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Behinderte Kinder in Südafrika brauchen Löwenmut – Integration Schwerstmehrfachbehinderter als CSR-Thema?

Wiesbaden > Stan Albers will mit der Initiative „Löwenmut“ Fachwissen der Behindertenhilfe nach Afrika bringen. In Deutschland ist der Pädagoge Referent des Vorstandsvorsitzenden der Interessengemeinschaft für Behinderte e.V. (IFB). Der Verband kooperiert mit Unternehmen und fördert so die Integration behinderter Menschen. CSR NEWS sprach mit Stan Albers über Corporate Social Responsibility, die Integration schwerstmehrfachbehinderter Menschen und Südafrika.

CSR NEWS: Herr Albers, wie sind Sie an das Thema CSR gekommen?

Stan Albers: Corporate Social Responsibility habe ich über Südafrika kennen gelernt. Dort scheint CSR eine deutlich größere Bedeutung zu besitzen als bei uns in Deutschland. Südafrika größere Bedeutung als in Deutschland. Dort ist die deutsche Industrie-und Handelskammer engagiert. Vielleicht hat das Thema dort auch dadurch an Bedeutung gewonnen, dass es dabei um viele Fragen rund um die Integration farbiger und weißer Mitarbeiter in Firmen geht. Und außerdem sichert es einer Beraterkaste die Existenz.

CSR NEWS: Was fasziniert Sie persönlich an dem Thema?

Stan Albers: Die Verlagerung ordnungspolitischer Aspekte in den zivilgesellschaftlichen Bereich. Das ist eine spannende Sache. Dabei wird unterstellt, dass Unternehmen, die sich nur an die Gesetze halten, zu wenig tun.

CSR NEWS: Für Ihren Verband ist die Kooperation mit gesellschaftlich verantwortungsbereiten Unternehmen ein Erfolgsmodell?

Stan Albers: Nein. In unserem Verband gewinnt das Engagement für schwerstmehrfachbehinderte Menschen ständig an Bedeutung. Durch ihr äußeres Erscheinungsbild irritieren diese Menschen. Unser Bewusstsein ist auf ‚normale‘ Menschen abgestimmt. Patenschaftsprogramme etwa funktionieren für lächelnde Kinder. Aber für unsere scheinbar hilflosen und bildungsunfähigen Kinder funktioniert das nicht, Bürger und Unternehmen wenden sich da eher ab. Dabei lässt sich gerade für diese Menschen viel bewegen Wir eröffnen ein Heim in Johannesburg. Für 1.000 € im Jahr kann dort ein behindertes Kind begleitet und so oft vor einem sehr frühen Tod bewahrt werden. Aber scheinbar eignet sich dieses Thema wenig für ein Firmenengagement. Und auch die sogenannten LOHAS sind da sehr zurückhaltend und zeigen für diese Herausforderung wenig Resonanz.

CSR NEWS: Gehen Sie als Verband denn Ihrerseits auf Bürger und Unternehmen zu?

Stan Albers: Das ist eine Kernaufgabe für uns, denn wir wollen behinderte Menschen integrieren. So haben wir vor zwei Jahren eine gemeinnützige Integrationsfirma gegründet, die Job GmbH. In der Gemeinde Schlangenbad am Wiesbadener Stadtrand haben wir vor knapp drei Jahren einen sogenannten Cap-Markt eröffnet. Vorher hatte der letzte Supermarkt in dem Wohnquartier geschlossen. Der Cap-Markt grenzt an ein Wohnheim für Behinderte und gibt behinderten Mitarbeitern berufliche Perspektiven.

CSR NEWS: Die Integration behinderter Menschen in Arbeit ist also möglich. Ärgert es Sie da, dass viele Unternehmen lieber eine Ausgleichsabgabe zahlen als Behinderte einzustellen?

Stan Albers: Ich will Unternehmen in Bezug auf diese Ausgleichszahlungen keine Vorwürfe machen. Es gibt in manchen Unternehmen Vorurteile gegenüber behinderten Menschen. Das ist nicht gut, aber verständlich. Unternehmen müssen die Gelegenheit bekommen, gute Beispiele für eine erfolgreiche Integration kennen zu lernen. Sie müssen sehen, wie eine solche Integration funktionieren kann – etwa durch solche integrativen Supermärkte wie den Cap-Markt.

CSR NEWS: Corporate Volunteering – das Engagement von Unternehmensmitarbeitern in wohltätigen Vereinen – wird als eine Möglichkeit diskutiert, solche inneren Schranken zu überwinden.

Stan Albers: Mit Corporate Volunteering ist vorsichtig umzugehen. Soziale Arbeit braucht Professionalität. Die Zusammenarbeit mit Agenturen macht sich da nicht immer bezahlt. Manchmal gibt es bei dem Zusammentreffen dieser unterschiedlichen Welten Reibungsverluste und gemeinnützige Vereine geraten unter Zugzwang. Überhaupt haben sich die Vorstellungen zum ehrenamtlichen Engagement verändert. Heute wird ein Return für den Einsatz erwartet: Sinn, Beachtung und Erfüllung. Ganz allgemein gesprochen fließen dabei Ressourcen von gemeinnützigen Organisationen in Richtung Einzelpersonen, Firmen und Beratungsgesellschaften ab.

CSR NEWS: Zurück zu Ihrem Projekt „Löwenmut“ für Südafrika. Noch in diesem Jahr wollen Sie ein Heim für schwerstmehrfachbehinderte Kinder in Klipriver in der Nähe von Johannesburg errichten. Finden Sie dafür Unternehmenspartner?

Stan Albers: Im vergangenen September hatten wir bei einem Jubiläumsfest die damalige Bundesentwicklungshilfeministerin Heidi Wieczorek-Zeul zu Gast. Das schuf Öffentlichkeit, und unter den Gästen waren auch manche Unternehmen. Daraus sind tiefere Kontakte zu zwei Firmen entstanden. Diese Firmen wollen uns Material für den Bau des Hauses in Klipriver zur Verfügung stellen: Stahl und anderes Baumaterial. Das ist ein Anfang und wir brauchen noch einige weitere Unterstützung. Das Engagement für schwerstmehrfachbehinderte Kinder ist echte Arbeit und hat mit Integrations- oder Inklusionsromantik nichts zu tun. Aber gerade in Südafrika können wir für diese jungen Menschen sehr viel bewegen. Deshalb gehen wir mit diesem Projekt so in die Öffentlichkeit.

CSR NEWS: Herzlichen Dank!

Das Projekt „Löwenmut“ in Südafrika im Internet:
http://ifb-loewenmut.de

Foto: Jugendlicher im Sukasambe-Heim in Meyerton, Südafrika (privat/Stan Albers)


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