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„Tone at the Top“: Der Chef kann’s richten?

Der Fisch stinkt bekanntlich vom Kopf her. Das gilt auch für Unternehmen. Top-Führungskräfte prägen ihre Unternehmen in entscheidender Weise. Denn Mitarbeitende agieren nicht im luftleeren Raum, sondern orientieren sich an ihrem von Führungskräften gestalteten Arbeitsumfeld, insbesondere an expliziten und impliziten Regeln und sozialen Vorbildern.

Der Fisch stinkt bekanntlich vom Kopf her. Das gilt auch für Unternehmen. Top-Führungskräfte prägen ihre Unternehmen in entscheidender Weise. Denn Mitarbeitende agieren nicht im luftleeren Raum, sondern orientieren sich an ihrem von Führungskräften gestalteten Arbeitsumfeld, insbesondere an expliziten und impliziten Regeln und sozialen Vorbildern.

Ein Gastkommentar von Colina Frisch

Führungskräfte kreieren explizite Regeln durch Zielvorgaben, Bonus-Systeme, Job-Beschreibungen, Leitbilder, Code of Conducts und Arbeitsverträge und steuern so das Verhalten ihrer Mitarbeitenden. Nicht minder einflussreich sind implizite Regeln, welche die Unternehmenskultur entscheidend prägen. Implizite Regeln ergeben sich aus Gewohnheiten: „Das machen wir hier halt so!“ Implizite Regeln werden oft mündlich kommuniziert oder durch Beobachtung gelernt. Sie sind manchmal sogar stärker verhaltenssteuernd als explizite Regeln. Beispielsweise verfügen viele KMU nach wie vor über keinen Code of Conduct, trotzdem herrscht im Unternehmen eine klare Vorstellungen bezüglich der Do’s und Don’ts. Umgekehrt verfügte die Firma Enron, die einen der nach wie vor größten Wirtschaftsskandale der Geschichte produziert, über einen wohlformulierten Code of Ethics. Aber niemand befand es für nötig, sich daran zu halten, denn die Führungscrew arbeitete zielstrebig auf eine Earn-Money-No-Matter-What-Kultur hin. Nicht nur, dass Verstöße gegen den Code of Ethics nicht sanktioniert wurden, die Mitarbeitenden wurden sogar dazu ermutigt.

Mitarbeitende orientieren sich aber nicht nur an expliziten und impliziten Regeln, sondern auch an sozialen Vorbildern. Sie beobachten ihre Führungskräfte und nehmen deren Verhalten zum Vorbild für ihr eigenes Verhalten. Deswegen ist es fatal, wenn Führungskräfte Wasser predigen und Wein trinken, sondern erwünschtes Verhalten sollte wo immer möglich glaubwürdig vorgelebt werden. Als die bekannte Schweizer Taschenmesser-Firma Victorinox ein tägliches Gymnastik-Programm zur Steigerung der Gesundheit einführte, war die Belegschaft zunächst skeptisch. Der Unternehmer und Victorinox-Chef Carl Elsener war sich jedoch nicht zu schade, höchstpersönlich vor versammelter Belegschaft vorzuturnen. Das Programm wurde so zum Erfolg und die Ausfallstunden der Mitarbeitenden gingen markant zurück.

Grenzen der Macht

Führungskräfte können viel bewirken, aber ihr Einfluss ist nicht grenzenlos. Denn auch Top-Führungskräfte bewegen sich nicht im luftleeren Raum. So haben sie sich gegenüber dem Aufsichts- oder Verwaltungsrat zu verantworten und gegenüber den Eigentümern wie z.B. den Aktionärinnen und Aktionären des Unternehmens. Sind diese ausschließlich an kurzfristiger Gewinnmaximierung interessiert, haben Geschäftleitungen, die eine langfristig nachhaltige Geschäftsstrategie verfolgen, einen schweren Stand.

Führungskräfte haben in der Regel auch nur sehr begrenzten Einfluss auf das politische und wirtschaftliche Umfeld, in dem sie sich bewegen. Gesetze, Regulationen, die allgemeine Wirtschaftslage und Wechselkurse sind nur einige der unzähligen externen Faktoren, denen sich Führungskräfte anpassen müssen. Hier sind nationale und internationale politische Akteure gefragt und letzten Endes – in demokratischen Ländern – die Wähler selbst: Externen Faktoren sind nach Möglichkeiten so zu gestalten, dass ein verantwortungsbewusster „Tone at the Top“ in Unternehmen wahrscheinlicher wird, z.B. indem entsprechende Anreize geschaffen werden. Denn auch für Unternehmen gilt, was jede Fischerin und jeder Hausmann bereits weiß: Der Fisch stinkt zwar vom Kopf her, aber richtig gelagert fängt er gar nicht erst zu stinken an.

Und der CSR-Manager?

Wenn externe Faktoren und der „Tone at the Top“ so entscheidend sind, ist der CSR-Manager dann überflüssig? Nein. Denn gerade in großen Unternehmen sind die Beziehungen zwischen Unternehmen und Stakeholdern zahlreich und komplex. Hier braucht es Expertenwissen und Ressourcen. CSR-Manager verfügen in der Regel zumindest über Ersteres. Ob sie allerdings damit in ihrem Unternehmen auf offene Ohren und Arme stoßen und dementsprechend etwas bewirken können, hängt von einer Vielzahl an Faktoren ab: Ist der CSR-Manager Mitglied der Geschäftsleitung oder arbeitet er in einer Stabsfunktion? Ist er gar ein Anhängsel der Marketingabteilung? Verfügt er über ein Budget, ein Team, oder muss er sämtliche Ressourcen den Linienverantwortlichen abbetteln? Ist er in Macht- und Statussymbolen den anderen Führungskräften gleichgestellt oder spielt er offensichtlich in der zweiten Führungs-Liga? An alledem lässt sich – oft besser als von Hochglanzprospekten – ablesen, welche Rolle CSR in einem großen Unternehmen wirklich spielt. Verfügt ein CSR-Manager über wenig Ressourcen und Einfluss, ist er darauf angewiesen, dass ihm einflussreiche Mitglieder der Geschäftsleitung die Stange halten. Der „Tone at the Top“ ist eben einmal mehr entscheidend.

Dr. Colina Frisch
ist Managing Director des IWE-HSG Competence Center for Responsible Leadership des Instituts für Wirtschaftsethik der Universität St.Gallen
colina.frisch@unisg.ch


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