Brüssel (csr-news) > Dieses Gesetz zu sogenannten „Konfliktmineralien“ wird selbst die kleinsten EU-Einführer von Mineralien (Zinn, Wolfram, Tantal, Gold) zu Sorgfaltsprüfungen ihrer Lieferanten verpflichten. Große Hersteller müssen außerdem offenlegen, wie sie sicherstellen wollen, dass die neuen Vorschriften schon an der Quelle eingehalten werden. „Die neue Verordnung kann das Leben der in Kriegssituationen lebenden Menschen verändern. Unsere Vorschriften können jedoch nur dann konkret vor Ort Wirkung zeigen, wenn das System flexibel bleibt und alle beteiligten Akteure ständig dazulernen und verantwortungsvoll handeln“, sagte der Berichterstatter Iuliu Winkler (EVP, RO). Der Verordnungsentwurf wurde mit 558 Stimmen verabschiedet, bei 17 Gegenstimmen und 45 Enthaltungen. Ein gutes Zeichen in einer Zeit, in der US-Präsident Donald Trump unter anderem auch entsprechende Regelungen im Dodd Frank Act zurücknehmen will.
Leid und die Verstöße gegen die Menschenrechte eindämmen
„Ich bin sehr erfreut darüber, dass wir nun über eine ehrgeizige und machbare Lösung verfügen, um die Konfliktmineralien aus den Lieferketten zu verbannen“ sagte die EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström nach der Abstimmung. „Der Handel muss unseren ethischen Werten Rechnung tragen und die heutige Entscheidung des Parlaments stellt ein exzellentes Beispiel für ein gelungenes Vorgehen dar. Mit den neuen Regelungen wird sichergestellt, dass die von der europäischen Industrie verwendeten Mineralien auf eine verantwortungsvolle Art und Weise beschafft werden, die der Bevölkerung in den Abbaugebieten keinen Schaden zufügt und keine kriegerischen Auseinandersetzungen fördert. Mit der neuen Verordnung werden somit das Leid und die Verstöße gegen die Menschenrechte eingedämmt, die diesen Handel seit Langem begleiteten.“
Zinn, Tantal, Wolfram und Gold werden bei der Herstellung vieler Hightechgeräte verwendet, ebenso wie in der Auto-, Elektronik-, Luftfahrt- Verpackungs-, Bau- und Beleuchtungsindustrie sowie bei der Herstellung von Industriemaschinen und Werkzeugen, und nicht zuletzt bei der Schmuckherstellung. Länder mit vielen Bodenschätzen, die Schauplatz von Konflikten sind, können in einen Teufelskreis geraten, bei dem die Einnahmen aus dem illegalen Abbau von Rohstoffen zur Unterstützung bewaffneter Aufstände verwendet werden. „Wir können nicht die Augen verschließen angesichts der Schäden, die wir in anderen Teilen der Welt verursachen. Diese Vorschriften legen den Grundstein für ein wirksames Instrument, um den Zusammenhang zwischen Konflikten, Menschenrechtsverletzungen und unserem Konsum von Alltagsgütern aufzubrechen“, so Bernd Lange (S&D, DE), Vorsitzender des Ausschusses für Internationalen Handel. Die verbindliche Sorgfaltspflicht (“Due diligence”) wird durch internationale OECD-Richtlinien definiert, um Unternehmen dabei zu helfen, die Menschenrechte einzuhalten und zu vermeiden, dass sie durch ihren Handel mit Mineralien zu Konflikten beitragen. Derzeit haben die Richtlinien den Status von Empfehlungen.
Nationale Behörden müssen Einhaltung sicherstellen
In dem im November 2016 informell mit dem Rat vereinbarten Text konnten die Abgeordneten gegenüber den Mitgliedstaaten durchsetzen, dass die Erfüllung der Sorgfaltspflicht in Einklang mit den OECD-Leitlinien für die meisten Importeure von Zinn, Tantal und Wolfram, deren Erzen und Gold aus Konflikt- und Hochrisikogebieten verpflichtend wird. Die Kommission und der Rat hatten zunächst nur freiwillige Kontrollen vorgeschlagen. Die Behörden in den EU-Mitgliedstaaten werden dafür verantwortlich sein, die Einhaltung der Sorgfaltspflicht durch die Unternehmen sicherzustellen. Recycelte Materialien und Importeure geringer Mengen wie Zahnärzte oder Schmuckhersteller (5% der Importe) werden von den Regeln ausgenommen, um unverhältnismäßige bürokratische Hürden zu vermeiden.
„Durch eine transparente und verantwortungsbewusste Gestaltung der Lieferketten wird erreicht, dass die Gewinne nicht in die Hände von Rebellen gelangen, sondern für Investitionen in Schulen und Krankenhäuser zur Verfügung stehen werden, und somit gut regierte Staaten auf der Grundlage der Rechtstaatlichkeit gefördert werden. Damit werden die Lebensbedingungen der Menschen verbessert und der Übergang von Konflikt und Terror hin zu neuen Chancen und Hoffnung erleichtert. Es bedeutet auch eine Förderung des wirtschaftlichen Wachstums, wodurch den ärmsten Regionen ein nachhaltiges Wachstum ermöglicht wird“, so Malmström.
In den Verhandlungen hat das Parlament zudem eine Verpflichtung erwirkt, der zufolge große EU-Unternehmen (mit über 500 Mitarbeitern), die Zinn, Tantal, Wolfram und Gold zur Verwendung in ihren Produkten kaufen, aufgefordert werden, ihre Beschaffungspraxis offen zu legen. Sie können sich dann außerdem in ein EU-Register aufnehmen lassen. Die Verordnung sieht vor, dass bestehende Kontrollsysteme der Branche verwendet werden, um Doppelbelastungen zu vermeiden. Das Parlament hat jedoch sichergestellt, dass diese Systeme regelmäßig überprüft werden, um hohe Standards zu gewährleisten, die mit den OECD-Richtlinien übereinstimmen.
Die EU-Kommission muss die Wirksamkeit des neuen Gesetzes regelmäßig überprüfen, sowohl was seine Auswirkungen vor Ort als auch die Einhaltung der Verordnung durch die EU-Unternehmen betrifft. Sollte sich die Anwendung der verbindlichen Sorgfaltspflicht durch die Unternehmen als unzureichend herausstellen, kann die EU-Kommission weitere Pflichtmaßnahmen vorschlagen. Sobald Parlament und Rat die Vereinbarung gebilligt haben, wird der Text im Amtsblatt der EU veröffentlicht. Die Sorgfaltspflicht gilt ab dem 21. Januar 2021 und soll dann rund 95 Prozent der Importe abdecken. So sollen die Mitgliedstaaten genug Zeit bekommen, die zuständigen Behörden zu benennen, und die Importeure, um sich mit ihren neuen Verpflichtungen vertraut zu machen. Parallel zu den neuen Regeln wird die EU Begleitmaßnahmen zur Unterstützung kleinerer und mittlerer einführender Unternehmen einleiten sowie Entwicklungshilfe bereitstellen, damit gewährleistet wird, dass die Verordnung wirksam ist und konkrete positive Auswirkungen zeitigt. Darüber hinaus ist die EU an Regierungen in Afrika, Asien und an weitere Regierungen herangetreten, um sie zu einer verantwortungsvollen Beschaffung von Konfliktmineralien sowie zur Eliminierung alternativer Märkte zu ermutigen.