Berlin (csr-news) > Mit einem Kapitalanlagebestand von mehr als 1.425 Milliarden Euro gehören Versicherungsunternehmen zu den größten institutionellen Investoren in Deutschland. Entsprechend hoch könnte der Hebel sein, würden diese anhand von Nachhaltigkeitskriterien investiert. Die Branche setzt bislang allerdings, angehalten durch gesetzliche Regelungen, primär auf eine ökonomische Nachhaltigkeit. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) richtet sich in einer Informationsbroschüre an Versicherer, die sich näher mit dem Thema beschäftigen möchten.
Die Informationsbroschüre erläutert, mit welchen Ansätzen Versicherungsunternehmen soziale, ökologische und Aspekte der guten Unternehmensführung (Environment Social Governance; ESG) verfolgen und konkret in ihrer Anlagestrategie umsetzen können. Schließlich wird auch die Versicherungsbranche immer stärker mit dem Thema Nachhaltigkeit konfrontiert. Anteilseigner aber auch die Öffentlichkeit, so der GDV, würden von den Versicherungsunternehmen eine stärkere Beachtung von Nachhaltigkeitsaspekten fordern. Dabei würde die Berücksichtigung von ESG-Kriterien in der Kapitalanlage nicht grundsätzlich im Widerspruch zum Ziel der Versicherer stehen, für ihre Kunden eine angemessene risikoadjustierte Rendite zu erwirtschaften. Aber, so wird direkt relativiert: „Eine große Zahl von wissenschaftlichen Studien zeigt keine signifikanten Vor- oder Nachteile, die mit einer auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Kapitalanlage verbunden wären“. So würden ESG-Kriterien die Investitionsentscheidungen der Versicherer zwar sinnvoll erweitern, sie müssten sich aber den gesetzlichen Regelungen im Versicherungsaufsichtsgesetz und den Anforderungen von Solvency II unterordnen.
Quelle: GDV-Broschüre „Unverbindliche Hinweise zur Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien in der Kapitalanlage“
Kapitalanlage ist Kerngeschäft
So beschäftigt sich GDV zunächst damit, welche Motivation ein Versicherungsunternehmen haben könnte, sich mit einer nachhaltigen Kapitalanlage zu beschäftigen, die neben der ökonomischen Komponente auch soziale und ökologische Aspekte berücksichtigt. Da wäre zunächst die unternehmerische Verantwortung, eben jene Grundlage, der sich auch alle anderen Unternehmen stellen müssen. Diese versteht die Branche allerdings primär in der Erfüllung ihres Kerngeschäfts und dazu gehört die Kapitalanlage. Versicherer müssen mit ihren Kapitalanlagen ein Leistungsversprechen sicherstellen. Dafür benötigen sie eine entsprechende Rendite ihres eingesetzten Kapitals. „Je besser dieses Ziel erreicht wird, desto mehr wird das Unternehmen der Verantwortung für seinen Geschäftserfolg gerecht. ESG-Kriterien spielen dabei zunächst keine Rolle“, heißt es dazu im Leitfaden. Ergänzend zu dieser klassischen Betrachtung der Kapitalanlage, könnten ESG-Kriterien als zusätzliche Nebenbedingung eingeführt werden. „Unternehmen, die sich gegenüber der Gesellschaft als verantwortlich verstehen, beziehen aus positiven Effekten für ihre Umwelt eine Motivation für ihre Tätigkeit“, so die Haltung. So wäre die Berücksichtigung von Erwartungen, die Stakeholder, in diesem Fall vor allem Kunden und die Gesellschaft im Allgemeinen, an ein Versicherungsunternehmen stellen, eine weitere Motivation. So gäbe es in den Unternehmen bereits vereinzelte Anfragen, sowohl von Privat- als auch Firmenkunden, ob und wie Nachhaltigkeitskriterien bei der Kapitalanlage berücksichtigt würden. Zudem gäbe es eine Nachfrage nach entsprechenden Produkten.
Risiken durch ESG-Kriterien vermeiden
Interessant wird es, wenn es um die Optimierung von Risiko-Rendite-Aspekten geht. Hier können ESG-konforme Kapitalanlagen zur Vermeidung spezifischer Risiken beitragen. „Staaten, Unternehmen oder Einrichtungen, die über die öffentliche Meinung in Misskredit fallen und nicht nachhaltig wirtschaften, unterliegen typischerweise über kurz oder lang Mittelabflüssen und somit Wertverlusten“, heißt es in der Broschüre. Mit Auswirkungen auf die Anleihen dieser Emittenten. Gleichwohl müsse bedacht werden, dass zu strenge Kriterien das Anlageuniversum einschränken könnten und durch die damit einhergehende Einschränkung der Diversifikation, würden zusätzliche Anlagerisiken entstehen. Nicht zu unterschätzen sei in diesem Zusammenhang der Aufwand, den Versicherer betreiben müssten, um die Kriterien bei ihren Anlagen zu überprüfen. Insgesamt, so das Fazit des Verbands, würde die Erzielung einer angemessenen Rendite nicht im Widerspruch zur Berücksichtigung von ESG-Kriterien stehen. Eine weitere Motivation kann die Begrenzung von Reputationsrisiken sein, die natürlich auch in der Versicherungsbranche in erheblichem Umfang Einfluss auf den Unternehmenserfolg haben können.