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Das Nachhaltigkeits-Labyrinth: Die CSR-Politik der Bundesregierung steht vor der Bewährungsprobe

Die Bundesregierung fördert gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen. Auf vielen Ebenen und mit ganz unterschiedlichen Partnern haben Ministerien und Behörden Aktivitäten angestoßen und sich dabei selbst in Richtung eines nachhaltigen Handelns bewegt. Nach zwei Jahren der Definition, Konzeption und Kommunikation muss jetzt die Umsetzung folgen.

Von Achim Halfmann

Wie erhalten interessierte Unternehmer einen Überblick zur Förderung der Corporate Social Responsibility (CSR)? Eine gute Frage! Nur gibt es dazu keine gute Antwort. Naheliegend wäre ein Blick auf die Website csr-in-deutschland.de. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales bietet diese Seite an, denn das Ministerium ist in Sachen CSR federführend. Die Website enthält einige Hintergrundinformationen, aber keine Übersicht. Ein zweiter Versuch: Die Nationale Strategie zur gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen – Aktionsplan CSR. Dort hat das federführende Ministerium auf 24 Seiten die CSR-Aktivitäten aller Bundesbehörden und die Kooperationen mit der Zivilgesellschaft zusammenstellt. Dieses Papier eignet sich allerdings wenig als Informationsquelle für Unternehmen, es muss mit Interesse und Engagement erarbeitet werden. Ein wichtiger Aspekt in der Strategie sind die Verbraucher. Darauf weist der Referatsleiter im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz hin, dessen Haus Bürgern Nachhaltigkeitsinformationen zur Verfügung stellt. Nicht zuletzt durch die politische Unterstützung hat das Thema gesellschaftliche Unternehmensverantwortung Fahrt aufgenommen und ist weiter in das gesellschaftliche Bewusstsein vorgedrungen. Nun müssen die im Aktionsplan genannten Maßnahmen umgesetzt werden. Es geht um Aktivitäten wie das gerade angelaufene ESF-Programm „Gesellschaftliche Verantwortung im Mittelstand“, das gezielt die Belange von kleinen und mittleren Unternehmen aufgreift. Oder es geht um die Prüfung, ob ein umfangreiches CSR-Informationsportal eingeführt werden kann: Damit gäbe es dann ein Instrument, das mehr Transparenz für Verbraucher und für Unternehmen im sogenannten b2b-Geschäft bietet.

Mit gutem Beispiel hinterher

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales koordiniert nicht nur CSR-Aktivitäten, sondern es geht einen entscheidenden Schritt weiter und unterwirft sich den Anforderungen, die für Unternehmen gelten: Es erstellt einen eigenen Nachhaltigkeitsbericht. Seit eineinhalb Jahren wird daran gearbeitet, noch in diesem Jahr soll er erscheinen und den Kriterien der Global Reporting Initiative (GRI) auf einer guten Anwendungsebene entsprechen, sagt die CSR-Referentin des Ministeriums. Es gibt zwar bereits eine Vielzahl an Nachhaltigkeitsberichten von Unternehmen und einige wenige anderer zivilgesellschaftlicher Organisationen. Dennoch verschafft der geplante Nachhaltigkeitsbericht dem Ministerium deutlich mehr Legitimität, verantwortliches Handeln von anderen einzufordern. Gleiches gilt für die heute deutlich nachhaltigere öffentliche Beschaffung, die nicht mehr der „billige Jakob“ sein will (siehe den Beitrag dazu in diesem Magazin).

„Butter bei die Fische“

In der CSR-Diskussion braucht die Bundesregierung einen überzeugenden Stand, denn auf Seiten von Wirtschaft und Zivilgesellschaft hat sie es mit selbstbewussten Diskussionspartnern zu tun. So will Bernd Westphal, Vorstandssekretär der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie, Taten sehen. Westphal sitzt für seine Gewerkschaft in dem von der Bundesregierung berufenen Nationalen CSR-Forum. Die etwa vierzig Vertreter von Unternehmen, Gewerkschaften, Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Politik nahmen Anfang 2009 ihre Gespräche auf und formulierten zunächst ein gemeinsames CSR-Verständnis. Darin heißt es: „CSR ist freiwillig, aber nicht beliebig.“ Jetzt sei die Umsetzungsphase eingeleitet und da müsse „Butter bei die Fische“, so Westphal. Mit anderen Worten: Jetzt muss der Erfolg in der Praxis her. Dem Gewerkschaftler geht es dabei besonders um verbesserte Arbeitsbedingungen, die erkennbar über das gesetzlich Gebotene hinausgehen. Mit Interesse beobachtet Westphal das nun anlaufende Programm „Gesellschaftliche Verantwortung im Mittelstand“, für das in drei Jahren Laufzeit immerhin 26 Millionen Euro an Fördermitteln bereit stehen. Über Beratungs- und Qualifizierungsmaßnahmen sollen dabei auch die Themenfelder Mitarbeiterweiterbildung, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Chancengleichheit, faire Bezahlung und Mitarbeiterbeteiligung gestärkt werden. Das CSR-Engagement der Bundesregierung habe einen „gesellschaftlichen Dialog über die Zukunft der Arbeit angestoßen, und das sind die Debatten, die wir nötig haben“, sagt Westphal.

„Politik an Bord geholt“

Nach der Begriffsbestimmung des Nationalen CSR-Forums werden Unternehmen ihrer gesellschaftlichen Verantwortung beispielsweise dadurch gerecht, dass sie die kulturelle Vielfalt und Toleranz innerhalb ihrer Betriebe fördern. Diesem Thema hat sich seit 2006 die von Daimler, der Deutschen BP, der Deutschen Bank und der Deutschen Telekom gegründete „Charta der Vielfalt“ verschrieben, die einen ganzheitlichen Diversity-Ansatz verfolgt. Über 1.000 Unternehmen haben die Charta bereits unterzeichnet und wollen „eine Unternehmenskultur pflegen, die von gegenseitigem Respekt und Wertschätzung jedes Einzelnen geprägt ist“, wie es in der Verpflichtungserklärung heißt. Seit Jahresanfang organisiert sich die Charta der Vielfalt als eingetragener Verein, dem bisher 13 Mitglieder beigetreten sind und der viele weitere unter seinem Dach versammeln will. Die Geschäftsführung hat Aletta Gräfin von Hardenberg, die frühere Leiterin des Diversity Managements der Deutschen Bank in Deutschland, übernommen. „Wir haben die Politik von Anfang an an Bord geholt“, sagt von Hardenberg. Bundeskanzlerin Angela Merkel ist Schirmherrin der Initiative und Staatsministerin Maria Böhmer unterstützt sie und zeichnet die Verpflichtungserklärungen der Unternehmen gegen. Das sei für die beteiligten Unternehmen wichtig, aber die Charta bleibe eine Unternehmensinitiative, betont von Hardenberg.

„Keine Seite dominiert“

Während die Bundesregierung bei der Charta eine repräsentative Rolle einnimmt, befindet sie sich am Runden Tisch Verhaltenskodizes seit zehn Jahren in einem Dialog mit weiteren Stakeholdern. Unternehmen und ihre Verbände, Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften und Ministerien sind vertreten, beraten und informieren die Fachöffentlichkeit in Konferenzen über glaubwürdige Instrumente zur Umsetzung von Arbeits- und Sozialstandards, Menschenrechts- und Umweltkonventionen und die OECD Guidelines für multinationale Unternehmen. Hier moderiert das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Für Tina Gordon von TransFair, dem Verein zur Förderung des Fairen Handels mit der ‚Dritten Welt‘, hat die Initiative bereits einiges bewirkt: „Der Runde Tisch hat geholfen, Vertrauen zu entwickeln.“ Als Gründungsmitglied verfolgte Gordon, wie diese Gesprächsgrundlage zwischen Unternehmen und NGOs Schritt für Schritt wuchs. „Deswegen geben wir aber nicht unsere Positionen auf“, so Gordon, nach deren Erfahrung das Erfolgsrezept des Runden Tisches lautet: „Keine Seite dominiert.“ Deutschland braucht nach Überzeugung der NGO-Expertin nicht zuerst neue Kodizes: „Das Problem ist nicht das Schreiben eines Standards, sondern dessen Umsetzung.“ Und so ist auch der Runde Tisch Verhaltenskodizes an einem Punkt angelangt, wo seine Visionen Wirklichkeit werden müssen. Das Modell “Runder Tisch Verhaltenskodizes” hat sich mittlerweile auch in Ländern des Südens bewährt.

Partner auf Augenhöhe

Um gesellschaftliche Unternehmensverantwortung zu fördern, braucht die Bundesregierung Unternehmen und Zivilgesellschaft als Partner auf Augenhöhe. Das Thema wird auch eine internationale CSR-Konferenz beschäftigen, zu der die Bundesregierung für den 15. und 16. Dezember nach Berlin einlädt. Die Vielseitigkeit des politischen Engagements ist der Breite des Themas geschuldet. Mal moderieren Regierungsvertreter, mal repräsentiert sie, mal finanzieren sie, informieren die Öffentlichkeit oder handeln selbst nachhaltig. Zu wenig verschaffen sie den Beteiligten das, was dem Begeher eines Labyrinths fehlt: die Übersicht.


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