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Regierung sollte mit einer Sprache sprechen: Frank Henke von adidas im Interview

Vor welchen Herausforderungen stehen Nachhaltigkeitsmanager? Wie haben sie sich auf ihre Aufgaben vorbereitet? Und wie sind sie in ihren Unternehmen verankert? In Vorbereitung auf die Dezember-Ausgabe des CSR MAGAZIN stellen wir beginnt hier eine Interviewreihe mit Nachhaltigkeitsmanagern. Frederikje Kuntze sprach für das CSR MAGAZIN mit Frank Henke von der adidas Group.

Herzogenaurach (csr-news) – Vor welchen Herausforderungen stehen Nachhaltigkeitsmanager? Wie haben sie sich auf ihre Aufgaben vorbereitet? Und wie sind sie in ihren Unternehmen verankert? In Vorbereitung auf die Dezember-Ausgabe des CSR MAGAZIN beginnt hier eine Interviewreihe mit Nachhaltigkeitsmanagern. Frederikje Kuntze sprach für das CSR MAGAZIN mit Frank Henke von der adidas Group.

CSR MAGAZIN: Herr Henke, welche aktuellen Herausforderungen beschäftigen Sie als Global Director of Social and Environmental Affairs bei der Adidas Group momentan in besonderem Maße?

Frank Henke: Ich bin ein bisschen vorsichtig mit einer Aussage dazu, was gerade ganz aktuell ist. Seit mehr als 15 Jahren arbeiten wir auf den für uns sehr wichtigen Gebieten der Unternehmensverantwortung oder auch der Nachhaltigkeit. Der Fokus unserer Bemühungen liegt entsprechend unseres Geschäftsmodells auf vier wesentlichen Bereichen: Zum einen, wie wir innerhalb unserer internationalen Beschaffungskette sichere und faire Arbeitsbedingungen bei den Beschäftigten in den Zulieferbetrieben sicherstellen können. Im Weiteren geht es uns um eine fortlaufende Reduzierung der Umweltauswirkungen durch unsere eigene Geschäftstätigkeit, insbesondere bei unseren Produkten, aber auch die unserer Zulieferbetriebe. Als nächstes stellt sich uns die Frage, wie wir in den Regionen und Ländern, in denen wir mit umfassenden Beschaffungs- oder auch Vertriebsoperationen vertreten sind, einen Beitrag zur Verbesserung der Infrastruktur und zum Wohlergehen der Menschen leisten können. Und ein vierter ganz wichtiger Punkt ist für uns, wie wir den laufenden Dialog mit unseren Stakeholdern, die ein so sichtbares Unternehmen wie den Adidas-Konzern ständig beobachten, führen können. Wir setzen uns mit ihren Ansichten sehr intensiv auseinander und wollen davon lernen, wie wir unsere Programme stetig verbessern können. Das sind die vier Hauptbereiche, um die unser Nachhaltigkeitsprogramm und dessen Strategien kreisen. Natürlich gibt es immer wieder gewisse Prioritäten, aber wir versuchen, sehr kontinuierlich an unseren Programmen zu feilen und diese ständig weiterzuentwickeln.

Sie sind zu Beginn auf die Arbeitsbedingungen in den Zulieferbetrieben eingegangen. Welche konkreten Lösungsansätze gibt es dazu?

Ja, wir haben bereits Ende der neunziger Jahre einen umfassenden Verhaltenskodex für unsere Lieferanten entwickelt. Dieser Verhaltenskodex basiert auf den Kernkonventionen der Internationalen Arbeitsorganisation und weitergehenden Standards bezüglich Umweltschutz, Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz. Zeitgleich haben wir ein Team von Experten aufgebaut, das direkt in den Ländern ansässig ist, wo wir zentrale Beschaffungsoperationen unterhalten. Das Expertenteam versteht die Kulturen, die Sprachen und die Gewohnheiten der Gesellschaft und der Lieferanten. Es besteht mittlerweile aus 65 Personen, die regelmäßig Betriebe begehen und überprüfen. Gemeinsam mit dem Fabrik-Management arbeitet unser Expertenteam stetig an Verbesserungsmaßnahmen und pflegt zugleich den Dialog mit lokalen Gruppen vor Ort. Das ist eine wichtige Voraussetzung, um effektive Lösungen zur Verbesserung von Problembereichen zu entwickeln. Außerdem haben die Mitglieder des Expertenteams eine sehr umfassende Expertise, beispielsweise im lokalen Arbeitsrecht und im Bereich des Gesundheits- und des Umweltschutzes. Das erlaubt uns, sehr eng, konkret und sehr pragmatisch mit den Lieferanten in diesen Ländern zu arbeiten.

Zu Ihrer Person: Welches Grundstudium haben Sie absolviert? Hatten Sie zu diesem Zeitpunkt bereits eine Zielrichtung, die Ihrem heutigen Zuständigkeitsbereich entspricht, eingeschlagen?

Ja, die Themen Unternehmensverantwortung und Unternehmensethik waren bereits Teil meiner universitären Ausbildung. Ich habe Betriebs- und Volkswirtschaft mit den Schwerpunkten Unternehmensethik und Umweltökonomie studiert. Als ich Anfang der neunziger Jahre meine Tätigkeit bei adidas aufgenommen habe, konnte ich nicht voraussehen, dass ich in absehbarer Zeit die Programme, Strategien und Politiken des Konzerns mit entwickeln würde. Dieser Hintergrund hat mir sehr dabei geholfen, an der Entwicklung, Struktur und Ausrichtung des Programmes mitzuwirken.

Wie sind Sie zur adidas Group gekommen?

Ich habe mich für ein Traineeprogramm beworben, in dessen Rahmen ich in viele verschiedene Funktionsbereiche des Konzerns hineinsehen und Projektverantwortung übernehmen konnte. Als ich in der Unternehmensplanung tätig war, kam im Zuge der Diskussion zum Thema Nachhaltigkeit anlässlich des ersten Gipfels in Rio eine Vielzahl von Fragen auf das Unternehmen zu. Ich wurde gebeten, entsprechende programmatische Konzepte zu entwickeln – schrittweise zunächst für Europa, später auch für andere Regionen. Ab Mitte der neunziger Jahre begannen wir mit der Gestaltung eines globalen Konzepts, welches später gleichermaßen in allen Regionen Anwendung fand.

Wie sind Sie aktuell strategisch in Ihrer Position im Unternehmen eingebunden?

In meiner Rolle als Global Director für Social and Environmental Affairs berichte ich an den Leiter unserer Rechtsabteilung, der auch Chief Compliance Officer des Konzerns ist. In seiner Funktion berichtet er direkt an den Vorstandsvorsitzenden. Außerdem agiert der Funktionsbereich Social and Environmental Affairs als eine interne Beratungsfunktion für unsere Kernfunktionen. Es geht insbesondere um Umwelt und Nachhaltigkeit, beispielsweise in der Entwicklung von Vorgaben für die Materialauswahl, für die Vorprüfung und Auswahl von Lieferanten und für die Entwicklung und Weiterentwicklung unseres internen Umweltprogramms. Nicht zuletzt sind wir die Nahtstelle, die mit den wichtigen Stakeholdern laufend in Verbindung steht. Außerdem bestreiten wir gemeinsam mit unseren Kollegen aus dem Bereich der Unternehmenskommunikation das Thema der Nachhaltigkeitskommunikation.

Unternehmen sind nicht die einzigen Nachhaltigkeitsakteure. Welchen Wunsch hätten Sie an die Politik?

Ein wichtiger Wunsch ist es, dass die Regierungsvertreter mit einer Sprache zu sprechen versuchen. Das ist in der heutigen Zeit eine große Herausforderung, da sich die Politik sehr stark nach der Tagesmeinung und den Tagesprioritäten richtet. Darüber hinaus ist unser Wunsch, dass die Regierung positiv auf die Länder einwirkt, in denen wir wichtige Beschaffungsoperationen unterhalten, um entsprechende Strukturen zu unterstützen. Unsere Programme, so ernsthaft sie auch von uns vorangetrieben werden, können den rechtlichen Rahmen der Länder lediglich ergänzen. Sie können das Mandat der Regierung und der entsprechenden Überwachungsbehörden vor Ort nicht ersetzen. Aus diesem Grund ist es uns sehr wichtig, dass die Regierungen ihre Rolle und ihr Mandat vor Ort wahrnehmen.

Was sollte Ihrer Meinung nach bezüglich Nachhaltigkeit und CSR an Universitäten gelehrt beziehungsweise gelernt werden?

Es ist sehr hilfreich, wenn möglichst viele Best-Practice-Beispiele den Studenten und Universitätsteilnehmern einen Einblick geben, inwieweit Unternehmen heute bereits über den gesetzlichen Rahmen hinaus tätig sind. An dieser Stelle besteht oft ein Informationsdefizit. Umso wichtiger ist die Kommunikation guter Beispiele von Unternehmen – sei es von kleinen Unternehmen, mittelständischen oder von großen Unternehmen. Meines Erachtens ist dieses Potenzial noch nicht vollständig ausgeschöpft.

Zuletzt ein Ausblick in die Zukunft: Welche Pläne gibt es bei Ihnen für den Bereich Nachhaltigkeit und CSR?

Ein Großteil unserer Programme ist auf neue Technologien oder Innovationen fokussiert, die nicht nur Effizienz für unsere Geschäftsabläufe bedeuten, sondern auch Ressourceneinsparungen. Wir setzen auf Technologien und Kooperationen mit erkennbar großen Auswirkungen, beispielsweise auf die Better Cotton Initiative. Better Cotton ist darauf ausgerichtet, wassersparende und pestizidarme Anbaumethoden in den konventionellen Baumwollanbau zu integrieren. Wir setzen außerdem auf Technologien wie DryDy, bei der beim Färben auf Wasser verzichtet wird. Dies hat eine große Bedeutung, was die Reduzierung der Umweltauswirkungen in Färbeprozessen betrifft. Ein weiterer Aspekt ist in diesem Zusammenhang die Virtualisierung unserer Entwicklungsprozesse. Diese reduziert die Anzahl der Musterproduktionen und Prototypenproduktionen, weil neue Produkte am Bildschirm entwickelt werden und keine physischen Muster produziert werden müssen. All das sind Technologien, die zukünftig immer wichtiger werden, weil sie einen doppelten Nutzen haben: Durch sie wird unser Unternehmen, schneller, schlanker und effizienter, und sie dienen der Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung. Wir glauben, dass diese Ansatzpunkte in der Zukunft eine ganz wichtige Rolle spielen werden.

Vielen Dank für das Gespräch!

CM12_Nachhaltigkeitsmanager


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