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Wachstumsverzicht hilft der Umwelt nur wenig

Ein Verzicht auf globales Wirtschaftswachstum wäre ein teurer Weg zur Verminderung des Klimawandels, zu dieser Ergebnis kommt eine neue Untersuchung von Michael Jakob und Ottmar Edenhofer vom Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC).

Berlin (csr-news) > Ein Verzicht auf globales Wirtschaftswachstum wäre ein teurer Weg zur Verminderung des Klimawandels, zu dieser Ergebnis kommt eine neue Untersuchung von Michael Jakob und Ottmar Edenhofer vom Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC), die jetzt im Fachmagazin “Oxford Review of Economic Policy” veröffentlicht wurde. Nach ihren Berechnungen würde die Vermeidung des Ausstoßes von einer Tonne CO2 dann beinahe 2000 Euro kosten, statt derzeit, wie etwa im Rahmen des Emissionshandels, nur etwa fünf bis zehn Euro. Kosteneffiziente Emissionsreduktion könne dagegen helfen, andere gesellschaftliche Ziele zu erreichen, selbst wenn Wirtschaftswachstum an sich kein Ziel ist. Jakob und Edenhofer sehen für die derzeit in der Wachstumsdebatte verfolgten Ansätze wenig überzeugende empirische Belege. Die Idee, dass vor allem die westlichen Gesellschaften ihren Konsum radikal zusammenstreichen müssten um die Übernutzung der begrenzten Ressourcen zu vermeiden scheint ihnen genauso wenig überzeugend wie die Annahme, dass Umweltschutz das Wachstum sogar ankurbeln kann, so wie es Vertreter der Theorie des „Grünen Wachstums“ prognostizieren. Die derzeitige Annahme der meisten Staaten lautet, sich mit ihrer Politik entweder zwischen dem Wachstum ihres Bruttoinlandsproduktes (BIP) oder aber dem Umweltschutz entscheiden zu müssen.

Doch diese Sichtweise greift nach Ansicht von Jakob und Edenhofer zu kurz. Vielmehr sollte sich die Politik auf ein Wohlstandskonzept beziehen, das stärker die Umweltqualität und den Zugang zu Infrastrukturen wie Elektrizität, Wasser oder zu Bildungsangeboten in den Blick nimmt. „Wir sollten nicht länger auf kleine Veränderungen bei der Nachkommastelle des BIP schielen, sondern uns fragen, welchem gesellschaftlichen Ziel die Wirtschaftspolitik dienen soll“, so Jakob. Mit ihrem Aufsatz wollen die Wissenschaftler eine alternative Perspektive aufzeigen. Jakob: „Wir brauchen Leitplanken, um sowohl mehr Wohlstand im Sinne besserer Lebensbedingungen zu erreichen als auch die Umwelt zu schützen“. Die Politik müsste Indikatoren entwickeln, die anzeigen, ab wann eine Gesellschaft von der Substanz lebt, wann die Atmosphäre übernutzt und das innovative Wissen zu wenig genutzt wird. Edenhofer. „Es muss daher sichergestellt werden, dass ausreichend in das natürliche Kapital investiert wird, aber auch in eine saubere Wasserversorgung, in die Bildung oder Gesundheitsversorgung. So könnten CO2 Steuern zur Finanzierung dieser Investitionen genutzt werden – das vermindert die Treibhausgase und hilft den Armen in den Entwicklungsländern.“ Als Grundlage für solche Entscheidungen könnte ein neuartiges „pragmatisch-aufgeklärtes“ Model des MCC für das Verhältnis zwischen Politik und Wissenschaft dienen. Dabei gibt weder die Wissenschaft wie in einer Technokratie der Politik vor, was sie umzusetzen habe, noch bestimmt die Politik irrational und von den Fakten losgelöst ihre wertbeladenen Ziele. Stattdessen könnten Wissenschaftler, ähnlich wie Kartografen, die verschiedenen Politikoptionen mit ihren praktischen Konsequenzen objektiv untersuchen. Die Politik könnte dann über diese Optionen, ähnliche wie Navigatoren, nach einer demokratischen Entscheidung, die auf einer öffentlichen Debatte fußt, entscheiden.

Der Aufsatz „Green growth, degrowth, and the commons“ zum Download.


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Kommentar

  • Ansätze, die zu einem differenzierenden Wachstumsverständnis führen und den Graubereich zwischen den beiden Fetischen Wachstum als Selbstzweck und naivem Postwachstum ausleutchten, sind zweifelsohne wichtig. Erstaunlich ist in der Mitteilung aber der Hinweis, dass ein “…Neuartiges “pragmatisch-aufgeklärtes” Model für das Verhältnis zwischen Politik und Wissenschaft…” vorgeschlagen wird. Das genannte “pragmatische” Modell, als Mittelweg zwischen Technokratie und Demokratie wurde 1964 von Jürgen Habermas erfunden und zwischenzeitlich vielfältige weiterentwickelt und ausdiffernziert. Das macht es nicht weniger relevant, es sollte aber nicht als Neuerfindung verkauft werden.

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