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Die Zukunft unserer sozialen Marktwirtschaft nach der Krise

Andrea Piacquadio auf pexels.com

Zum Verhältnis von Systemrelevanz & Lohnhöhe

In Zeiten der Krise wird deutlicher als je zuvor, in welcher Schieflage sich unsere (soziale) Marktwirtschaft befindet. Ein besonders klarer Indikator ist dafür das Missverhältnis aus „Systemrelevanz“ und Gehaltshöhe in Corona-Schlüsselberufen.

Ein Kommentar von Dr. Christoph Golbeck

In unseren bewegten Zeiten der Notverordnungen und Ausgehverbote, die bis vor wenigen Tagen in liberalen Demokratien und Rechtsstaaten wie Deutschland oder Frankreich unmöglich erschienen, gibt es inzwischen große theoretische Debatten über das Verhältnis von Sicherheit und Freiheit. Zugleich stehen plötzlich Fragen im Raum, die an den Grundfesten unseres Staats-Verständnisses rütteln: Dazu gehören Ausgangssperren genauso wie mögliche Unternehmens-Enteignungen aus Gründen der Notfall-Produktion krisenwichtiger Güter. All‘ das sind Themen, die sonst nur in Kriegszeiten zum Thema werden – und die waren in unserer Generation in Mitteleuropa bisher unbekannt.

So gewinnt auch das Thema der gesellschaftlichen Unternehmensverantwortung in der Krise eine neue Relevanz. Noch im Februar 2020 haben wohl nur „geborene“ Wirtschaftsethiker diese neue Bedeutung für möglich gehalten. Vermeintliche Fachfragen wie die Nachhaltigkeit und Verfügbarkeit globalisierter Lieferketten sind auf einmal in aller Munde. Themen wie die Schonung unserer natürlichen Lebensressourcen erlangen eine nie gekannte Aufmerksamkeit. Ein gutes Beispiel dafür sind die Fotos der Venediger Lagune, die ohne Touristen und Kreuzfahrtschiffe auf einmal in glasklarem Wasser glitzert. Zugleich gibt es Fragen der Wirtschaftsethik, die zuvor vielen Menschen sehr theoretisch erschienen, nun aber im neuen Krisenmodus jäh praktische Realität erlangen. Dazu gehört in ganz besonderem Maß das große Thema der Lohngerechtigkeit.

Es gibt Berufe, ohne welche wir die Corona-Pandemie nicht bewältigen könnten. Wir sprechen mit Blick auf diese Branchen inzwischen ganz natürlich von systemrelevanten Aufgaben. Eines der Buzz-Worte dieser Tage ist daher „Systemrelevanz“. Im Verhältnis dieser Systemrelevanz und der Entlohnungshöhe von Schlüssel-Berufen wird auf einmal für alle Menschen ein Missverhältnis augenfällig: Einige der wichtigsten Aufgaben der Daseinsvorsorge werden in unserer Gesellschaft oft am schlechtesten bezahlt. Das ZDF hat dazu am 23. März 2020 auf seiner Facebook-Seite „ZDF heute“ ein beeindruckendes Diagramm veröffentlicht: https://www.facebook.com/ZDFheute/

Unter der Frage: Was verdienen Personen, die während der Corona-Krise als systemrelevant gelten?“ werden in dieser Grafik lediglich einige banale Zahlen zusammengeführt. Seitdem jedoch ein unsichtbares Virus in die Welt der Menschen gekommen ist, haben Diagramm dieser Art potenziell systemsprengende Kraft. Wir erleben einen dynamischen Prozess und Weisheiten von vor März 2020 scheinen nicht mehr unumstößlich. Dazu passt die Ankündigung der bayrischen Landesregierung vom 24. März 2020, für alle Mitarbeiter in Krankenhäusern, Kliniken, Alten- und Pflegeeinrichtungen zeitnah kostenfreie Verpflegung sicherzustellen.

Vielleicht spitzt die US-amerikanische Zeitschrift POLITICO die vor uns liegende Debatte am treffsichersten zu: „In der Krise sind wir alle Sozialisten.“ (Abrufdatum 23. März 2020).


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