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Nachhaltigkeit als „Suffizienz statt Effizienz“

rof. Dr. Monika Eigenstetter bei der Begrüßung (Foto: Francesca Corradi)

Nachhaltigkeitstag an der Hochschule Niederrhein

Mönchengladbach (csr-news) – „Was brauchen wir, wie viel davon und warum?“ Unter dieser Fragestellung stand der Nachhaltigkeitstag der Hochschule Niederrhein am 15. November in Mönchengladbach. Die Veranstaltung fand zum sechsten Mal statt und widmete sich diesmal dem Thema „Suffizienz statt Effizienz“. Erstmals war der Nachhaltigkeitstag fachbereichs-übergreifend ausgerichtet, sagte Prof. Monika Eigenstetter vom ausrichtenden Kompetenzzentrum EthNa CSR. In den letzten Jahren sei viel geforscht worden – allerdings ohne praktische Konsequenzen. Öffentlich diskutiert würde über Strohhalme und Plastiktüten. „Es wird darum gehen, einen größeren Rahmen so zu setzen, dass wir sicher nachhaltig handeln“, so Eigenstetter weiter.

Regional nicht immer umweltschonend

Welchen Beitrag Ökobilanzen dazu leisten können, erläuterte der Physiker Sven Gärtner vom Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu). Per se nachhaltige Produkte gebe es nicht. „Zunächst einmal hat ja jeder Prozess Vor- und Nachteile“, so Gärtner. Deshalb sei zu fragen: „Was bewirkt ein Produkt über seinen ganzen Lebensweg – von der Wiege bis zur Bahre – an Umweltauswirkungen?“

Ökobilanzen zeigten aber auch, dass es nicht nur auf das Produkt selbst, sondern ebenso auf den konkreten Nutzungskontext ankomme. So sei ein im Sommer regional in Deutschland produzierter Salat in Bezug auf Treibhausgasemissionen nachhaltig, ein im Winter regional in beheizten Gewächshäusern erzeugter Salat jedoch nicht – da falle die Treibhausgasbilanz eines Salatkopfes aus Spanien günstiger aus. Laut Gärtner sollten sich Konsumenten fragen: „Wollen wir nicht lieber im Winter heimische winterharte Sorten kaufen?“ Auf einen weiteren Aspekt des Kundenverhaltens wies der Physiker hin: „Es ist nicht nur die fragen, wo wir im Supermarkt ins Regal greifen, sondern auch, wie wir zum Supermarkt kommen“. Gärtner weiter: “Die Einkaufsfahrt kann die Treibhausbilanz eines Lebensmittels stärker beeinflussen als alle anderen Schritte der Ökobilanz des Lebensmittels.“

Textilien brauchen Wertschätzung

Differenziert erscheint der Blick der Ökobilanzierung auf die Umweltauswirkungen der Textilproduktion: Hier schneiden nicht alle Baumwollfasern besser ab als Kunstfasern – der Ersatz von klassischer Baumwolle durch Bio-Baumwolle kann deutliche Vorteile bewirken. Auch hier sieht Gärtner den Verbraucher in einer Mitverantwortung: „Wertschätzung, darauf kommt es an.“ Textilien sollten länger getragen und besser gepflegt werden.

„Irgendeiner irgendwo zahlt dafür“

Der Ökonom Prof. Martin Wenke von der Hochschule Niederrhein beschäftigt sich seit 30 Jahren wissenschaftlich mit Nachhaltigkeitsthemen. „Eigentlich sind wir nicht weitergekommen“, sagte Wenke. Die globalen Auswirkungen unseres Konsums seien bekannt. „Die Kosten liegen vor, sie werden uns nur nicht zugerechnet.“ Wenke weiter: „Irgendeiner irgendwo zahlt dafür.“

Insbesondere mit Blick auf die Energie sei klar: „Wir müssen signifikant runter mit unseren Verbräuchen.“ Dazu sprach sich Wenke für eine politische Steuerung über den Preis aus. Wenke weiter: „Verbote sind vergleichsweise unflexibel.“ Möglich seien eine CO2-Steuer oder ein Zertifikate-Handel. Wenke zum Zertifikate-Handel: „Von der ökologischen Wirksamkeit ist das das Königsinstrument. Der ‘Deckel wird draufgesetzt‘.“ In Bezug auf die Steuerlösung seien Aufpreise zwischen 10 und 180 Euro pro Tonne CO2 in der Diskussion.

Bei einer Regulierung über den Preis würden untere Einkommen besonders belastet. Aber: “An die Bezieher niedriger Einkommen haben wir während 10 Jahren Aufschwung nicht gedacht.“ Hier hätte die Wirtschafts- und Sozialpolitik schon längst reagieren können.

Über die Auswirkungen einer preispolitischen Steuerung werde zudem einseitig diskutiert. “Wir reden natürlich auch immer über sektorale Verlierer“, so Wenke. “Wir reden nie über die Gewinner.“ Die positiven Wirkungen einer solchen Preisveränderung würden völlig unterschätzt.

“Unsere Köpfe sind das Problem“

Für ein grundlegendes Umdenken sprach sich der Physiker und Autor Harald Klimenta aus. „Unsere Köpfe sind das Problem“, sagte Klimenta. Moderne Technologien würden ausschließlich als positiv wahrgenommen. Menschen glaubten: Wenn wir „immer weiter beschleunigen, dann passt mehr Leben in unsere Lebenszeit.“ Nachhaltigkeit erfordere jedoch, aus einer auf Wachstum und immer umfangreicheren Ressourcenverbrauch ausgerichteten Wirtschaftsweise herauszufinden. Klimenta: „Der Kern dieser Wachstumsdynamik wird entfacht durch das Wettbewerbsprinzip.“ Für eine Neuausrichtung des Konsums sei „wichtigster Punkt: Werbung meiden, wo immer es geht, auch kein Öko-Blättchen.“ Dabei gehe es um eine Neuausrichtung des Wirtschaftens und nicht um Verzicht. „Verzicht brauchen wir nicht. Wir brauchen kulturellen Wandel und ein bisschen Nachdenken“, so Klimenta auf dem Mönchengladbacher Nachhaltigkeitstag.


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