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Ehrbares Unternehmertum: Das Selbstverständnis der mainfränkischen Kaufleute

Der „ehrbare Kaufmann“ ist Leitbild zahlreicher familiengeführter mittelständischer Unternehmen in Deutschland. Eng verbunden mit dem Leitbild des ehrbaren Kaufmannes wird die Forderung nach Unternehmensverantwortung beziehungsweise Corporate Social Responsibility (CSR).

CSR bezeichnet hierbei die Verantwortung von Unternehmen für ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft. Kann das aktuelle Selbstverständnis des ehrbaren Kaufmannes die praktische Umsetzung von CSR-Maßnahmen begünstigen? Wenn ja, in welcher Form?

Ein Beitrag von Harald J. Bolsinger und Sascha Genders.

Das Leitbild des ehrbaren Kaufmannes wird intensiv theoretisch definiert und diskutiert. So sollte es in der mittelalterlichen Zeit vor allem das Verhalten des einzelnen Kaufmannes durch freiwillige Selbstbindung auf die Interessen der Kaufleutegemeinschaft ausrichten.[2] Unverantwortliche Gewinnerzielung war geächtet, um langfristig die eigene Kooperationsfähigkeit mit anderen Kaufleuten zu sichern und Vertrauenswürdigkeit zu signalisieren.[3] Heute sind Kaufmannschaft und Wissenschaft wieder im Diskurs, was dieses Leitbild ehrbaren und verantwortlichen Unternehmertums wirklich alles beinhaltet.[4] Deshalb lohnt sich ein Blick durch die empirische Brille der Praxis, indem die Unternehmerschaft selbst zu Wort kommt: Wie wird der ehrbare Kaufmann von demselben in der heutigen Zeit interpretiert?

Um die aktuelle Rolle von CSR in der Region Mainfranken besser verstehen zu können, wurde Ende 2016 eine Unternehmensbefragung durchgeführt. Befragt wurden hierbei per Zufallsauswahl 2.000 gewerblich tätige Betriebe.[5] Hierbei kann auf Antworten aus allen Gebietskörperschaften Mainfrankens zurückgegriffen werden. Die Branchenschwerpunkte liegen in den Bereichen Dienstleistungen, gefolgt von Industrie, Einzelhandel sowie Baugewerbe. Geantwortet haben vor allem Betriebe kleiner und mittlerer Größe. Der Unternehmensbefragung liegt das CSR-Verständnis der Industrie- und Handelskammer (IHK) Würzburg-Schweinfurt mit vier Kernthemenfeldern zu Grunde: Ökonomie, Arbeitsplatz, Gemeinwesen und Ökologie inklusive integrierter Handlungsfelder. Die Ergebnisse sind besonders deshalb interessant, weil in Mainfranken das „Selbstverständnis des ehrbaren Kaufmannes (CSR)“ als eine von fünf Stärken der Region gilt und offensichtlich in dieser Region in der Unternehmerschaft äußerst stark präsent zu sein scheint.[6]

Aus den Ergebnissen der Befragung lassen sich die folgenden Zusammenhänge erkennen.

I. Das Thema Unternehmensverantwortung wird als extrem bedeutsam wahrgenommen, aber nur die Hälfte der Unternehmen beschäftigt sich bereits aktiv mit CSR

Das Leitbild des ehrbaren Kaufmannes ist wichtiges Kriterium für die große Mehrheit der befragten Betriebe. Nur rund ein Prozent erachtet es als unwichtig. Im Zuge der hohen Bedeutung des ehrbaren Kaufmannes sprechen die Betriebe insbesondere von Ehrlichkeit und verantwortungsbewusstem Agieren als wesentliche Charaktereigenschaften des ehrbaren Kaufmannes. Insgesamt gilt in heutiger Zeit für die Befragten ein konkretes Selbstverständnis ehrbarer Kaufleute:

  • Ehrlichkeit,
  • verantwortungsbewusstes Agieren,
  • Werte vorleben
  • langfristiges Denken.

Diese Eigenschaften sind Hand in Hand die konkrete Kriterienkombination, die ehrbares Unternehmertum in Mainfranken als Stärke der Region ausmacht!

 

Eigenschaften ehrbarer Kaufleute

Quelle: IHK Würzburg-Schweinfurt

 

Trotz der hohen Bedeutung von Verantwortungsbewusstsein haben sich bislang lediglich 42,2 Prozent der Betriebe aktiv mit dem Thema Unternehmensverantwortung und CSR beschäftigt. Bei weiteren 11,1 Prozent steht die Auseinandersetzung mit CSR bereits auf der Agenda.  Die professionelle Auseinandersetzung mit Unternehmensverantwortung kann in der Region also noch weiter verbreitert werden. Hierbei scheint es wichtig, durch Informations- und Sensibilisierungskampagnen Unternehmen aktiv zu begleiten und auf die Bedeutung von CSR und dessen Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit der regionalen Wirtschaft hinzuweisen.

II. Der Kunde ist König

Auf Grundlage des befragten CSR-Verständnisses umfasst Unternehmensverantwortung vier Bereiche (Ökologie, Ökonomie, Arbeitsplatz und Gemeinwesen), die in 20 Einzelmaßnahmen beispielhaft operationalisiert wurden (Abfallmanagement, Angebote zur Unterstützung bei der Angehörigenpflege, Berücksichtigung von Umwelt- und Sozialstandards in der eigenen Produktion sowie bei Lieferanten, betriebliche Sozialberatung, betriebliches Gesundheitsmanagement, Bildungs-, Kinder- und Jugendförderung, Einführung von Teilzeitmodellen und Homeoffice, Einsatz für Natur-, Umwelt- und Katastrophenschutz, Förderung von Vereinen, Kunst und Kultur, Investitionen in wissenschaftliche Forschung, Jobsharing für Führungskräfte, lokale/regionale Versorgungsinfrastruktur, Maßnahmen für Produktsicherheit, Maßnahmen für umweltschonende Logistik, Maßnahmen zur Wahrnehmung von Kundeninteressen, regelmäßige Auditierung von Lieferanten, Ressourceneffizienz in Produktion und Verwaltung, Sanktionen bei Nichteinhaltung von Umweltstandards, Schulungen für Mitarbeiter im Bereich Umwelt, Verwendung von Gütesiegeln).

 

Wichtig eingeschätzte CSR-Bereiche

Quelle: IHK Würzburg-Schweinfurt

 

Die wichtigsten Themen aus Sicht der befragten Unternehmen sind mit Blick auf alle betrachteten CSR-Handlungsfelder insbesondere Maßnahmen zur Wahrnehmung von Kundeninteressen sowie Berücksichtigung von Umwelt- und Sozialstandards in der eigenen Produktion sowie bei Lieferanten. Für 76,3 Prozent beziehungsweise 60,7 Prozent der Betriebe sind diese Aspekte sehr wichtig/wichtig. Insbesondere die Wahrnehmung von Kundeninteressen ist demnach für drei Viertel der Befragten das mit Abstand allerwichtigste CSR-Thema in der Wahrnehmung der mainfränkischen Unternehmerschaft. Vor allem Befürworter von „verantwortungsbewusstem Agieren” empfinden Kundeninteressen als sehr wichtig.

Obwohl die Wahrnehmung von Kundeninteressen das allerwichtigste CSR-Thema für die Unternehmen ist, schätzen nur 57,8 Prozent der Unternehmen, dass CSR von ihren Kunden selbst als wichtig oder sehr wichtig empfunden wird. Es scheint, die Kunden könnten mit noch intensiverer und aktiverer Kommunikation ihrer Erwartungen zu verantwortungsvollem Unternehmertum die Unternehmen zur Beschäftigung mit der Thematik motivieren. Dem gegenüber steht die Einschätzung der Befragten, dass CSR vor allem für die Unternehmensführung sehr wichtig oder wichtig ist (75,6 Prozent).

 

Bedeutungseinschätzung CSR für Stakeholder

Quelle: IHK Würzburg-Schweinfurt

 

Es wird deutlich, dass sich in Mainfranken Verantwortungsbewusstsein zunächst auf den Kunden konzentriert und Maßnahmen für einen verantwortungsvollen Umgang in weiteren Bereichen der Produktions-/Lieferkette aktiv zu fördern sind. Daraus lässt sich schließen, dass Unternehmensverantwortung vor allem durch Kunden selbst auf die Agenda der Unternehmen gebracht werden kann. Es gilt demnach nicht nur Unternehmen zu sensibilisieren, sondern auch Kunden zu den richtigen Fragen über verantwortungsvolle Produkte und Dienstleistungen zu motivieren. Beachtlich hierbei: Die Wahrnehmung von Kundeninteressen ist nicht nur aktuell das allerwichtigste CSR-Thema für die Unternehmen, sondern auch Spitzenreiter beim Blick in die Zukunft. Fast 80 Prozent schätzen, dass die Bedeutung von Kundeninteressen in diesem Kontext zunehmen wird. Der Fokus auf die Sichtweise der Kunden und ihre Einbindung in die strategische Weiterentwicklung der Unternehmensverantwortung bleibt damit zentrale Herausforderung  heute und morgen.

III. Tue Gutes in der Hoffnung auf Nutzen und dann erzähle davon!

Mit der Umsetzung von CSR-Maßnahmen verfolgen mainfränkische Unternehmen insbesondere die Zielsetzung, Mitarbeiter zufrieden zu stellen und ihre eigene Attraktivität als Arbeitgeber zu steigern. Für 21,4 Prozent beziehungsweise 19,0 Prozent sind dies wesentliche Nutzeneffekte. Des Weiteren soll Imageaufbau betrieben werden und die eigene Reputation positiv gestaltet werden. Gefragt nach der freiwilligen Kommunikation von CSR-Maßnahmen gibt aber nur rund ein Viertel der Befragten an (24,4 Prozent), bereits in diesem Bereich tätig zu werden. Trotz der Erwartungen seitens der Unternehmen, eine Verbesserung des eigene Images oder der Attraktivität gegenüber Arbeitnehmern durch CSR zu erreichen, wird das eigene CSR-Engagement kaum kommuniziert. Rund zwei Drittel der Unternehmen, die sich von CSR-Maßnahmen Imageaufbau, höhere Kundenzufriedenheit oder gesteigerte Arbeitgeberattraktivität versprechen, kommunizieren ihre CSR-Maßnahmen nicht aktiv! Hier wird ein deutlicher Nachholbedarf an CSR-Kommunikation in den Unternehmen deutlich. Denn ein positiver Effekt bezüglich Kunden und Mitarbeitern erfordert zwingend Sichtbarkeit und Transparenz der gelebten Unternehmensverantwortung.

IV. Der ehrbare Kaufmann und seine Kunden sind der Schlüssel zur Förderung von Unternehmensverantwortung in Mainfranken

Mainfränkische Unternehmen haben ein konkretes Bild von den Eigenschaften ehrbaren Unternehmertums und schätzen das Handeln nach diesem Leitbild als wesentliche Stärke der Region ein: Ehrlichkeit, verantwortungsbewusstes Agieren, Werte vorleben und langfristiges Denken – mit klarem Fokus auf die Interessen der Kunden – beschreiben den mainfränkischen ehrbaren Kaufmann heute.

In der Form kann die praktische Umsetzung von CSR-Maßnahmen durch Sensibilisierung von Kunden und der Anregung von Dialogen zur strategischen Unternehmensverantwortung mit Entscheidern innerhalb der Unternehmen gestärkt werden. Informationskampagnen für Unternehmen zu CSR-Kommunikation und die systematische Bearbeitung professioneller Unternehmensverantwortung im Kerngeschäft sind gleichermaßen hilfreich, um die noch ungehobenen CSR-Potenziale in mainfränkischen Unternehmen weiter auszuschöpfen.

Die vollumfängliche Studie wird in Kürze durch die IHK Würzburg-Schweinfurt in der Publikationsreihe „Wirtschaftspolitische Perspektiven“ unter dem Titel „Unternehmerische Verantwortung in Mainfranken – Unternehmensbefragung zum ehrbaren Kaufmann und zu Corporate Social Responsibility (CSR)“ veröffentlicht. Sie steht ab Mitte März 2017 unter www.wuerzburg.ihk.de/csr als kostenfreier Download zur Verfügung.

Erreichbarkeit der Autoren:

Prof. Dr. Harald J. Bolsinger: http://fwiwi.fhws.de

Dr. Sascha Genders: http://www.wuerzburg.ihk.de

 

Verwendete Quellen:

[1] BIHK (2016): Verantwortung lohnt sich. Den Ehrbaren Kaufmann leben, Bayerischer Industrie- und Handelskammertag (BIHK) e. V., März 2016, BIHK: München; KOM (2011) 681, Europäische Kommission: Eine neue EU-Strategie (2011-14) für die soziale Verantwortung der Unternehmen, 25.10.2011, Brüssel S. 7.

[2] IHK (2015): Der Ehrbare Kaufmann, IHK Nürnberg für Mittelfranken, September 2015, Nürnberg, S. 11.

[3] Ebd., S. 15.

[4] Ebd., S. 12.

[5] IHK (2017): Unternehmerische Verantwortung in Mainfranken, Unternehmensbefragung zum ehrbaren Kaufmann und zu Corporate Social Responsibility (CSR), Verf.: Dr. Sascha Genders, IHK Würzburg-Schweinfurt, Februar 2017, IHK: Würzburg.

[6] IHK (2016): IHK-Standortreport Mainfranken 2016, Verf.: Dr. Sascha Genders, Elena Fürst, Maximilian Benz, IHK Würzburg-Schweinfurt, Dezember 2016, IHK: Würzburg, S. 24. Als weitere Top-Stärken der Region gelten Lebensqualität, Umwelt und Natur, Angebot an Schulen und medizinische Versorgung.


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