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Führen ohne Druck: Eine Raiffeisenbank streicht alle variablen Vergütungen im Vertrieb

Ernst Kronawitter leitet die Raiffeisenbank Ichenhausen und ist Verfasser des 2013 erschienenen Buches „Führen ohne Druck“. Der Untertitel lautet: „Ein Praxisbericht über erfolgreiches Bankgeschäft ohne Zielvorgaben und vertriebsabhängige Vergütungen“. Wie das in seinem eigenen Hause funktioniert, danach fragte CSR NEWS den Banker.

Ichenhausen (csr-news) – Ernst Kronawitter leitet die Raiffeisenbank Ichenhausen und ist Verfasser des 2013 erschienenen Buches „Führen ohne Druck“. Der Untertitel lautet: „Ein Praxisbericht über erfolgreiches Bankgeschäft ohne Zielvorgaben und vertriebsabhängige Vergütungen“. Wie das in seinem eigenen Hause funktioniert, danach fragte CSR NEWS den Banker. Das Gespräch führte Achim Halfmann.

CSR NEWS: In der Diskussion über die Managergehälter der Banken fällt immer wieder das Argument: Von den hohen Boni profitieren letztlich die Kunden, denn nur so lassen sich die besten Fachkräfte für eine Bank akquirieren und für ihre Arbeit motivieren.

Ernst Kronawitter: Das sehen wir in der Raiffeisenbank Ichenhausen anders. Unser Ansatz „Führen ohne Druck“ geht zurück auf das Jahr 2002. Damals erkannten meine Kollegen und ich: Es ist nicht zielführend, im Bankenvertrieb so weiterzuarbeiten wie bisher. Wir haben alle Einzel- und Produktziele sowie alle variablen Vergütungen gestrichen. Und davon profitieren Mitarbeiter, Kunden und unser Unternehmen: Das Miteinander in der heute 47-köpfigen Belegschaft hat sich verbessert, aus Einzelkämpfern wurden Teamplayer. Unsere Kunden profitieren durch eine bedarfsgerechte Beratung: Wenn ein über Zielvorgaben gesteuerter Berater für die Erreichung seiner Ziele noch einen Bausparvertrag braucht, kann es passieren, dass er dem Kunden ein unpassendes Produkt empfiehlt. Und als Bank profitieren wir von hoch motivierten Mitarbeitern. Allerdings: Auf Knopfdruck funktioniert eine solche Umstellung nicht, das braucht Geduld. Die neue Philosophie muss in der Hierarchiepyramide von oben nach unten durchdekliniert werden. Und natürlich erwarten auch wir von unseren Mitarbeitern Leistung und führen Gespräche mit ihnen, wenn sie diesem Anspruch nicht gerecht werden.

Und das geht wirklich so einfach: Boni raus, Festgehalt rauf – und schon läuft der „Laden“ anders und besser?

Ganz so einfach ist das natürlich nicht. Damit „Führen ohne Druck“ zum Erfolg wird, bedarf es einer ganzen Reihe flankierender Maßnahmen. Die wichtigste darunter ist das Vertrauen: Alle Kontrollen, die nicht gesetzlich vorgeschrieben sind, müssen weg. Bei uns kann sich jeder Mitarbeiter einmal pro Woche einen Nachmittag freinehmen und dafür abends länger arbeiten oder Pausen entfallen lassen. Wie unsere Mitarbeiter das handhaben, wird nicht kontrolliert. Wichtig ist zudem eine interne Kommunikation, die Mitarbeiter als Partner anspricht und ernstnimmt. Und dem Vorbildverhalten der Führungskräfte kommt eine besondere Bedeutung zu.

Laufen Ihnen nicht gerade die guten Leute davon, weil sie woanders besser verdienen können?

Bei Abschaffung der Provisionen mussten wir natürlich eine Gegenleistung bieten. Wir haben den Durchschnitt der Provisionen aus den letzten drei Jahren errechnet und 80 Prozent davon als Zuschlag zum Festgehalt gezahlt. In den folgenden Jahren sind unsere Gehälter weiter gestiegen und wir liegen damit heute deutlich über dem Verbandsdurchschnitt. Probleme mit der Fachkräftegewinnung kennen wir nicht und Fluktuation spielt keine Rolle: Der letzte Mitarbeiter ist 2009 gegangen – als Bank-Vorstand in eine Nachbargemeinde.

Die Raiffeisenbank Ichenhausen ist ein kleines Finanzinstitut mit genossenschaftlicher Geschichte. Würde Ihr Modell auch bei der Deutschen Bank funktionieren?

Die Größe eines Unternehmens spielt eine Rolle, davon bin ich auch überzeugt. Da spielen die Großbanken sicher in einer anderen Liga. Aber warum soll das, was uns gelingt, nicht auch in einem Unternehmen mit 500 Mitarbeitern funktionieren? Wir haben ein gutes Verhältnis zu den umliegenden Sparkassen: Die Sparkasse in Günzburg plant ein ähnliches Vorgehen wie wir – und sie ist sechsmal so groß.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Der Autor Ernst Kronawitter im Internet:
www.ernst-kronawitter.net

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