Basel (csr-news) > Eine mangelhafte Corporate Governance ist oftmals der Grund, wenn Unternehmen in den Fokus der Presse geraten. Die Vernachlässigung von Organisations-, Kontroll- oder Führungsstrukturen kann sich massiv auf die Geschäftstätigkeit von Unternehmen auswirken. In einem neuen Sustainable Investment Spotlight beschäftigt sich die Bank J. Safra Sarasin mit den Grundsätzen guter Unternehmensführung und fokussiert sich dabei auf beschönigende Gewinnangaben.
Die Analysten der Bank J. Safra Sarasin berücksichtigen für ihren Nachhaltigkeitsansatz Governance-Aspekte in mehrfacher Hinsicht. Zunächst wird das gesamte Anlageuniversum, also die potenziell möglichen Anlagealternativen, anhand standardisierter CG-Kriterien betrachtet – das sind in diesem Fall 4842 Unternehmen. Dafür spielt beispielsweise die Zusammensetzung des Verwaltungsrats eine wichtige Rolle, ebenso wie die Vergütung des Managements oder die Eigentümer- und Kontrollstrukturen. Das Ergebnis drückt sich schließlich in einem Governance-Gesamtwert aus, der mit signifikantem Gewicht in die Nachhaltigkeitsbewertung der Unternehmen einfließt. Je nach Branche kann dieser zwischen 20 und 50 Prozent des Gesamtratings ausmachen. Mit den gewonnenen Daten wurden weitere Detailanalysen erstellt. Anhand der Daten wurden unterschiedliche Auswertungen erstellt. Beispielsweise eine Länderanalyse, in der das das Land mit dem besten und dasjenige mit dem durchschnittlich schlechtesten Wert der drei Governance-Kategorien in Bezug zur Schweiz gesetzt wurden. Als Grundgesamtheit dienten all jene Länder, deren Aktienmärkte für internationale Anleger zugänglich sind und mindestens 20 investierbare Unternehmen aufweisen. Dabei schnitten vor allem die skandinavischen Länder besonders gut ab. Die USA waren aufgrund ihrer praktizierten Managementvergütung am unteren Ende der Skala zu finden. Beim Blick auf Einzelkriterien treten die großen Unterschiede in den einzelnen Ländern zutage. „Unter anderem wird ersichtlich“, so schreiben die Analysten, „dass sehr kontroverse Governance-Praktiken wie Abgangsentschädigungen (Goldene Fallschirme) oder die Missachtung des One Vote, One Voice-Prinizips nur noch sehr selten angewendet werden“.
Quelle: Sustainable Investment Spotlight der Bank J. Safra Sarasin “Corporate Governance: Vorsicht mit adjustierten Gewinnen”
Schwerpunkt der aktuellen Analyse war aber das Ausweisen von adjustierten Gewinnzahlen, also die beschönigende Darstellung derselben und vor allem die daraus resultierenden Implikationen für Investoren. Die veröffentlichen Gewinne stammen alle aus der Berichtssaison 2014. Dabei zeigte sich, dass Unternehmen vermehrt, neben den Gewinnzahlen, wie sie von den gängigen Rechnungslegungsstandards gefordert werden, auch die sogenannten bereinigten Zahlen veröffentlichen. „Damit wird die Transparenz erhöht, aber auch oft versucht, die Resultate in einem besseren Licht darzustellen“, so die Analysten. Ein Problem, weil diese Zahlen oftmals unkritisch übernommen werden. „Dadurch werden nicht selten Äpfel mit Birnen verglichen“, heißt es in der Analyse. Ein genauer Blick lohnt sich beispielsweise auf die leistungsbezogene Managementvergütung. Nicht selten misst sich diese anhand der adjustierten Gewinnzahlen. Bereinigte Gewinne sind auf allen Stufen der Erfolgsrechnung zu finden. Im Gegensatz zu den ordnungsgemäßen Gewinnausweisen gibt es dafür Rechnungslegungsvorschriften, der Kreativität sind also kaum Grenzen gesetzt. Als ein Beispiel wird der Schweizer Bäckereikonzern Aryzta angeführt. Für das Geschäftsjahr 2013/14 hat das Unternehmen einen bereinigten Gewinn von 378 Millionen Euro ausgewiesen. Der korrekte Gewinn gemäß internationaler Rechnungslegungsvorschriften lag dagegen bei 136 Millionen Euro. Als Grund wurden Abschreibungen auf immaterielle Vermögenswerte sowie außerordentliche Aufwendungen genannt. Da Aryzta allerdings bereits zum dritten Mal eine solche hohe Differenz bei den Gewinnzahlen hat, werten die Analysten dies als ein Negativbeispiel, wie im Rahmen der Unternehmenskommunikation vor allem die beschönigten Gewinnzahlen in den Vordergrund gerückt werden. Ähnliche hohe Diskrepanzen zwischen ordentlichen und adjustierten Zahlen fanden die Analysten unter anderem auch bei der Deutschen Telekom oder dem amerikanischen IT-Unternehmen salesforce.com. Aber es gibt nicht nur die extremen Beispiele, vielmehr scheinen adjustierte Gewinnausweisungen inzwischen zum Normalfall zu werden. Alleine bei den 20 im Swiss Market Index (SMI) enthaltenen Unternehmen, publiziert die Mehrheit bereinigte Gewinnzahlen. Bei zwölf Unternehmen lag der ordnungsgemäße Reingewinn tiefer als der adjustierte Gewinn. Nicht viel anders sieht es im Euro-Raum aus. Unter den Euro-Stoxx 50-Unternehmen weisen nur 24 Prozent Gewinnzahlen aus, bei denen keine Diskrepanz festgestellt werden kann. Dabei halten die Analysten die Offenlegung eines bereinigten Gewinns grundsätzlich für gut, weil dadurch die Transparenz erhöht wird. Dies gilt beispielsweise dann, wenn der ordnungsgemäße Gewinn um einmalige Sondereffekte korrigiert wird und sich so ein besseres Bild des operativen Ergebnisses ergibt. „Im Prinzip sollten sich die positiven und negativen Sondereffekte die Waagschale halten“, schreiben die Analysten. In der Praxis überwiegt allerdings die Beschönigung der Zahlen. Für die Analysten ein Hinweis darauf, dass adjustierte Gewinne oftmals dazu verwendet werden, um operative Schwächen oder die negativen Seiten einer aggressiven Akquisitionspolitik zu verschleiern.