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Nach Tod von Arbeitern – Meyer Werft unterzeichnet Sozialcharta

Vor knapp zwei Wochen kamen bei einem Hausbrand in Papenburg zwei rumänische Arbeiter ums Leben. Schnell stellte sich heraus, dass sie als Leiharbeiter zu einem ausbeuterischen Niedriglohn in der Meyer Werft tätig waren und unter katastrophalen Umständen wohnten. Auch wenn die Wohnverhältnisse nicht ursächlich für den Brand waren, geriet das Unternehmen in die Kritik. Man reagierte schnell und unterzeichnete in dieser Woche eine neue Sozialcharta.

Hannover (csr-news) > Vor knapp zwei Wochen kamen bei einem Hausbrand in Papenburg zwei rumänische Arbeiter ums Leben. Schnell stellte sich heraus, dass sie als Leiharbeiter zu einem ausbeuterischen Niedriglohn in der Meyer Werft tätig waren und unter katastrophalen Umständen wohnten. Auch wenn die Wohnverhältnisse nicht ursächlich für den Brand waren, geriet das Unternehmen in die Kritik. Man reagierte schnell und unterzeichnete in dieser Woche eine neue Sozialcharta.

Dass Kreuzfahrtschiffe einen zweifelhaften ökologischen Ruf genießen, ist inzwischen weit bekannt. Durch den Brand in Papenburg wurde erneut deutlich, unter welchen Bedingungen solche Schiffe gebaut werden. Drei Euro pro Stunde sollen die Leiharbeiter aus Rumänien bekommen haben. Auch wenn der Subunternehmer und die Meyer Werft diese Darstellung zurückwiesen, der Vorwurf des Lohndumpings bleibt bestehen. „Das Schlimmste an der Situation ist, dass es erst Todesfälle geben muss, damit endlich über so unsägliche Situationen geredet wird“, sagte Ulrich Eckelmann von der europäischen Industriegewerkschaft industriAll. „Es ist vollständig inakzeptabel und beschämend, unter welchen Umständen unsere Kollegen, nur weil sie Leiharbeiter aus Osteuropa sind, leben und arbeiten müssen“.

Man kann nicht grundsätzlich auf Leiharbeiter verzichten, bekräftigte die Meyer Werft, dennoch müssen auch bei diesen Arbeitsverhältnissen die Sozialstandards sichergestellt werden. Bernhard Meyer, Geschäftsführer der Werft: „Wir wollen nicht in eine Ecke gedrängt werden, in die wir nicht gehören“. Mit der neuen Sozialcharta und dem Verhaltenskodex für Lieferanten sollen die Mindeststandards sichergestellt werden. Die Charta ist nun Grundlage für jeden neuen Vertrag, bestehende Verträge würden nachverhandelt. Nach einem Gespräch zwischen der Werftleitung, Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies und Gewerkschaftsvertretern wurde das Papier vorgestellt. „Mit unserer neuen Sozialcharta und dem Verhaltenskodex für Lieferanten gibt es nun klare Regeln der Zusammenarbeit“, betonte Meyer. Unter anderem regelte die Charta einen Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde, weitere Punkte regeln beispielsweise die Arbeitszeiten oder den Arbeitsschutz.

Meinhard Geiken, Bezirksleiter der IG Metall Küste, sagte im Anschluss an das Gespräch in Hannover: „Wir belassen es nicht bei einer bloßen Willenserklärung, sondern schaffen eine belastbare Vereinbarung, die die Situation der Arbeitnehmer mit Werkvertrag verbessert. Der Abschluss bei der Meyer Werft kann als Grundlage für Vereinbarungen in anderen Unternehmen dienen, die Lohndumping verhindern und sich von diesem distanzieren wollen“. Der Betriebsratsvorsitzende der Meyer Werft, Thomas Gelder: „Es ist gut, dass wir mit der Geschäftsführung das Thema Werkverträge angehen und die Mitspracherechte der Arbeitnehmervertreter gestärkt werden. Das Unternehmen muss uns gegenüber offenlegen, zu welchen Bedingungen die insgesamt 1500 Beschäftigten mit Werkvertrag auf der Werft arbeiten. Und wir wollen gegen diejenigen vorgehen, die Arbeitnehmer ausnutzen und miserabel behandeln. Dafür reichen unsere bisherigen Rechte nicht aus“. Freilich reicht den Gewerkschaftlern eine freiwillige Vereinbarung nicht, sie wollen verbindliche Zusagen im Rahmen von Tarifverträgen. Die Werft will den Schritt mitgehen, die Verhandlungen sollen zügig beginnen. Zurückhaltend äußerte sich der Niedersächsische Unternehmerverband (UVN). Er hält die bestehenden Regelungen für ausreichend, räumt aber ein: „Es müsse etwas gegen die schwarzen Schafe unternommen werden“.

Johanne Modder, Vorsitzende der SPD-Fraktion im Landtag Niedersachsen, begrüßt die Sozialcharta der Meyer-Werft: „Das ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg dahin, dass sich die Arbeits- und Lebensbedingungen von Beschäftigten, die über Werkverträge in niedersächsischen Betrieben arbeiten, nachhaltig verbessern. Das gute Beispiel der Meyer-Werft muss ein Vorbild für Unternehmen aller Branchen sein, die mit Werkverträgen über Personaldienstleister Arbeitnehmer aus dem Ausland beschäftigen“. Als „längst überfällig“ bezeichnet dagegen ihre Kabinettskollegin Meta Janssen-Kucz, stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Fraktion, die Vereinbarung. „Die Sozialcharta, mit der die Meyer-Werft nun Mindeststandards definieren will, ist genau wie die Zertifizierung von Wohnunterkünften, die die Stadt Papenburg plant, längst überfällig. Doch dies kann nur der erste Schritt sein“. Janssen-Kucz erwähnt dabei eine Initiative der Stadt Papenburg, die nach dem Brand eine Zertifizierungsrichtlinie für Wohnunterkünfte erarbeiten will. Mit der Zertifizierung des Wohnraums in den umliegenden Städten und Gemeinden soll konsequent die Wohnsituation aller Monteure überprüft und mögliche Missstände aufgedeckt werden.

Werksverträge sind in der Schiffsbauindustrie weit verbreitet, wie der letzte Branchenbericht der IG Metall zeigt. Auch wenn die Branche in den letzten Jahren ihre Stammbelegschaft ausgebaut hat, so ist der Anteil der Leiharbeiter sehr hoch. Zu den mehr als 16.000 Beschäftigten gesellen sich rund 6500 Menschen mit Werkvertrag und 3300 Leiharbeiter auf den Werften. Vor allem bei der Papenburger Meyer Werft ist deren Anteil im Verhältnis zur Stammbelegschaft sehr hoch.


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