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Digitale Startups: Nachhaltig engagiert, global vernetzt

Diskussion "What it means to be a leader" (Foto: Marc Beckmann BMW Foundation)

RESPOND Accelerator der BMW Foundation Herbert Quandt und UnternehmerTUM

Startups verwirklichen neue Ideen für eine nachhaltige Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft – wenn sie die notwendige Unterstützung finden. Das wollen die BMW Foundation und UnternehmerTUM mit ihrem Programm “RESPOND Accelerator” leisten. Mit der Programmverantwortlichen Heba Aguib und zwei der von ihr begleiteten Startups sprach Achim Halfmann für das CSR MAGAZIN.

Heba Aguib ist Ägypterin, studierte in Deutschland Maschinenbau, Fahrzeugtechnik und Simulation und promovierte im Bereich Medizintechnik. Nach der Mitverantwortung für den Aufbau eines medizintechnischen Forschungszentrums in Ägypten kam sie vor anderthalb Jahren zur BMW Foundation und übernahm dort die Verantwortung für das Programm “RESPOND”, das vom Innovations- und Gründerzentrum UnternehmerTUM unterstützt wird. Das Accelerator-Programm fördert junge Unternehmensgründer, die sich mit nachhaltigen Geschäftsideen für eine bessere Zukunft engagieren. “Unser Ziel bei RESPOND ist es, Entrepreneure früh zu inspirieren, Nachhaltigkeit zum Kern ihrer Geschäftsmodelle zu machen und Lösungen zu entwickeln, die zugleich zukunftsfähig und profitabel sind”, sagt Aguib.

Impact im Mainstream

Dr. Heba Aguib (Foto: BMW Foundation)

Dazu wollen die BMW Foundation und UnternehmerTUM Investoren, Unternehmer, Politiker und Unternehmensgründer auf einer Ebene zusammenbringen. Aguib dazu: “Nachhaltiger Impact soll nicht jenseits der Mainstream-Szene erzielt, sondern in diese integriert werden.” Damit Startups eine Rolle für eine nachhaltige Transformation spielen können, sollen diese ihre Business-Modelle von der Gründung an darum herum aufbauen. “Startups haben die Chance uns zu zeigen, wie nachhaltiges Unternehmertum möglich ist – und das in einer dynamischen und agilen Form”, sagt die RESPOND-Verantwortliche.

Das Programm RESPOND unterstützt Startups, indem es sie in ein umfangreiches Netzwerk integriert. Was brauchen Unternehmensgründer noch? “Ein vielseitiges Skilling, Kompetenzen – zum Beispiel in Teamführung und Marketing -, Wachstumsunterstützung, Inspirationen, Coaching”, zählt Aguib auf. Und weiter: “Startups brauchen neue Investitionsmodelle. Dabei sind eine langfristige Sichtweise und eine zyklische Unterstützung für solche Startups, die nicht nur Exit-orientiert sind, wichtig.”

Dazu geht das Accelerator-Programm der BMW Foundation über klassisches Stiftungsengagement hinaus. Ein Ziel sei der Aufbau eines innovativen Startup-Ökosystems. “Mit unseren Erfahrungen haben wir die Chance, Intersektionalität zu fördern und Menschen zu verknüpfen, die gemeinsam Innovationen im Sinne einer nachhaltigen Transformation voranbringen”, so Aguib.

Das gilt besonders in einer Zeit, in der digitale Technologien ein großes Potenzial aufweisen. Wie solche Lösungen für nachhaltige Transformationsprozesse genutzt werden können, zeigen Startups aus dem RESPOND Accelerator. Zwei Gründungen stellen wir vor:

Hawa Dawa: Umweltdaten für Entscheider

Karim Tarraf (Foto: Anne Kaiser)

Das Startup Hawa Dawa bereitet Umweltdaten auf und macht sie damit für die Entscheidungsfindung in Kommunen und Unternehmen nutzbar. Karim Tarraf war 2016 einer der Gründer und ist heute Geschäftsführer der Hawa Dawa GmbH. Warum dieser ungewöhnliche Name? “‘Hawa’ bedeutet auf Arabisch Luft und ‘Dawa’ Medizin”, sagt der in Kairo geborene Wirtschaftsingenieur. Die Begriffe klingen in anderen Sprachen wie z.B. Hindi ähnlich und werden so von zwei Milliarden Menschen weltweit verstanden. 2011 erlebte Tarraf den “arabischen Frühling” in Kairo. Viele junge Ägypter seien danach zu Unternehmensgründern geworden, berichtet er. Tarraf sammelte einige Jahre Erfahrungen in der Entwicklungsarbeit sowie im Umwelt- und Klimamanagement und ging 2014 für ein Masterstudium im Entrepreneurship an die TU München.

In diesen Jahren lernte er seine Frau und Mitgründerin, die Betriebswirtschafterin Yvonne Rusche, sowie als weitere Mitgründer die promovierte Neurowissenschaftlerin Birgit Fullerton und den Verkehrsexperten und Ingenieur Matt Fullerton kennen. “Wir waren von Anfang an eine interdisziplinäre Gruppe”, sagt Tarraf.

Am Anfang der Unternehmensentwicklung stand die Arbeit an einem tragbaren Gerät für Asthmatiker. Dabei sei dem Team aufgefallen, dass es bei der Verfügbarkeit aufbereiteter Luftqualitäts- und Emissionsdaten große Lücken gab. Tarraf weiter: “Dann kam der Dieselskandal und das Wort ‘Luftqualität’ war in aller Munde.” Das Team stellte sich der Herausforderung, neue Wege der Aufbereitung und Nutzbarmachung von Luftqualitätsdaten zu finden.

Datenanalysen für Smart Cities

Hawa Dawa bereitet heute bereits verfügbare Daten auf und analysiert diese. Wo nötig werden weitere Datenpunkte aus eigenen Messgeräten etabliert. “Wir gewinnen aus Luftqualitätsdaten relevante Informationen”, sagt Tarraf. Anwendung finden diese bei der Planung von Smart Cities, der Verkehrssteuerung, der Optimierung einer Hafenlogistik, bei der Analyse von Standortfaktoren in der Immobilienbewertung, der Produktgestaltung von Versicherern und Rückversicherern oder im Gesundheitsmanagement. Hawa Dawa stellt seine Datenanalysen auf dem Dashboard einer internetbasierten “Software as a Service” oder als Schnittstelle (API) zur Verfügung.

Die eigenentwickelten Messgeräte des Unternehmens erfassen nicht nur Stickstoffdioxid-, sondern ebenso Feinstaub-Werte und Ozonbelastung.

“Nach dem Dieselskandal haben wir uns erstmal auf den deutschen Markt fokussiert”, sagt Tarraf. Dabei erlebten die Gründer, dass hierzulande die Investitionen in Cleantech im internationalen Vergleich gering ausfallen. Tarraf: “Deutschland hat hier noch viel nachzuholen.” Einen Markt für Luftqualitätsdaten gab es nicht. Tarraf und seinen Kollegen stellten sich der Herausforderung: Wie tragen wir dieses Thema konstruktiv an potenzielle Kunden heran? Nachgefragt werden die Lösungen von Hawa Dawa heute zum Beispiel von Mobilitäts- und Digitalisierungsreferaten in Städten und Kommunen, von Stadtwerken, Energiedienstleistern und Verkehrsmanagement-Unternehmen. Insbesondere im Zusammenhang mit der im öffentlichen Sektor vorangetriebenen Digitalisierung – Verwaltung 4.0 – stellt die Lösung eine dem heutigen Stand der Technik entsprechende Alternative zu analogen Methoden dar.

Saubere Luft für den Menschen

Die Philosophie von Hawa Dawa erläutert Tarraf mit einer Geschichte aus dem heutigen Irak: “Der Universalgelehrte Rhazes hat vor 1000 Jahren überall in der Stadt Bagdad rohe Fleischstücke aufgehängt, um an deren Veränderung die Luftqualität zu erkennen und den am besten geeigneten Ort für den Bau eines Krankenhauses zu finden.” Bei der Analyse von Luftqualitätsdaten gehe es nicht um Mandate für Grenzwerte, sondern um saubere Luft für den Menschen. Mit seinen Datenanalysen will Hawa Dawa einen Beitrag dazu leisten, dass die Luftqualität in möglichst vielen Planungsprozessen berücksichtigt werden kann.

In der Gründungsphase war die Suche nach Investoren eine der größten Herausforderungen für Hawa Dawa. Nun baut sich ein Kundenpool in Deutschland auf, die Kapitalausstattung verbessert sich und das Startup denkt über Internationalisierungsstrategien nach: zunächst in Richtung Schweiz und Österreich, dann auf die englischsprachigen Märkte. Tarraf weiter: “Und wir wollen außerhalb Deutschlands zudem erste Projekte in Entwicklungs- und Schwellenländern starten.” Aktuell beschäftigt Hawa Dawa 22 Mitarbeiter. Mit seinem Profil als holistischer Umweltdienstleister will das junge Unternehmen weitere Arbeitsplätze schaffen und zur Erreichung seiner Ziele neue Partnerschaften eingehen.

Plan A: CO2-Ausstoß reduzieren und kompensieren

Auch das Startup Plan A nutzt digitale Technologien für einen positiven Impact. Im Fokus stehen hier allerdings die Reduzierung von Kohlenstoffemissionen sowie die Verantwortung von Unternehmen für den Klimawandel.

Lubomila Jordanova (Foto: Plan A

Hinter Plan A steht die in Sofia geborene Lubomila Jordanova. Während ihrer Gymnasialzeit in der Heimat lernte die junge Frau bereits Deutsch. An diese Sprachkenntnisse konnte sie anknüpfen, als sie nach einem 10-jährigen Aufenthalt in London und der Tätigkeit im Investment-Banking nach Berlin kam. “Berlin ist wacher gegenüber Nachhaltigkeitsthemen als London”, sagt Jordanova.

Bei einer eigentlich zum Surfen geplanten Reise im Jahr 2016 sammelte sie mit anderen gemeinsam Müll an Stränden auf. Das brachte Lubomila Jordanova in die Auseinandersetzung mit Umweltthemen. Im selben Jahr rief sie in London Freunde zusammen und erzählte ihnen, dass sie sich zukünftig dem Klimawandel widmen wolle. Dieses Anliegen teilte die Bankerin auch in den Social Media, erhielt dabei viel Zuspruch und lernte darüber ihren Mitgründer, den französischen Experten für Impact-Kommunikation Nathan Bonnisseau, kennen. Gemeinsam gründeten sie 2017 in Berlin die PlanA.Earth GmbH.

Von der Spendenplattform zum Softwarespezialisten

Das Unternehmen startete zunächst als Spendenplattform für nachhaltige Projekte. “Wir haben wissenschaftliche Argumente genutzt, um Unternehmer für ein Investment in nachhaltige Initiativen zu gewinnen”, sagt Jordanova. Allerdings sei ihr schnell klar geworden, dass ihr Unternehmen im Spendensektor allein keine Zukunftsperspektive finden würde. Jordanova: “Gemeinnützige Organisationen investieren alles in den Zweck und wir sahen uns mit der Erwartung konfrontiert, ebenfalls keine Gewinne zu erwirtschaften.”

Im Gespräch mit Wirtschaftsvertretern erlebten die Gründer, dass sich deren Firmen nicht nur für die Klimaverbesserung in der Welt, sondern auch für ihren eigenen “Carbon Footprint” interessierten. Jordanova weiter: “Das hat dazu geführt, dass wir uns auf Software spezialisiert haben.”

Mit der von Plan A entwickelten End-to-End-Plattform können Unternehmen ihren ökologischen Fußabdruck messen, überwachen und reduzieren. End-to-End meint dabei auch, dass Plan A nach der Ausnutzung des Optimierungspotentials für die verbliebenen Emissionen Kompensationsprojekte anbietet. “Wir haben ein sehr erfahrenes wissenschaftliches Team an Bord und die wissenschaftliche Fokussierung ist eine unserer Stärken”, so Jordanova. Eine wichtige Funktion der Plattform sei zudem, Klimadaten aus verschiedenen Abteilungen oder Standorten zusammenzuführen. Jordanova: “Kohlenstoffreduzierung ist eine weitere Stärke.”

Herausforderungen im Scope 3

Eine besondere Herausforderung für Unternehmen liegt im sogenannten Scope 3, also bei den durch die Unternehmenstätigkeiten verursachten Emissionen, die sich deren direkter Kontrolle entziehen – Emissionen beispielsweise in der Lieferkette oder beim Endverbraucher. Jordanova berichtet: “Diese Herausforderung ist komplex. Wir haben Zulieferer eingeladen, ihre Daten beizusteuern. Und wir haben Karten entworfen, auf denen nachvollzogen werden kann, wo Emissionen entstehen und was ein Reduktionsschritt in der Lieferkette oder der Logistik konkret bewirkt.”

Heute sieht sich auch das Startup selbst mit internen und externen Herausforderungen konfrontiert. Zu den internen zählt insbesondere die Suche nach Talenten. Plan A verdoppelt zurzeit sein Team. “Das ist ein zeitkritisches Ziel, deshalb müssen wir bei der Personalakquise schnell sein”, sagt Jordanova.

Eine externe Herausforderung ist für Jordanova und ihre Kollegen ein Markt, auf dem einige Unternehmen engagierter sind als andere und für zahlreiche Firmen die CO2-Reduktion und das Klimaengagement zu kompliziert und zu teuer erscheinen.

Die CO2-Kompensation sieht Jordanova als einen legitimen Weg zur Klimaneutralität. Aber: “Meine größte Sorge ist, dass Klimaneutralität die Leute faul werden lässt”, sagt Jordanova. “Wer einen Impact haben will, muss darüber hinausgehen.”

Digitale Transformation gelingt global

Es ist sicher kein Zufall, dass die Gründer der beiden Startups Hawa Dawa und PlanA nicht aus Deutschland stammen. Auch ihre Mitarbeiterteams sind – was die geografische Herkunft betrifft – bunt gemischt. Es spricht für den Standort Deutschland, dass diese jungen Gründer ihre Visionen hier verwirklichen wollen.

Mit Blick auf die digitale Transformation zeigt sich Heba Aguib aufgrund ihrer Erfahrungen im RESPOND Accelerator-Programm optimistisch – und verweist auf die globale Perspektive: “Wir sollten uns fragen: Wo auf der Welt gibt es Lösungen, die integriert werden können? Angesichts der aktuell beschleunigten Entwicklung ist es besonders wichtig, Ansätze zusammenzuführen.”

Das Programm RESPOND im Internet:
https://respond-accelerator.com/

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