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Vereinbarkeit von Beruf und Pflege: „Da hilft nur der Dialog“

Das Audit „berufundfamilie“ der Hertie-Stiftung wendet sich der Vereinbarkeit von Beruf und Pflege zu. „Da wiederholt sich Geschichte“, sagt Stefan Becker, Geschäftsführer der gemeinnützigen GmbH berufundfamilie. So wie Arbeitnehmer vor einigen Jahren die Vereinbarkeit von Kindererziehung und Beruf einzufordern begannen, tritt jetzt die Pflege von Angehörigen in den Blickpunkt. Unternehmen sollten „nicht auf Gesetze warten“, sondern selbst die Initiative ergreifen.

Berlin (csr-news) – Das Audit „berufundfamilie“ der Hertie-Stiftung wendet sich der Vereinbarkeit von Beruf und Pflege zu. „Da wiederholt sich Geschichte“, sagt Stefan Becker, Geschäftsführer der gemeinnützigen GmbH berufundfamilie. So wie Arbeitnehmer vor einigen Jahren die Vereinbarkeit von Kindererziehung und Beruf einzufordern begannen, tritt jetzt die Pflege von Angehörigen in den Blickpunkt. Unternehmen sollten „nicht auf Gesetze warten“, sondern selbst die Initiative ergreifen, rät Becker.

Die Vereinbarkeitsdebatte werde zu sehr auf Frauen und die Betreuung von Kleinkindern verengt, so Becker weiter. Dabei hätten Arbeitnehmer heute häufiger pflegebedürftige Familienangehörige zu betreuen als Kinder unter drei Jahren. Dass die Beteiligung an der Pflege auch eine Männeraufgabe sein könne, hätten viele Arbeitgeber und Verbände noch nicht erkannt.

Anforderungen an Pflegende seien weniger planbar als eine Kleinkinderbetreuung. So lasse sich etwa selten absehen, wie lange eine Pflegephase dauern werde. Becker: „Da hilft nur – und dafür werben wir auch – der Dialog.“ Arbeitnehmern dürfe deshalb nicht lediglich eine Broschüre in die Hand gedrückt werden. Viele hätten Angst davor, arbeitslos oder abgestempelt zu werden. „Es fehlt Erfahrungswissen in den Unternehmen: Wie reagiert mein Vorgesetzter darauf?“, so Becker.

Im Blick auf die Vereinbarkeit von Beruf und Kindererziehung habe sich im Bewusstsein der Arbeitgeber vieles bewegt, es gebe „viele gute kleine Pflänzchen“, allerdings auch „nach wie vor Luft nach oben“. Denn manche Arbeitgeber hätten sich diesem Thema bisher nicht gestellt, sagt Becker. Diese Chefs wollten für ihre Mitarbeiter „kein Wohlfühlpaket packen“, heiße es dann kritisch. Wenn sich ein Arbeitgeber dem Thema Vereinbarkeit zuwenden wolle, könne er in einem der über Deutschland verteilten „Lokalen Bündnisse für Familie“ Anregungen und Austausch mit anderen Unternehmern finden.

Als Vorreiter in Bezug auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie nennt Becker die Banken und die Chemiebranche. Ein Boom sei in den letzten drei Jahren diesbezüglich im Gesundheitswesen zu verzeichnen gewesen. Der Wunsch von berufundfamilie sei es, dass Programme nicht nur den „High Potentials“, sondern allen Mitarbeitern zugutekämen. Und es sollten neue Wege zur Vereinbarkeit gegangen werden, so Becker. Neben der bereits etablierten 50-Prozent-Teilzeitbeschäftigung könne dies eine vollzeitnahe Teilzeit sein. Alternativen zu einer eigenen Betriebskindertagesstätte könnten etwa Belegplätze in einer anderen Kita sowie die Organisation von Nachmittagsbetreuung oder Ferienprogrammen für Mitarbeiterkinder bilden.

Aus den Erfahrungen des Audits berufundfamilie berichtet Becker: Die Mehrzahl der Unternehmen (etwa 80%) bleibt nach dem ersten Audit dabei und lässt sich nach drei Jahren re-auditieren. Jedes Audit ist kostenpflichtig. „Unterm Strich muss sich das für die Unternehmen rechnen“, sagt Becker. Fachkräftebindung und –gewinnung seien wichtige Ziele, die Unternehmen mit dem Audit anstrebten.

Seit 15 Jahren gibt es berufundfamilie. 1999 wurden die ersten neun auditierten Unternehmen vorgestellt, heute werben über 1.000 Unternehmen mit dem Zertifikat. Wie Becker berichtet, hat sich das Audit selbst weiterentwickelt. So würden heute Unternehmen, die bereits einige Jahre dabei seien, anders behandelt als Neueinsteiger. Von ersteren sei zu erwarten, dass sie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie strukturell verankert hätten und nicht nur „einige Projektchen“ dazu anböten. Auditieren lassen sich Unternehmen ab einer Personalstärke von 15 Mitarbeitern, für Arbeitgeber mit bis zu 50 Mitarbeitern gilt ein vereinfachtes Verfahren. Auditierte Unternehmen tauschen in einem Netzwerk ihre Erfahrungen aus. Stefan Becker ist froh, dass eine gemeinnützige Stiftung als Eigentümer dem Angebot von berufundfamilie eine gewisse Unabhängigkeit verschafft: „Uns geht es darum, eine Idee zu promoten.“

Gemeinsam mit dem Hessischen Sozialministerium hat berufundfamilie die Broschüre >> „Beruf und Pflege vereinbaren. Lösungsansätze und Praxisbeispiele aus Hessen“ herausgegeben

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