Duisburg (csr-news) > Insbesondere in Krisensituationen spielt der Aufsichtsrat in deutschen Aktiengesellschaften eine immer bedeutendere Rolle. „Es scheint eine Machtverlagerung vom Vorstand zum Aufsichtsrat zu erfolgen“, schreibt Prof. Peter Ruhwedel im diesjährigen Aufsichtsrat-Score. Insgesamt bewertet Ruhwedel die Arbeit der Aufsichtsräte sehr positiv, allerdings gibt es signifikante Unterschiede zwischen DAX- und MDAX-Unternehmen. Ein weiteres Ergebnis: Die Deutsche Bank hat den besten Aufsichtsrat im DAX.
Das ist vor allem auf die deutlich intensivierte Überwachungsarbeit nach den zahlreichen Skandalen des Finanzinstituts zurückzuführen. So hat der Aufsichtsrat unter anderem sieben Plenums- und 34 Ausschusssitzungen sowie einen zweitägigen Strategieworkshop durchgeführt. Außerdem wurde ein eigener Ausschuss für Integrität eingerichtet, der nicht durch den Aufsichtsratsvorsitzenden selbst geleitet wird. „Damit wird der angekündigte Kulturwandel auch in der Aufsichtsratsarbeit sichtbar“, sagt Ruhwedel. Außerdem sei das Kontrollgremium nicht nur international besetzt, sondern decke unterschiedliche Kompetenzfelder ab. Nicht zuletzt übertreffe der Frauenanteil von 35 Prozent bereits heute die gesetzlich anvisierte Quote. In der Summe konnte die Deutsche Bank damit im Ranking vom vierten Platz an die Spitze vorrücken und den bisherigen Spitzenreiter, die Allianz SE auf den zweiten Platz verweisen. Die Deutsche Börse AG hat die drittbeste Platzierung, gefolgt vom Rückversicherungskonzern Münchener Rück AG und dem Softwarekonzern SAP AG. Die besten Unternehmen im M-DAX sind die Aareal Bank AG, SGL Carbon SE, Rhön-Klinikum AG, KUKA AG und Klöckner Co. SE. Bereits zum vierten Mal hat der wissenschaftliche Leiter des FOM KompetenzCentrums für Unternehmensführung & Corporate Governance Arbeitsweise, Eignung, Diversität und Transparenz der Aufsichtsräte im DAX und M-DAX verglichen.
Quelle: Aufsichtsrats-Score 2014
Das Vorgehen der Deutschen Bank scheint sich allgemein zum Trend in Aufsichsräten durchzusetzen. In Krisensituationen übernehmen die Kontrollgremien eine zunehmend bedeutende Rolle. Ein Indiz dafür ist die Häufigkeit der Sitzungen. Mit den vorgeschriebenen vier Aufsichtsratssitzungen pro Jahr kommen vor allem größere Konzerne nicht aus. Entsprechend liegt die Sitzungshäufigkeit deutlich darüber, und zwar bei durchschnittlich 6,3 in DAX-Unternehmen und bei 6,1 in Unternehmen, die im MDAX gelistet sind. Zudem ist mit durchschnittlich 4,4 (DAX) und 3,6 (MDAX) Fachausschüssen eine intensive Ausschussbildung und –tätigkeit zum Standard guter Corporate Governance geworden, schreibt Ruhwedel. Mit jeweils sieben verfügen die Deutsche Börse, die Deutsche Telekom, SAP und SGL Carbon über die meisten Ausschüsse. Vor allem in Umbruchsituationen arbeiten die Ausschüsse eng mit dem Vorstand zusammen. Fragt sich wie die Aufsichtsräte zusammengesetzt, sind, über welche Qualifikationen sie verfügen und ob sie weitergebildet werden. In Banken schreibt das Kreditwesengesetz inzwischen entsprechende Qualifizierungsmaßnahmen vor. Aber auch bei den DAX-Unternehmen haben sich Einführungsschulungen bei der Mandatsübernahme und fachorientierte Vorträge durch externe Sachverständige zum Standard entwickelt. In diesem Bereich haben Unternehmen aus dem MDAX noch ein deutliches Nachholbedürfnis. Nur knapp jedes zehnte Unternehmen bietet seinen Aufsichtsräten Schulungen an. Immerhin gibt es insgesamt 992 Aufsichtsräte in den DAX und MDAX-Gremien. Davon wurden 542 durch die Hauptversammlung gewählt, bei 450 handelt es sich um Vertreter der Arbeitnehmer. Bei den DAX-Unternehmen ist der Aufsichtsrat bis auf eine Ausnahme (Deutsche Börse AG) paritätisch besetzt. Dabei zeigt sich eine zunehmende Professionalisierung der Aufsichtsgremien. Kein Aufsichtsratsvorsitzender in einem DAX-Unternehmen übt gleichzeitig ein Vorstandsmandat aus. Und auch der Anteil der sogenannten nicht abgekühlten Vorstandsmitglieder (Einhaltung einer 2-jährigen Wartezeit vom Vorstandsstuhl in den Aufsichtsrat) ist auf 12 Prozent gesunken.
Quelle: Aufsichtsrats-Score 2014
Die Studienergebnisse zeigen allerdings auch, dass der Aufsichtsrats-Score der M-DAX-Unternehmen nach wie vor zum Teil deutlich unter dem DAX-Niveau liegt. Dies sei häufig auf eine weiterhin geringe Diversität in zahlreichen M-DAX-Gremien sowie insbesondere auf eine mangelnde Transparenz zurückzuführen. Ruhwedel: „Zahlreiche M-DAX-Unternehmen scheinen noch nicht erkannt zu haben, dass eine transparente Berichterstattung über die Zusammensetzung und die Arbeitsweise durch die Aktionäre honoriert wird – vorausgesetzt die Qualität überzeugt.“ Und auch generell gilt: Unternehmen, die im kommenden Jahr eine exzellente Aufsichtsratstätigkeit gewährleisten möchten, müssen ihre Anstrengungen bei den beiden Qualitätskriterien Diversität und Transparenz verstärken. Ruhwedel: „Deutsche Kontrollgremien benötigen die Kompetenz internationaler Aufsichtsräte, was aber in zu vielen Fällen noch nicht ausreichend in der Zusammensetzung der Gremien berücksichtigt ist. Außerdem fehlen oft die notwendigen Informationen über die Gründe, warum eine Person zur Wahl in den Aufsichtsrat vorgeschlagen wird.“ Insgesamt sieht Ruhwedel die Tätigkeit der Aufsichtsräte in Deutschland aber auf einem guten Weg. „Es wäre jedoch zu wünschen, dass die Gremien nicht erst in einer Krise aktiv werden“.