Yuka/Azmat, Fara/Subramaniam, Nava (2019): Creating Community-Inclusive Organizations. Managerial Accountability Framework. In: Business & Society 58, 4, S. 712–748.

Polanyi, Karl (2001 [1944]): The Great Transformation: The political and economic origins of our time. Beacon, Boston

Schneider, Andreas (2012): Reifegradmodell CSR – eine Begriffserklärung und -abgrenzung, in: Schneider Andreas/Schmidpeter, René (Hrsg.): Corporate Social Responsibility. Verantwortungsvolle Unternehmensführung in Theorie und Praxis, Berlin/Heidelberg, S. 17 – 38

Schneidewind, Uwe (2018): Die Große Transformation: Eine Einführung in die Kunst gesellschaftlichen Wandels, Frankfurt a.M.

Thomas, David / Ely, Robin (1996): Making differences matter: A new paradigm for managing diversity. Harvard Business Review. 5, S. 79 – 90.

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