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Studie über globale Wertschöpfungsketten – Wer zahlt den Preis für grenzenlosen Konsum?

Welche Verantwortung tragen Unternehmen beispielsweise für ausbeuterische Arbeitsbedingungen oder die Zerstörung der Umwelt in Entwicklungs- und Schwellenländern? Dieser Frage widmet sich eine aktuelle Studie der evangelischen Entwicklungsorganisation Brot für die Welt. Vor dem Hintergrund anstehender Entscheidungen der Bundesregierung über einen nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der internationalen Standards zur Unternehmensverantwortung, zeigt die Studie an den Beispielen Fleisch, Kleidung und Autos, wie sich globale Wertschöpfungsketten auf die Lebenschancen von Millionen Menschen auswirken.

Berlin (csr-news) > Welche Verantwortung tragen Unternehmen beispielsweise für ausbeuterische Arbeitsbedingungen oder die Zerstörung der Umwelt in Entwicklungs- und Schwellenländern? Dieser Frage widmet sich eine aktuelle Studie der evangelischen Entwicklungsorganisation Brot für die Welt. Vor dem Hintergrund anstehender Entscheidungen der Bundesregierung über einen nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der internationalen Standards zur Unternehmensverantwortung, zeigt die Studie an den Beispielen Fleisch, Kleidung und Autos, wie sich globale Wertschöpfungsketten auf die Lebenschancen von Millionen Menschen auswirken.

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„Es ist an der Zeit, dass der Gesetzgeber in Deutschland ansässige Unternehmen dazu verpflichtet, menschenrechtliche Sorgfaltspflichten entlang ihrer gesamten Lieferkette einzuhalten“. Cornelia Füllkrug-Weitzel, Präsidentin Brot für die Welt

Von den schlechten Produktionsbedingungen in der Wertschöpfungskette profitieren vor allem die Unternehmen, so das Fazit der Studie. Entsprechend fordert die Organisation gesetzlich festgeschriebene Sorgfaltspflichten für international agierende Unternehmen. Als Beleg sehen die Autoren der Studie unter anderem die Wirtschaftskraft mancher Unternehmen, die die von einigen Staaten weit übertrifft. So hätten nur 22 Länder eine höhere Wirtschaftsleistung als die US-Kette Wal-Mart. Trotzdem würden Unternehmen nicht die Verantwortung für die Produktionsbedingungen entlang der gesamten Lieferkette übernehmen, obwohl sie über entscheidenden Einfluss verfügen. Cornelia Füllkrug-Weitzel, Präsidentin von Brot für die Welt, warnt davor, Unternehmensgewinne gegen Menschenrechte und Arbeitsstandards auszuspielen: „Wenigen ist bewusst, welchen zentralen positiven oder negativen Einfluss die deutsche Wirtschaftspolitik auf die Lebensbedingungen der Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern hat“.

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Quelle: Brot für die Welt

„Das gegenwärtige Wirtschaftssystem beruht nicht nur auf der Ausbeutung der Menschen, sondern schädigt auch unseren Planeten mehr denn je“, heißt es in der Studie „Mein Auto, mein Kleid, mein Hähnchen – Wer zahlt den Preis für unseren grenzenlosen Konsum“. Darin werden Fallbeispiele aus mehr als Ländern analysiert aber auch Ross und Reiter genannt. So wird unter anderem kritisiert, dass es viele Konsumgüter mittlerweile zum Niedrigpreis gibt: das Hähnchen im Sonderangebot für zwei Euro, die Hose für zehn. Die Kosten würden vor allem die Menschen zahlen, die fernab der westlichen Metropolen leben: Näherinnen, die bis zu 16 Stunden täglich in den Textilfabriken von Bangladesch arbeiten oder Kleinbauern in Paraguay, die von ihren Feldern vertrieben werden, weil dort Soja für deutsche Hähnchenmastbetriebe angebaut wird.

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Quelle: Brot für die Welt

„Es ist an der Zeit, dass der Gesetzgeber in Deutschland ansässige Unternehmen dazu verpflichtet, menschenrechtliche Sorgfaltspflichten entlang ihrer gesamten Lieferkette einzuhalten, damit weder sklavenartige Arbeitsbedingungen, noch Löhne, von denen keine Familie leben kann, noch zerstörte Lebensgrundlagen Menschen die Zukunftschancen in ihrer Heimat rauben“, so Füllkrug-Weitzel. Das wäre ihrer Meinung nach auch ein glaubwürdiger Ausdruck dessen, dass es der Bundesregierung ernst mit der Fluchtursachenbekämpfung ist. Mehr Entwicklungshilfe sei zudem sinnvoll – aber nur, wenn sie nicht lediglich die negativen Folgen deutscher Außenwirtschaftspolitik kompensiere. Ein erster Entwurf für den nationalen Aktionsplan zur Unternehmensverantwortung liegt den verschiedenen Bundesministerien momentan zur Abstimmung vor.

Beispiel Wertschöpfungskette Auto:

Durchschnittlich 6,7 Autos hat ein heute 55-jähriger Durchschnittsbürger in Deutschland in seinem bisherigen Leben gekauft. Seit den Anfängen der Motorisierung ist ein Auto mehr als ein Produkt zur Fortbewegung, vielmehr ist es nach wie vor ein Statussymbol, ein Zeichen von Wohlstand und gesellschaftlichem Rang. Dabei ist die Herstellung eines Autos längst ein globaler Prozess. Tausende Unternehmen und Millionen Menschen arbeiten rund um den Globus in den unterschiedlichen Herstellungsstufen des komplexen Prozesses. Doch wie sieht dieser Wertschöpfungsprozess im Detail aus? „Europäische und deutsche Firmen nehmen ihre Verantwortung in der Regel wahr, wenn es um die eigenen Beschäftigten geht“, so die Autoren der Studie. „Sie versuchen, ihre Angestellten vernünftig zu behandeln, sie zahlen angemessene Löhne und akzeptieren die Interessenvertretungen des Personals als Verhandlungspartner“. Weil dieser Umgang aber nicht für die gesamte Wertschöpfungskette gilt, sind Umweltzerstörung ebenso wie Ausbeutung und Menschenrechtsverletzungen über den gesamten Wertschöpfungsprozess zu betrachten, angefangen bei Rohstoffen wie Erz und Kupfer. Herausforderungen, die auch durch eine zunehmende Verbreitung von Elektrofahrzeugen, nicht grundsätzlich anders sind, denn auch in ihnen werden diese Rohstoffe verbaut.

Mehrere zehntausend Einzelteile

Idealtypisch unterscheidet man auf dem Herstellungsweg zum Auto vier Wertschöpfungsstufen, angefangen bei der Förderung der Rohstoffe, über deren Veredelung, weiter über die Produktion einzelner Komponenten bis hin zur Produktion der Fahrzeuge, die nicht selten aus mehreren zehntausend Einzelteilen bestehen. Die größten ökologischen und sozialen Probleme sind dabei vor allem in den ersten beiden Wertschöpfungsstufen zu lösen, unter anderem weil diese sich in der Regel in Entwicklungs- und Schwellenländern befinden. Die Studie geht dabei beispielhaft auf die Kupfergewinnung in Peru ein, weil rund ein Viertel der deutschen Kupferimporte aus dem Andenstaat kommen. Ein nicht unerheblicher Teil davon geht direkt in die Autoproduktion, mit steigender Tendenz. Wurde zur Jahrtausendwende im Jahr 2000 noch für rund 5 Millionen USD Kupfer aus Peru exportiert, so lag dieser Wert im Jahr 2012 schon bei Kupfer im Wert von 970 Millionen USD.

Bis zu 700 Zulieferbetriebe

Auch wenn sich ein Großteil der Minen in der Hand internationaler Konzerne befindet, so schützt dies die Bevölkerung nicht vor sozialen und ökologischen Problemen. Dazu gehören beispielsweise Umsiedlungen bei der Erschließung neuer Minen und auch erhebliche Verunreinigungen der Umwelt mit den entsprechenden gesundheitlichen Folgen für die Anwohner. Ganz ähnlich sehen die Probleme bei anderen Rohstoffen und in anderen Regionen der Welt aus. „Allein für diese Stufe der Wertschöpfungskette beziehen deutsche Autobauer Produkte von knapp 700 Zulieferunternehmen weltweit“, so die Autoren. Ein nicht unerheblicher Teil von diesen Betrieben wird auch über Verhaltenskodices für Lieferanten erreicht, fraglich sei jedoch, ob diese Verhaltensregeln auch eingehalten und überwacht werden.

Nachvollziehbar und plausibel berichten

So rät Brot für die Welt den Autoherstellern, internationale Konventionen und Vereinbarungen zum Schutz der Menschenrechte in ihrer gesamten Wertschöpfungskette ernst zu nehmen und entsprechende Richtlinien in die Einkaufsbedingungen zu integrieren, inklusive Monitoring. Zudem: „In ihrer öffentlichen Berichterstattung über Nachhaltigkeit müssen die Firmen nachvollziehbar und plausibel darstellen, dass sie ihre Verantwortung wahrnehmen. Die Unternehmen sollten die Ergebnisse von Audits und anderen menschenrechtlichen Folgenabschätzungen veröffentlichen und transparent kommunizieren, welche Abhilfemaßnahmen sie einleiten. Nur so ist das Engagement eines Unternehmens für Nichtregierungsorganisationen, Betroffene und Verbraucher überprüfbar“. An die Adresse der Politik gerichtet fordert die Organisation eine gesetzliche Regelung zu den Sorgfaltspflichten. Nicht zuletzt seien aber auch die Verbraucher gefordert, etwa indem sie beispielsweise kleinere Autos kaufen.

Die Studie „Mein Auto, mein Kleid, mein Hähnchen – Wer zahlt den Preis für unseren grenzenlosen Konsum“ mit weiteren Beispielen zu den Wertschöpfungsketten von Kleidung und Fleisch, sowie ergänzenden Hintergrundberichten, zum Download.

Eine interaktive Weltkarte zur Studie.


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