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Glaubwürdigkeit von Tourismus-Labels

by paul - Fotolia

Eine aktuelle Untersuchung der Verbraucher Initiative und der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde stellt fest, dass die meisten Tourismus-Labels glaubwürdig sind, sich jedoch hinsichtlich ihrer inhaltlichen Ansprüche unterscheiden.

Eberswalde (csr-news) > In der Reiseanalyse 2014 gaben 42 Prozent der deutschen Touristen an, dass sie nachhaltiger verreisen würden, wenn ihnen entsprechende Labels dabei helfen würden. „Die Zahl solcher Zeichen im Deutschland-Tourismus ist sehr hoch, doch sind sie den meisten Konsumenten nicht bekannt“, so Christoph Teusch von der Verbraucher Initiative. Deshalb hat der Bundesverband zusammen mit dem ZENAT 36 Zertifizierungssysteme auf Grundlage internationaler Richtlinien untersucht und dabei sowohl ihre inhaltlichen Ansprüche als auch ihre Transparenz und Prozesse anhand von 69 Kriterien analysiert.

„Die meisten Zertifikate werden für Hotels vergeben, seltener für Reiseveranstalter“, so Prof. Wolfgang Strasdas vom ZENAT. Nur vier Labels – TourCert für Reiseveranstalter und Unterkünfte, Travelife Gold und Green Sign/Infracert – erfüllen über 75 Prozent der anspruchsvollen Kriterien. Weitere elf erreichen zumindest über 50 Prozent. Dabei sind die meisten Zertifikate durchaus transparent und glaubwürdig – im Schnitt werden zwei Drittel der entsprechenden Kriterien erfüllt, – doch bleiben die inhaltlichen Ansprüche oft hinter dem zurück, was man von nachhaltigem Tourismus erwarten würde. Insbesondere soziale Kriterien, wie etwa die Zufriedenheit der Mitarbeitenden, werden meist ausgeblendet. Besser sieht es im Bereich Umwelt- und Ressourcenschutz aus. Hier liegen das EU Ecolabel und die internationalen Umweltmanagement-Standards EMAS und ISO 14000 vorn.

Gesamtranking der untersuchten Zertifizierungssysteme im Tourismus

Quelle: Studie „Anforderungen an Unternehmenszertifizierungen für nachhaltigen Tourismus in Deutschland“

Die Empfehlungen der Autoren:

Inhaltliche Erweiterung der Zertifikate
Eine inhaltliche Erweiterung vieler Zertifikate in Richtung einer umfassenden Nachhaltigkeit wäre wünschenswert. Nachhaltigkeit ist das zentrale Paradigma des 21. Jahrhunderts, insbesondere in Bezug auf soziale Gerechtigkeit und den Umgang mit dem Klimawandel. Es ist für eine internationale Branche wie den Tourismus nicht mehr zeitgemäß, nur auf mehr oder weniger unstrittige Umweltaspekte oder nur auf Service-Qualität zu fokussieren. Dies gilt auch für Deutschland als Destination, die zunehmend von internationalem Incoming-Tourismus geprägt wird.
Soziale Nachhaltigkeit stärker berücksichtigen
Insbesondere Aspekte der sozialen Nachhaltigkeit sollten von den meisten Zertifikaten stärker berücksichtigt werden. Dazu zählen vor allem Mitarbeiterbelange (Entlohnung, Arbeitszeiten, Diversity), aber auch faire Handelspraktiken. Angesichts des sich verschärfenden Fachkräftemangels und einer hohen Mitarbeiter-Fluktuation sollte es auch im Eigeninteresse der Branche sein, hier zu nachhaltigen Lösungen zu kommen, die die Interessen aller Beteiligten berücksichtigen. Es ist davon auszugehen, dass zufriedene Mitarbeitende produktiver sind und eine höhere Service-Qualität bieten.
Benchmarkingsysteme im ökologischen Bereich
Aber auch im ökologischen Bereich gibt es punktuell Nachholbedarf, insbesondere in Bezug auf Klimawandel und Biodiversität. Bei den Umweltkriterien sollte auch stärker mit quantitativen Werten und Benchmarkingsystemen gearbeitet werden statt nur mit Ja/Nein-Antworten. Zertifizierte Tourismusbetriebe und -organisationen sollten eindeutig, am besten sogar messbar, hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeitsleistung besser sein als der Durchschnitt, oder zumindest eine stetige Verbesserung nachweisen.
Stärkere strategische Ausrichtung
Die Zertifizierungssysteme sollten stärker auf eine strategische Nachhaltigkeitsausrichtung der von ihnen ausgezeichneten Organisationen durch die Erfüllung entsprechender Kriterien achten. Zertifikate wären in diesem Sinne als Bestätigung der erfolgreichen Umsetzung einer solchen Strategie zu betrachten statt als schmückendes Beiwerk.
Verbesserung der Zertifizierungsverfahren
Neben einem größeren inhaltlichen Anspruch kann punktuell auch eine Verbesserung der Zertifizierungsstrukturen und -verfahren im Sinne von mehr Transparenz und Glaubwürdigkeit erfolgen. Insgesamt sind die untersuchten Zertifizierungssysteme in dieser Hinsicht aber ganz gut aufgestellt. Für zu zertifizierende KMU können vereinfachte Verfahren zur Anwendung kommen, so lange den zentralen Grundsätzen von Transparenz, Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit Rechnung getragen wird und keine Abstriche an den inhaltlichen Ansprüchen gemacht werden.
Überprüfbarkeit der Ergebnisse
Die tatsächliche Umsetzung der Zertifizierungen, also die Überprüfung der zu zertifizierenden Organisationen, konnte im Rahmen der hier vorgelegten Studie nicht untersucht werden. Dies wäre ein interessantes Anschlussprojekt, welches völlig andere Methoden (Mystery Checks, Benchmarking usw.) erfordern würde.
Markt-Konsolidierung wünschenswert
Für den Verbraucher ist die Vielzahl der Zertifikate, vor allem im Hotelbereich, unübersichtlich, zumal deren Qualität häufig zu wünschen übrig lässt. Daher wäre eine Markt-Konsolidierung aus dieser Sicht wünschenswert. Dies könnte z. B. in Form von Kooperationen bis hin zu Co-Branding oder Fusionen erfolgen. Dies könnte auch dazu beitragen, die prekäre finanzielle Situation vieler Zertifizierer zu verbessern.
Reiseveranstalter stärker einbeziehen
Dagegen besteht bei Reiseveranstaltern und Reisemittlern (einschl. Online-Plattformen) nur eine sehr begrenzte Auswahl an zertifizierten Unternehmen. Es wäre wünschenswert, diese Segmente stärker in Richtung Nachhaltigkeit zu führen, da sie eine wichtige Multiplikatorfunktion innehaben.
Verbesserte Kommunikation
Allgemein ist eine stärkere Verbreitung und Kommunikation des hier entwickelten Zertifizierungsstandards durch Verbraucherorganisationen, Nicht-Regierungsorganisationen und staatliche Stellen an die jeweiligen Zielgruppen wünschenswert und notwendig, damit die qualitativ hochwertigeren Zertifizierungssysteme eine höhere Wirkung im Markt erzielen können. Zertifizierungen für nachhaltigen Tourismus sollten einerseits bekannter gemacht, andererseits kritischer unter die Lupe genommen werden. Eine weitere Zielgruppe sind natürlich die Tourismusunternehmen selbst. Hierbei können die Tourismusverbände und Destinationsmanagementorganisationen (DMOs) eine zentrale Rolle spielen. Dies könnte zum Beispiel in Form von Empfehlungen oder eines Leitfadens in ähnlicher Weise wie beim Leitfaden „Nachhaltigkeit im Deutschlandtourismus“ des deutschen Tourismusverbandes erfolgen.
Nationaler Mindeststandard
Schließlich sind die Autoren dieser Studie weiterhin der Ansicht, dass ein nationaler Mindeststandard für Zertifizierungen der weiteren Entwicklung des nachhaltigen Tourismus in Deutschland förderlich wäre, ähnlich wie dies im Lebensmittelsektor erfolgreich umgesetzt wurde. Denkbar wäre auch, einen solchen Mindeststandard als nationales Akkreditierungsinstrument einzuführen, ähnlich wie die Global Sustainable Tourism Criteria auf internationaler Ebene. Der im Rahmen dieser Studie entwickelte und mit relevanten Anspruchsgruppen bereits diskutierte Standard wäre dafür eine substanzielle Grundlage.

 

Studie „Anforderungen an Unternehmenszertifizierungen für nachhaltigen Tourismus in Deutschland“ zum Download.

 


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