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Weltgesundheitsorganisation empfiehlt reduzierten Zuckerverbrauch

Der übermäßige Verzehr von Zucker begünstigt Krankheiten wie beispielsweise Adipositas oder Diabetes. Um die zunehmende Verbreitung dieser Krankheiten einzudämmen, hat die Weltgesundheitsorganisation WHO ihre Richtlinie für die Verwendung von Zucker verschärft. Bislang galt ein Anteil versteckten Zuckers von 10 Prozent als verträglich. Dieser wird zwar nicht aufgehoben, zukünftig soll der Anteil aber maximal fünf Prozent betragen. Die Lebensmittelindustrie kritisiert das Vorgehen als Scheinlösung.

Genf/Berlin (csr-news) > Der übermäßige Verzehr von Zucker begünstigt Krankheiten wie beispielsweise Adipositas oder Diabetes. Um die zunehmende Verbreitung dieser Krankheiten einzudämmen, hat die Weltgesundheitsorganisation WHO ihre Richtlinie für die Verwendung von Zucker verschärft. Bislang galt ein Anteil versteckten Zuckers von 10 Prozent als verträglich. Dieser wird zwar nicht aufgehoben, zukünftig soll der Anteil aber maximal fünf Prozent betragen. Die Lebensmittelindustrie kritisiert das Vorgehen als Scheinlösung.

Für einen Erwachsenen würde die Reduzierung bedeuten, pro Tag maximal 25 Gramm Zucker zu verzehren. Dabei bezieht sich die neue Richtlinie auf Zuckerarten wie etwa Glukose, Sacharose oder Fruktose, die meist industriell gefertigten Speisen beigefügt werden. In Obst oder Gemüse vorkommender, natürlicher Zucker ist davon ausdrücklich ausgenommen, weil es laut WHO keine wissenschaftlichen Erkenntnisse über deren gesundheitsschädliche Wirkung gibt. Mehr als ein Jahr wurde in den WHO-Mitgliedsländern über eine Anpassung der Richtlinie beraten, bevor man sich zur Senkung entschlossen hat. „Wir haben handfeste Beweise dafür, dass weniger Zucker das Risiko von Übergewicht, Adipositas und Karies senkt“, sagt Francesco Branca, Direktor der WHO-Abteilung für Ernährung und Gesundheit. Ein großes Problem sei es, den Zuckergehalt in industriellen Lebensmitteln zu erkennen, vor allem bei solchen Lebensmitteln, die nicht als Süßigkeiten gelten. Beispielhaft nannte die WHO einen Esslöffel Ketchup, der rund 4 Gramm, also einen Teelöffel voll Zucker enthält. Eine Dose Limonade könne sogar bis zu 40 Gramm Zucker enthalten. Der Verbrauch von Zucker variiere zwar in den einzelnen Ländern, liege aber überall über den empfohlenen Werten, vor allem bei Kindern. Deshalb fordert die WHO vor allem auch die Lebensmittelindustrie auf, ihre Produkte besser zu kennzeichnen und den Gehalt an verstecktem Zucker zu reduzieren. Zudem sollten zuckerhaltige Produkte für Kinder nicht beworben werden. Mit dieser Maßnahme will die WHO den sogenannten Zivilisationskrankheiten an den Kragen. Nach Angaben der Organisation würden jährlich rund 16 Millionen Menschen an den Folgen von ungesunden Verhaltensweisen wie Rauchen, Alkoholmissbrauch oder zuckerreicher Ernährung sterben.

„Diese jüngste Empfehlung der WHO muss Kopfschütteln erzeugen, und zwar nicht nur bei Vertretern der Lebensmittelindustrie, sondern bei jedem, der sich die Empfehlungen genauer anschaut“, heißt es in einer Reaktion der deutschen Zuckerwirtschaft. „Wer Zucker durch andere Zutaten ersetzen will, der verkennt, dass weniger Zucker nicht automatisch weniger Kalorien bedeutet“, erklärt Günter Tissen, Hauptgeschäftsführer der Wirtschaftlichen Vereinigung Zucker (WVZ). Der Verband könne die Argumentation der WHO nicht bestätigen, denn selbst die WHO würde in einem anderen Bericht veröffentlichen, was jeder mündige Verbraucher längst weiß: Energiebilanz, Bewegungsmangel und genetische Ursachen sind für das Gewicht verantwortlich. Die WVZ hält sich deshalb an die Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, die einen moderaten Zuckerverzehr empfiehlt. Ähnliche Töne auch vom Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e. V. (BLL). Für sie geht die Empfehlung nicht nur an der Lebensrealität der Verbraucher vorbei, sondern sie hält auch die wissenschaftliche Begründung für zweifelhaft. Christoph Minhoff, Hauptgeschäftsführer des BLL: „Scheinlösungen lösen keine Probleme, sie schaffen nur neue. Bei aller Anerkennung für den Versuch der WHO, die Anzahl übergewichtiger Menschen reduzieren zu wollen, verkennen die Vorschläge der Organisation die Ursachen von Übergewicht“. Nicht nur der Spitzenverband der deutschen Lebensmittelwirtschaft, auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung kritisierte im Rahmen der Konsultation der Entwurfsfassung der Leitlinie, dass die WHO hier wesentliche Fakten der Adipositas- und Kariesforschung unberücksichtigt gelassen habe. So gäbe es beispielsweise keinen Beleg dafür, dass allein der Konsum von Zucker, zuckerhaltigen Lebensmitteln oder auch anderer einzelner Nährstoffe für die Entstehung von Übergewicht verantwortlich sind.

Auch das österreichische forum.ernährung.heute bezweifelt die Argumentation der WHO. „Die wissenschaftlichen Belege zur Untermauerung der Empfehlung sind mager. Die WHO verweist selbst auf eine Meta-Analyse, wonach sich das Körpergewicht nicht ändert, wenn man beim Zucker spart, aber insgesamt gleich viel Energie aufnimmt“, sagt Marlies Gruber, wissenschaftliche Leiterin des forum. ernährung heute. Bei der Entstehung von Adipositas würden soziale, psychologische, genetische, mentale und andere Faktoren wie Schlafmangel eine Rolle spielen. „Während die tägliche Kalorienzufuhr in den vergangenen Jahrzehnten nahezu gleich blieb, bewegen sich die Menschen immer weniger. Sowohl Kinder und Jugendliche als auch Erwachsene verbringen ihre Zeit heute in einem besorgniserregenden Ausmaß körperlich inaktiv und drosseln so ihren Energieverbrauch.“, so Gruber.

Die Zucker-Richtlinie der WHO zum Download.

 

 

 


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