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Tee aus Darjeeling: Niedrigstlöhne und die Unternehmensverantwortung

Teebeutel (Foto: Skitterphoto auf Pexels)

Eine NGO-Studie kritisiert fehlendes Engagement der Teeimporteure und Zertifizierer in Indien. Diese reagieren unterschiedlich.

Berlin (csr-news) – Miserable Löhne, mangelhafte Unterkünfte und unsichere soziale Versorgung: So beschreibt die Rosa Luxemburg Stiftung in einer aktuellen Studie die Lebensbedingungen der Teepflückerinnen in der nordindischen Region Darjeeling – und kritisiert deutsche Unternehmen und Zertifizierungsorganisationen. Unternehmensvertreter verweisen dagegen auf deutlich verbesserte Lebensverhältnisse und ihr Engagement für eine nachhaltige Entwicklung der Region.

Die Studie „Edle Tees für Hungerlöhne“ basiert im Wesentlichen auf Interviews und Recherchen aus den Jahren 2016 und 2017 auf vier Teeplantagen in Darjeeling, einer Region im Norden des indischen Bundesstaates Westbengalen. Nach Schätzungen der Autoren leben auf den 87 Teeplantagen in Darjeeling etwa 55.000 Arbeiter – vorwiegend Teepflückerinnen. Hinzu kämen 18.000 Saisonkräfte zwischen März und November. Der Darjeeling-Tee gilt als hochwertig. Aufgrund der oft steilen Hanglagen können Erntemaschinen kaum zum Einsatz kommen, weshalb die Produzenten auf Erntearbeiterinnen angewiesen sind.

Hungerlöhne für harte Arbeit

Der Kernvorwurf der Studie lautet: Arbeiterinnen im Teesektor erhalten mit einem Tageslohn von 176 Rupien (umgerechnet 2,25 Euro) einen auch für indische Verhältnisse sehr geringen und nicht existenzsichernden Lohn. Zahlreiche der den Arbeiterfamilien zur Verfügung gestellten Häuser auf den Teeplantagen wiesen Löcher in den Wänden auf. Sozialleistungen wie die Altersversorgung würden teilweise zurückgehalten oder wie die Krankenversorgung nur unzureichend erbracht. Für Frauen fehlten geschützte und hygienische Toiletten ebenso wie Arbeitserleichterungen während der Schwangerschaft.

„Bislang akzeptieren deutsche Teeimporteure die Ausbeutung der Teepflückerinnen“, heißt es in der Studie. Unternehmen sollten sicherstellen, dass in ihren Lieferketten existenzsichernd Löhne gezahlt würden. „Teeunternehmen, die beanspruchen, soziale Gerechtigkeit in ihrer Lieferkette sicherzustellen, sollten in einen direkten, aktiven Dialog mit denjenigen Gewerkschaften treten, die die Teepflückerinnen vor Ort vertreten“, lautet eine Empfehlung der Studie.

Grenzen der Einmischung

Auf die Grenzen des Dialogs mit den Gewerkschaften weist dagegen Günter Faltin hin, der Gründer und Mehrheitsgesellschafter der „Teekampagne“. Das seit über 30 Jahren in der Region aktive Unternehmen stehe in einem engen Kontakt zu den Gewerkschaften, die sich jedoch von Deutschen nicht vorschreiben lassen wollten, wie sie zu arbeiten hätten. „Zahlt uns gute Preise und den Rest machen wir“, hieße es von dort. Dass die Teekampagne einen erheblichen Teil des Endpreises an die Produzenten in Indien zahlt, erkennt auch die NGO-Studie an.

Die Gewerkschaften in Darjeeling befänden sich in einer guten Verhandlungsposition. „Die haben eine Menge erreicht in den Jahren“, so Faltin gegenüber CSR NEWS. Die Studie zeichne ein falsches Bild der Situation in Darjeeling: Bei zahlreichen Besuchen in der Region habe er ein deutlich positiveres Bild von der Lebenssituation der Arbeiterfamilien dort gewonnen. Zudem werde auf auf mehr als der Hälfte der Plantagen heute Bio-Tee angebaut, sagt Faltin.

Ein Problem sei allerdings, das ein Großteil des in Deutschland unter dem Label „Darjeeling“ vertriebenen Tees gar nicht aus dieser Region stamme. Das setze die lokalen Erzeuger enorm unter Druck, so Faltin weiter.

Auch andere Teeimporteure berichten von positiven Entwicklungen in der Region: In den 1980er Jahren hätten 20 Prozent der Darjeeling-Gärten brach gelegen; die Nachfrage aus Deutschland habe vielen Menschen dort eine neue Lebensgrundlage geschaffen, heißt es von TeeGschwendner. Und die Ostfriesische Tee Gesellschaft verweist darauf, dass sie sich mit lokal tätigen Partnern etwa für die Schaffung von Sanitäreinrichtungen und die Kinder-Betreuung in Kitas und Schulen einsetze.

Verantwortung der Zertifizierer

Einen kritischen Blick wirft die Studie der Rosa Luxemburg Stiftung auch auf die in der Region tätigen Nachhaltigkeits-Zertifizierer FairTrade und Rainforest Alliance. Auf Anfrage teilt die Rainforest Alliance mit: „Sollten die Missstände auf Farmen stattgefunden haben, die von der Rainforest Alliance zertifiziert sind, ist dies ein klarer Verstoß gegen unseren Rainforest Alliance Sustainable Agriculture Standard.” Man habe eigene Untersuchungen eingeleitet, die eine “Aussetzung der Zertifizierung oder eine Dezertifizierung der Teefarmen nach sich ziehen” könnten.

In einer Stellungnahme von Fairtrade Deutschland heißt es: Der Teesektor in Indien – und auch die Festlegung der Lohnhöhe – sei staatlich reglementiert. Der Fairtrade-Standard schreibe Lohnerhöhungen oberhalb der Inflationsrate vor. „Mittlerweile ist aber klar geworden, dass diese Fairtrade-Regelung in Nordostindien nicht greift“. Fairtrade habe daher im September 2018 eine Überarbeitung des Teestandards begonnen, die Anfang 2020 abgeschlossen sein solle.

In Darjeeling hätten viele Plantagen aus wirtschaftlichen Gründen über Jahre brach gelegen. Fairtrade habe beschlossen, die Rehabilitierung des Teesektors zu unterstützen und so zu Perspektiven für Lohnerwerb beizutragen. „Der Wiederaufbau der brachliegenden Plantagen wäre ohne diese Ausnahmeregelungen nicht möglich gewesen“. Weiter heißt es in der Fairtrade-Stellungnahme: “Leider verhindert das geringe Engagement des Teesektors und die mangelnde Nachfrage nach fairem Tee positivere Auswirkungen.“


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