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Consumer Social Responsibility und Corporate Social Responsibility

KP Ivanov auf Unsplash

Folgerungen für Unternehmens- und Verbraucherpolitik

So wie die Corporate Social Responsibility (CSR) die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen in den Blick nimmt, richtet sich die Consumer Social Responsibility (ConSR) auf die gesellschaftliche Verantwortung von Konsument:innen. Während allerdings für den CSR-Bereich die Grundlagen und Leitlinien der Verantwortung in den letzten Jahrzehnten sehr detailliert ausgearbeitet worden sind, ist dies für den ConSR-Bereich bislang nur in Ansätzen der Fall (1). ConSR-Modelle zielen in der Regel auf ein Konzept der Konsumentenverantwortung ab, das normative Sphären wie die Umwelt- und Sozialverträglichkeit mit alltagspraktischen Handlungsfeldern wie der Informationsbeschaffung, der Kauf-, Gebrauchs- und Entsorgungsverantwortung sowie der politischen Partizipation verbindet (2).

Von Ludger Heidbrink und Sebastian Müller

Dabei lässt sich zeigen, dass die Consumer Social Responsibility ähnlich wie die Corporate Social Responsibility sowohl altruistische als auch strategische und ethische Elemente umfasst. Damit ist gemeint, dass Verbraucher:innen im Alltag nicht nur aufgrund von persönlichen Überzeugungen und sozialen Einstellungen handeln, sondern auch mit der Absicht, den Absatz von CSR-Produkten zu fördern, um diese günstiger und besser erwerben zu können. Zu der grundsätzlichen Bereitschaft, sich an ethischen Normen zu orientieren und sozialkonform zu handeln, tritt eine konditionale Konsumbereitschaft, die durch mehrere Faktoren beeinflusst wird.

Einflussfaktoren verantwortlichen Konsums

Zunächst reagieren die Konsumierenden empfindlich auf die Authentizität von CSR. Forschungen zeigen, dass sie nur begrenzt bereit sind, sich durch Spenden oder höhere Preise, die nach dem pay what you want-Prinzip gezahlt werden, altruistisch zu verhalten, wenn die Situation am point of sale als unkomfortabel empfunden wird oder wenn sie das Gefühl haben, ein reines Geschäftsmodell zu unterstützen und finanziell ausgenutzt zu werden. Ein Beispiel hierfür sind die ehemaligen Panera Cares Coffeeshops in den USA (3).

Umgekehrt belohnen Konsument:innen Unternehmen, die in Bereichen wie Recycling oder Ressourceneinsparung aktiv engagiert sind, mit dem Kauf von Produkten. Sie tun das in vielen Fällen selbst dann, wenn das gleiche Unternehmen in anderen Bereichen wie der Einhaltung von Sozialstandards oder fairen Löhnen gegen CSR-Regeln verstößt (4).

Ein weiterer Faktor, der sich auf das Konsumverhalten auswirkt, ist die Verbundenheit von Konsument:innen mit der Marke und dem Image einer Firma (5). Dieser Faktor kann – wie etwa bei Apple – eine größere Toleranz gegenüber unsozialen Verhalten bewirken. Die positiven Einstellungen gegenüber Unternehmen werden zudem durch Informationen geleitet, die zu einer Verstärkung der sozialen Kaufbereitschaft führen, wenn das CSR-Image für Konsument:innen die zentrale Bedeutung spielt, und die zu einer Verringerung führen können, wenn die Qualität von Produkten gegenüber den CSR-Interessen in den Vordergrund tritt (6).

Ein weiterer Faktor ist die wahrgenommene Wirksamkeit des eigenen Konsumverhaltens. So entsteht eine Verringerung der sozialen Kaufbereitschaft, wenn Verbraucher:innen ihre Konsumentscheidungen für irrelevant und ohne Einfluss auf Unternehmens- und Marktentwicklung halten. Umgekehrt wird eine Verstärkung der sozialen Kaufbereitschaft bewirkt, wenn sich das Angebot sozialer Güter aufgrund der Nachfrage signifikant ändert oder Konsument:innen direkte Reaktionen von Unternehmen auf ihre Aktivitäten beobachten (7).

Intention-Behaviour-Gap

Prof. Dr. Ludger Heidbrink

Die moderierenden Faktoren, die das soziale Konsumverhalten in eine positive oder negative Richtung steuern, spielen auch eine zentrale Rolle bei der Erklärung des Intention-Behaviour-Gaps (IBG) – der Lücke zwischen beabsichtigten und realisierten Handlungen. Hierfür lassen sich vor allem zwei Gründe anführen (8):

Der erste Grund für Barrieren beim gesellschaftlich verantwortlichen Konsum liegt darin, dass die Zahlungsbereitschaft und der erwartete Nutzen nicht hoch genug sind, um eine höhere Nachfrage nach CSR-Gütern zu erzeugen. Während die Zahlungsbereitschaft mit dem Einkommen und der Nutzenerwartung steigt, können stärker ausgeprägte soziale Präferenzen dafür sorgen, dass CSR-Güter auch dann konsumiert werden, wenn der Nutzeneffekt sozialer Produkte im Verhältnis zu den Ausgaben und zum Einkommen gering ist.

Soziale Präferenzen beruhen dabei nicht nur auf altruistischen Überzeugungen, sondern auf dem self image (Selbstwahrnehmung) und social image (Fremdwahrnehmung) der Konsument:innen. Die Selbstwahrnehmung besteht in dem Wunsch von Konsument:innen, sich selbst als großzügig und wohltätig zu sehen. Der Fremdwahrnehmung liegt das Bedürfnis zugrunde, z.B. durch den Kauf von E-Autos oder die Installation von Solaranlagen die soziale Achtung durch andere zu erhöhen oder als Vorbild wahrgenommen zu werden.

Der zweite Grund für den IBG liegt in Informationsasymmetrien zwischen Unternehmen und Konsument:innen, die dazu führen, dass präferierte Produkte nicht gekauft werden, weil die vorhandenen Informationen nicht ausreichen oder nicht vertrauenswürdig sind. Auch wenn soziale Präferenzen hinreichend ausgeprägt sind, zögern Verbraucher:innen, CSR-Güter zu konsumieren, wenn die Produktkennzeichnungen unklar sind oder unglaubwürdig erscheinen. Eine Abhilfe können vertrauenswürdige Label schaffen, die zu einem Abbau von Unsicherheiten bei der Produktauswahl führen und die CSR-Reputation des Unternehmens fördern. Die Vertrauenswürdigkeit von Labeln lässt sich dadurch gewährleisten, dass sie durch unabhängige Organisationen auf der Grundlage neutraler Vergleichsmaßstäbe zertifiziert werden.

Folgerungen für Unternehmens- und Verbraucherpolitik

Sebastian Müller (Foto: Michael Wodak)

Aus der konditionalen gesellschaftlichen Konsumentenverantwortung ergibt sich eine Reihe von Folgerungen, die für die Unternehmens- und Verbraucherpolitik relevant sind und die wir an anderer Stelle ausführlich analysiert haben (9):

  1. Die ConSR ist dann stärker ausgeprägt, wenn persönlicher Nutzen (funktionaler Wert, Qualität, Preis, Image) und gesellschaftlicher Nutzen (moralischer, sozialer und ökologischer Mehrwert) eines Produkts oder einer Dienstleistung zusammenfallen. Mit dem wahrgenommenen gesellschaftlichen Wert eines Konsumguts steigt die Zahlungsbereitschaft für CSR-Produkte auch dann, wenn die sozialen Präferenzen relativ niedrig ausgeprägt sind. Hieraus lässt sich die Schlussfolgerung ziehen, dass die konsequente Umsetzung der ConSR zunimmt, wenn Verbraucher:innen sowohl einen individuellen als auch einen gesellschaftlichen Vorteil von CSR-Gütern und -Dienstleistungen erkennen.
  2. Auch wenn der soziale Benefit für die ConSR-Bereitschaft relevant ist, kann die Zahlungsbereitschaft in Abhängigkeit vom Einkommen und den Nutzenfaktoren variieren. Die Preissensitivität wird nicht nur durch finanzielle Ressourcen moderiert, sondern auch durch den funktionalen Wert, durch verfügbare Informationen, Qualitätsansprüche oder das Image von Marken. Die Zahlungsbereitschaft wird positiv beeinflusst, wenn sich direkte Effekte der sozialen Investitionen auf die Empfänger verfolgen lassen: Sie wächst, wenn Konsument:innen mit sozialen Nöten konfrontiert werden und die Auswirkungen ihres Konsumverhaltens auf die Betroffenen beobachtbar ist (10). Für die Unternehmens- und Verbraucherpolitik bedeutet dies zweierlei: Zahlungswege und ihre sozialen Effekte (z.B. auf Arbeitsbedingungen in Sweatshops) transparenter zu machen sowie Kampagnen und Feedback-Aktionen zu unterstützen, die konkrete Auswirkungen der ConSR illustrieren.
  3. Wirksamer als Zahlungsbereitschaft und Nutzeneffekte für die Überwindung des IBG und die Umsetzung der ConSR sind soziale Präferenzen, die altruistische Einstellungen fördern. Soziale Präferenzen beruhen auf intrinsischen Überzeugungen, die relativ unabhängig von instrumentellen Erwartungen dafür sorgen, dass CSR-Güter und -Dienstleistungen konsumiert werden. Intrinsische Überzeugungen lassen sich nur begrenzt durch Kaufanreize, Subventionen oder andere Formen der Inzentivierung erzeugen, sondern gehen aus prosozialen Einstellungen hervor, die durch Erziehungs- und Bildungsprozesse entstehen und durch die Selbst- und Fremdwahrnehmung von Konsument:innen verstärkt werden. Die intrinsischen Elemente der ConSR können insbesondere durch verbraucherpolitische Maßnahmen gefördert werden, die das Bewusstsein für die gesellschaftlich problematischen Folgen des Massenkonsums durch die Ausbildung von Tugenden der Generosität und Solidarität, aber auch des Maßes und des Glücks im Alltagskonsum unterstützen (11).
  4. Sozial eingestellte Konsument:innen wollen von sich aus einen Beitrag zu öffentlichen Gütern leisten, der allerdings hinreichende Informationen voraussetzt. Der Abbau von Informationsdefiziten ist deshalb eine vordringliche Aufgabe der Unternehmens- und Verbraucherpolitik. Dazu gehören nicht nur einheitliche Standards der Produkt-Kennzeichnung, die durch unabhängige Zertifizierungsagenturen vergeben werden und eine transnationale Vergleichbarkeit herstellen, sondern auch die Reduktion der unübersichtlichen Labelvielfalt und informationellen Komplexität (12). Es ist vor allem die Aufgabe der Verbraucherpolitik, durch ein gut erfassbares Informationsangebot die kausale Beziehung zwischen dem alltagstypischen Konsum und dessen Folgen und Nebenfolgen sichtbar zu machen und Konsument:innen vernünftige Handlungs- und Produktalternativen aufzuzeigen.
  5. Die Marktverbreitung von CSR-Produkten hat positive Effekte für die ConSR: Zum einen führt ein höheres Angebot an und ein breiterer Zugang zu sozialen Produkten zu einer höheren Nachfrage und setzt eine Aufwärtsspirale zwischen CSR und ConSR in Gang: Je mehr Unternehmen sozial verantwortlich produzieren, umso mehr Verbraucher:innen werden sozial verantwortlich konsumieren, was wiederum das Angebot an CSR-Produkten steigert, zumal dann, wenn es einen Wettbewerb zwischen Unternehmen um sozial verantwortliche Konsument;innen gibt (13). Darüber hinaus erhöht die Marktverbreitung für Konsument:innen die Chancen, ihr soziales Image auszubauen. Je mehr Optionen es gibt, sozial verantwortlich zu konsumieren, umso einfacher ist es, die soziale Wahrnehmung durch andere zu verstärken. Die Vielfalt an CSR-Gütern und -Dienstleistungen fördert über die Fremdwahrnehmung die sozialen Präferenzen, die wiederum die Zahlungsbereitschaft erhöhen. Es ist deshalb gesellschaftlich wirkungsvoll, nicht nur die Marktverbreitung von CSR-Angeboten, sondern auch den Wettbewerb zwischen CSR orientierten Unternehmen zu unterstützen.

Eine Unternehmens- und Verbraucherpolitik, welche die genannten Maßnahmen berücksichtigt, kann effektiv auf gesellschaftlich erwünschtes Konsumverhalten Einfluss nehmen. Wenn Ergebnisse der ConSR- und CSR-Forschung in Zukunft stärker miteinander verbunden werden, lassen sich Macht- und Organisationsunterschiede zwischen Konsument:innen und Unternehmen reduzieren, so dass sich beide Akteursgruppen zunehmend auf Augenhöhe begegnen können, um ihren gemeinsamen Verantwortungsaufgaben nachzukommen.

Prof. Dr. Ludger Heidbrink
forscht und lehrt in der Praktischen Philosophie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.
heidbrink@philsem.uni-kiel.de

Sebastian Müller
ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Cologne Center for Ethics, Rights, Economics, and Social Sciences of Health (ceres) der Universität zu Köln.
sebastian.mueller@uni-koeln.de

Anmerkungen:

(1) Schmidt, Imke (2016). Consumer Social Responsibility. Gemeinsam Verantwortung für nachhaltiges Konsumieren und Produzieren, Wiesbaden: Springer. Heidbrink, Ludger/Müller, Sebastian (Hg.) (2020). Consumer Social Responsibility. Zur gesellschaftlichen Verantwortung von Konsumenten, Marburg: Metropolis.
(2) Heidbrink, Ludger/Schmidt, Imke (2011). Das Prinzip der Konsumentenverantwortung. Grundlagen, Bedingungen und Umsetzung verantwortlichen Konsums, in: Heidbrink, L., Schmidt, I., Ahaus, B. (Hg.), Die Verantwortung des Konsumenten. Über das Verhältnis von Markt, Moral und Konsum, Frankfurt am Main: Campus, 25-56. Sowie: Schlaile, Michael/Klein, Katharina/Böck, Wolfgang (2018). From Bounded Morality to Consumer Social Responsibility: A Transdisciplinary Approach to Socially Responsible Consumption and Its Obstacles, in: Journal of Business Ethics, 149(3), 561–588.
(3) Eckhardt, Giana M./Dobscha, Susan (2019). The Consumer Experience of Responsibilization: The Case of Panera Cares, in: Journal of Business Ethics, 159, 651-663.
(4) Smith, Craig N./Read, Daniel/Lopez-Rodriguez, Sofia (2010). Consumer Perception of Corporate Social Responsibility: The CSR Halo Effect, in: INSEAD Working Paper 2010/16.
(5) Schmalz, Sebastian/Orth, Ulrich R. (2012). Brand Attachment and Consumer Emotional Response to Unethical Firm Behavior, in: Psychology and Marketing, 29(11), 869–884.
(6) Sen, Sankar/Bhattacharya, Chinmoy (2001). Does Doing Good Always Lead to Doing Better? Consumer Reactions to Corporate Social Responsibility, in: Journal of Marketing Research. American Marketing Association, 38(2), 225–243.
(7) Vermeir, Iris/Verbeke, Wim (2006). Sustainable Food Consumption: Exploring the Consumer “Attitude – Behavioral Intention ”Gap“, in: Journal of Agricultural and Environmental Ethics, 19(2), 169–194.
(8) Etilé, Fabrice/Teyssier, Sabrina (2013). Corporate social responsibility and the economics of consumer social responsibility, in: Revue d’Études en Agriculture et Environment, 94(2), 221–259.
(9) Heidbrink, Ludger; Müller Sebastian (2020). Consumer Social Responsibility in der Verbraucherpolitik, in: Heidbrink L. und Müller S. (Hrsg.) Consumer Social Responsibility. Zur gesellschaftlichen Verantwortung von Konsumenten. Marburg: Metropolis: 231-256.
(10) Tammelleo, Steve/Lombardi, Louis G. (2014). Consumer Social Responsibility?, in: Business and Professional Ethics Journal, 33(1), 99–126.
(11) Karimova, Guli/ Hoffmann, Nils/ Heidbrink, Ludger/ Hoffmann, Stefan (2019). Virtue Ethics Between East and West in Consumer Research: Review, Synthesis and Directions for Future Research, in: Journal of Business Ethics. 165(2), 255–275.
(12) Sunstein, Cass R. (2013). Simpler. The Future of Government, New York: Simon & Schuster.
(13) Pigors, Mark/Rockenbach, Bettina (2016). Consumer Social Responsibility, in: Management Science, 62(11), 3123-3137.

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