Oberhausen (csr-news) > Als Konsequenz auf die schon länger vorherrschende Kritik am weltweiten Plastiktütenverbrauch setzen einige deutsche Initiativen mittlerweile auf einen teilweisen oder vollständigen Verzicht auf diese Produkte. Doch lohnt sich das auch aus ökobilanzieller Sicht? Und schonen Papiertüten die Umwelt mehr als solche aus Kunststoff? Im neuen „Positionspapier Plastiktüten“ schätzen Experten von Fraunhofer UMSICHT das Thema aus wissenschaftlicher Perspektive ein und zeichnen Lösungswege für Wissenschaft und Gesellschaft auf.
Plastiktüte, Papiertasche oder Jutebeutel? Diese Entscheidung wird Verbrauchern seit dem 1. Juli 2016 zumindest aus finanzieller Sicht ein Stück weit erleichtert: In einer freiwilligen Vereinbarung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit BMUB und dem Handelsverband Deutschland (HDE) verpflichten sich die teilnehmenden Unternehmen, für Kunststofftragetaschen ein angemessenes Entgelt zu erheben. Einige Einzelhandelsunternehmen setzen sogar ausschließlich auf Alternativen aus Jute oder Papier. Diese Aktivitäten der jüngeren Zeit machen sich deutlich bemerkbar. Während in Deutschland von 2010 mit einem Verbrauch von 71 Tüten pro Person und Jahr bis 2015 mit 68 kaum ein Rückgang zu verzeichnen war, sank die Zahl innerhalb eines Jahres auf 45 Tüten im Jahr 2016, wie neue Ergebnisse der Gesellschaft für Verpackungsforschung zeigen (Bericht auf CSR-NEWS).
Doch lohnt sich das auch aus ökobilanzieller Sicht? Schonen Papiertüten die Umwelt mehr als solche aus Kunststoff? Für die Wissenschaftler des Fraunhofer Instituts sind Papiertüten unter diesen Aspekten nicht zwangsläufig besser. Weil Plastiktüten einen hohen symbolischen Wert in den Umweltdebatten erlangt haben, würde eine sachbezogene Diskussion schwierig. Gleichwohl konnten Ökobilanzierungen (Analysen der Umweltwirkungen von Produkten während des gesamten Lebenszyklus) des britischen Umweltamtes zeigen, dass Papier- und Baumwolltüten keine spezifischen Vorteile gegenüber Tüten aus konventionellem Kunststoff oder Biokunststoff bieten. Für alle Materialien gilt, dass sich die Mehrfachnutzung günstig auf die Ökobilanz auswirkt.
Bezüglich der Materialfrage sind sich die Mitwirkenden am Positionspapier „Plastiktüten“ einig: Kunststofftüten aus Polyethylen (PE) mit katalytischen Zusätzen, die eine oxidative Fragmentierung auslösen, sind grundsätzlich abzulehnen. Denn dies führt gezielt zur Erzeugung von Mikroplastik, das auf den unteren Ebenen der Nahrungskette (Plankton, Muscheln, Würmer etc.) schwerwiegende Folgen haben kann. Die Verwendung von biologisch abbaubaren Materialien für Plastiktüten könnte hier eine Alternative bieten: Deren Wirkung auf die Umwelt muss allerdings noch eingehender untersucht werden. Doch selbst, wenn der Abbau sich über einige Jahre hinziehe, bringe das immer noch eine deutliche Verbesserung im Vergleich zu den viel länger haltbaren Standardplastiktüten mit sich, die meist aus den Polyolefinen PE oder PP gefertigt sind. Ein generelles Verbot von Plastiktüten lehnen die Autoren des Positionspapiers aber ab. Stattdessen sollten vielmehr Wege gefunden werden, die einen sorgsamen und verantwortungsvollen Umgang mit dem mehr oder weniger alltäglichen Produkt und dessen effizientes Recycling begünstigen.
Der Plastiktütenfreie Tag wurde in Katalonien als Aktionstag ins Leben gerufen. Seitdem hat er sich zum Internationalen Plastiktütenfreien Tag entwickelt. Er wird als „Plastic Bag Free Day“ seit 2011 vom europäischen Netzwerk „Zero Waste“ jährlich durchgeführt. An diesem Tag wird weltweit mit Aktionen, Konzerten, Demonstrationen und Mitmachaktionen auf das Thema aufmerksam gemacht.