Stuttgart (csr-news) > Die Reden deutscher CEOs sind immer besser zu verstehen. Dies ist das Endergebnis einer Studie der Universität Hohenheim in Zusammenarbeit mit dem Handelsblatt. Prof. Frank Brettschneider und sein Team untersuchen bereits zum fünften Mal, wie verständlich die Vorstandsvorsitzenden der DAX-30-Unternehmen auf den Hauptversammlungen ihrer Unternehmen sprechen. Im Schnitt erreichen die Werte in diesem Jahr 14,3 Punkte auf einer Skala von 0 bis 20. Damit hat sich die formale Verständlichkeit nun zum vierten Mal in Folge verbessert.
Nach dem Hohenheimer Verständlichkeitsindex erreicht Timotheus Höttges (Telekom) mit 19,5 Punkten den höchsten bisher gemessenen Wert. In den letzten fünf Jahren war kein Redner verständlicher als der Vorstandsvorsitzende der Telekom. Gleich drei Redner teilen sich den zweiten Platz. Mit je 18,4 Punkten bieten Frank Appel (Deutsche Post), Harald Krüger (BMW) und Ulf Schneider (Fresenius SE) Top-Leistungen. Der Verständlichkeitsindex wird mit Hilfe einer speziellen Verständlichkeitssoftware anhand der Redemanuskripte ermittelt. Dabei werden formale Kriterien wie beispielsweise durchschnittliche Satzlänge, Anteil der Sätze mit mehr als 20 Wörtern, Anteil der Passiv-Sätze, Anteil der Schachtelsätze und der Sätze mit mehr als zwei Informationseinheiten berücksichtigt, aber auch Parameter wie durchschnittliche Wortlänge, Anteil abstrakter Substantive, Anteil Fremdwörter und Anteil der Wörter aus dem Grundwortschatz. Der Index reicht von 0 (formal unverständlich) bis 20 (formal sehr verständlich).
Verbesserung bei fast allen Rednern
Deutlich mehr Wirtschaftsbosse als im Vorjahr haben Reden gehalten, die sich nicht nur an Anleger, Analysten sowie Finanz- und Wirtschaftsexperten richten. Im Schnitt erreichen sie einen Verständlichkeitswert von 14,3 Punkten – das sind 1,3 Punkte mehr als im Vorjahr (13,0) und sogar 4,5 Punkte mehr als im Jahr 2012 (9,8). „Erfreulicherweise hat sich damit zum vierten Mal in Folge die formale Verständlichkeit der Reden im Vergleich zum Vorjahr verbessert“, erläutert Prof. Brettschneider, Inhaber des Lehrstuhls für Kommunikationswissenschaft, insbesondere Kommunikationstheorie an der Universität Hohenheim. Einige Redner bemühen sich Fachsprache so zu übersetzen, dass auch fachfremde Personen den Inhalt der Rede verstehen. „Für den Auf- und Ausbau von Reputation ist dies sinnvoll“, so Brettschneider. Einen besonders deutlichen Verständlichkeits-Sprung, so der Experte, haben in diesem Jahr vor allem Rice Powell (Fresenius MC) und Marijn Dekkers (Bayer) mit über vier Punkten Verbesserung zu verzeichnen.
Quelle: Verständlichkeitsindex 2016, Universität Hohenheim, Prof. Frank Brettschneider
Einige verpasste Gelegenheiten
Dennoch verschenken nach wie vor einige Spitzenmanager die Chance, mit ihren Reden eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen. Auf den hinteren Plätzen im CEO-Ranking finden sich – mit weniger als 11 Punkten – der Vorstandsvorsitzende von E.ON, Johannes Teyssen (10,2 Punkte), SAP-Chef Bill McDermott (10,3 Punkte) sowie der CEO von ProSiebenSat.1, Thomas Ebeling (10,8 Punkte). Das Schlusslicht bildet Beiersdorf-Chef Stefan F. Heidenreich (9,2 Punkte).
Verständlichkeitshürden
„Bandwurmsätze, abstrakte Begriffe, zusammengesetzte Wörter und nicht erklärte Fachbegriffe schmälern die Verständlichkeit am meisten“, erklärt Prof. Dr. Brettschneider. „Das Ergebnis ist dann Kauderwelsch statt Klartext.“ Aber überlange Sätze werden seltener. Und immer weniger Reden enthalten zusammengesetzte Wortungetüme. Grobe Verstöße gegen Verständlichkeits-Regeln finden sich in den Reden deutlich seltener als in früheren Jahren. Allerdings verwenden immer noch viele CEOs Passiv-Formulierungen. Sie verschweigen „Roß und Reiter“. Es bleibt unklar, wer handelt. Besonders häufig finden sich Passiv-Formulierungen in der Rede von VW-Chef Matthias Müller, vor allem dann, wenn es um den Diesel-Skandal geht.
Beispiele: Passivsätze 2016
- „Umso mehr schmerzt es Sie, uns und auch mich ganz persönlich, dass bei uns mit den Software-Manipulationen an Dieselmotoren Regeln gebrochen und ethische Grenzen überschritten wurden.“ (Müller, VW)
- „In den vergangenen Wochen wurde intensiv an den Details gearbeitet.“ (Müller, VW)
- „Die Aspekte unserer Unternehmenskultur, die uns noch unnötig bremsen, werden hinterfragt.“ (Zetsche, Daimler)
Beispiele: Wortungetüme und Fachbegriffe 2016
- Cloud-Subskriptionserlöse (McDermott, SAP)
- Transrapid-Linearmotor-Technologie (Hiesinger, Thyssen-Krupp)
- On-Premise-Lösungen (McDermott, SAP)
- Restrukturierungsaufwendungen (Fitschen, Deutsche Bank)
- Ertragssteigerungspotenzial (Müller, VW)
Beispiele: Schachtelsätze 2016
- „Anders ausgedrückt: Wir haben die Buchwerte gewisser Einheiten, die teilweise noch aus einem ganz anderen regulatorischen und ökonomischen Umfeld stamm-ten, der heutigen Realität angepasst, etwa im Falle der Postbank.“ (Fitschen, Deutsche Bank)
- „Wir sind im Segment Broadcasting German-speaking, zu dem unsere Fernseh-sender in Deutschland, Österreich und der Schweiz, die Werbezeiten-Vermarktung sowie die Distribution gehören, weiter gewachsen.“ (Ebeling, ProSiebenSat.1)
Negativ-Beispiele:
- „Dazu haben wir die Strategie Number ONE weiterentwickelt – evolutionär und zugleich disruptiv, wie es neudeutsch so schön heißt.“ (BMW, Krüger)
- „Alles wird schneller. Wir werden schneller. Und wir denken noch viel stärker out of the box.“ (BMW, Krüger)
- „Wir haben selten einen derartigen Kumul an Unsicherheit erlebt.“ (Münchener Rück, von Bomhard)
- „Es gibt weniger große Implementierungsprojekte mit On-Premise-Lösungen.“ (SAP, McDermott)
- „Darüber hinaus bündeln wir mit unserem Open-Innovation-Konzept unsere Ideen mit denen unserer Partner.“ (Henkel, Rorsted)
- „Unser Quadratmeter-Preis lag zum Jahresende 2015 bei 5,78 Euro like-for-like.“ (Vonovia, Buch)
- „Unseren Loan To Value (LTV) konnten wir auf 46,9 Prozent Ende 2015 weiter senken.“ (Vonovia, Buch)
- „Um dieses Potenzial zu nutzen, werden wir die E-Commerce-Aktivitäten über unsere erfolgreiche Vertical-Strategie weiter stark forcieren.“ (ProSiebenSat.1, Ebeling)
Positiv-Beispiele:
- „Wir entwickeln es aber auch konsequent weiter: besonders im On-site-Geschäft. Dabei geht es um den Bau und den Betrieb von Anlagen bei Großkunden vor Ort.“ (Linde, Büchele)
- „Das Wachstum erwarten wir aus dem Trend zur sogenannten Inverterisierung. Was bedeutet das? Ein Inverter – auf Deutsch: ein Umrichter – kann die Drehzahl von elektrischen Motoren sehr fein regulieren. So muss der Motor nur genau die Leistung bringen, die gerade benötigt wird. Das spart Strom.“ (Infineon, Ploss)
- „Ich nenne hier nur die Stichworte Roboter-Traffic und Ad Fraud, also Anzeigenbetrug.“ (ProSiebenSat.1, Ebeling)
- „Die neue E-Klasse ist auch das weltweit erste Serienauto mit Car-to-X-Kommunikation – also der Fähigkeit, mit anderen Autos und der Infrastruktur zu kommunizieren.“ (Daimler, Zetsche)
- „Auch in der Blockchain-Technologie sehen wir uns um. Unter ‚Blockchain‘ können Sie sich – ganz vereinfacht – ein digitales Register für elektronische Transaktionen vorstellen.“ (Deutsche Börse, Kengeter)
- „Ein Beispiel dafür kommt aus der Energieübertragung: Wir haben eine Lösung gefunden, mit der große Energiemengen über weite Entfernungen zuverlässig und praktisch unterbrechungsfrei übertragen werden können. Dank der sogenannten Vollbrückentechnologie kann das System selbst nach einem Blitzeinschlag innerhalb von nur 450 Millisekunden automatisch neu starten.“ (Siemens, Kaeser)
- „Und wenn vernetzte Trucks und Autos in Echtzeit Verkehrsinformationen austauschen, kann auch die Infrastruktur effizienter genutzt werden. Das heißt: weniger Zeitverlust, weniger Emissionen und mehr Sicherheit. Daimler ist die treibende Kraft bei dieser Entwicklung: Wir sind seit 15 Jahren mit Telematik-Lösungen im Markt.“ (Daimler, Zetsche)
- „Auch im Segment Non-Core Assets haben wir große Fortschritte gemacht. Wir haben sowohl das Volumen als auch die Risiken weiter deutlich abgebaut. Das Portfolio aus gewerblichen Immobilien, Schiffen und Staatsanleihen sank Ende 2015 auf unter 63 Milliarden Euro.“ (Commerzbank, Blessing)
- „Das gilt auch für das Geschäft mit Marktdaten. Handel und Clearing im Termin- und im Kassamarkt, also bei Eurex und Xetra, wuchsen dagegen zweistellig. Clearing bedeutet zwar nichts anderes als Verrechnung. Im Börsengeschäft hat es damit aber eine besondere Bewandtnis: Durch das Clearing besichern wir jeden Handelsabschluss.“ (Deutsche Börse, Kengeter)
- „Umsatz mit Cloud Computing – das Geschäft mit der ‚Datenwolke‘: gestiegen um 24 Prozent.“ (Telekom, Höttges)
Klartext überzeugt
Die formale Verständlichkeit sei zwar nicht das einzige Kriterium für eine gelungene Rede, betont Brettschneider. Wichtiger noch sei der Inhalt. Und hinzu kämen Kriterien wie der Aufbau der Rede oder der Vortragsstil. Dennoch sollte ein Redner nicht vergessen: „Formal verständliche Botschaften werden von den Zuhörern besser verstanden und erinnert. Und verständliche Botschaften genießen mehr Vertrauen als unverständliche“, hält der Experte fest. Daher sollte man einige Grundregeln für verständliche Reden einhalten: kurze Sätze, gebräuchliche Begriffe, Fachbegriffe übersetzen und zusammengesetzte Wörter möglichst vermeiden. „Denn nur wer verstanden wird, kann auch überzeugen.“