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‚Better Coal‘ oder ‚Bitter Coal‘: NGOs kritisieren Steinkohle-Lieferkette der Energieversorger

Drei Viertel der in Deutschland verbrannten Steinkohle stammt aus dem Ausland – überwiegend aus Kolumbien und Russland. Menschenrechts- und Umweltrisiken bei der Kohleförderung werden von deutschen Energieversorgern zu wenig beachtet, kritisieren die NGOs FIAN und urgewald in dem Dossier „Bitter Coal“. Doch gerade das wollen die Energieversorger mit ihrer Initiative „Better Coal“ erreichen.

Köln (csr-news) – Drei Viertel der in Deutschland verbrannten Steinkohle stammt aus dem Ausland – überwiegend aus Kolumbien und Russland. Menschenrechts- und Umweltrisiken bei der Kohleförderung werden von deutschen Energieversorgern zu wenig beachtet und sie verweigern den Einblick in ihre Lieferketten, kritisieren die NGOs FIAN und urgewald in dem in dieser Woche vorgestellten Dossier „Bitter Coal„. Doch gerade das wollen die Energieversorger mit ihrer Initiative „Bettercoal“ erreichen.

Die über 60 deutschen Steinkohlekraftwerke der Energieversorger E.ON, STEAG, RWE, EnBW und Vattenfall verbrennen pro Jahr 30 Millionen Tonnen fossiler Energie. Jeweils rund zehn Millionen Tonnen stammen aus Kolumbien und Russland, Tendenz steigend: 2005 lag die Kohleeinfuhr aus Kolumbien noch bei drei Millionen Tonnen. Der Bericht „Bitter Coal“ verweist auf die blutigen Konflikte in dem südamerikanischen Land, bei denen Dutzende Gewerkschaftler das Opfer von Paramilitärs wurden. Zumindest Sub-Unternehmer der Kohleminenbesitzer seien nach gerichtlichen Feststellungen für solche Morde verantwortlich, so die NGOs in ihrem Bericht. Vorwürfe gegen große Minenbetreiber wie Drummond würden durch die Staatsanwaltschaft geprüft.

Das Tagebauunternehmen Cerrejón muss sich in Kolumbien dem Vorwurf stellen, für seine Tagebauflächen 2001 Einwohner gewaltsam vertrieben und nicht ausreichend entschädigt zu haben. Zudem sei ein Plan noch nicht vom Tisch, der die Umleitung eines für die Landwirtschaft und Religion der indigenen Einwohner wichtigen Flusses vorsieht.

In Russland sind es insbesondere die Verseuchung ganzer Regionen mit Luftschadstoffen und deren gesundheitliche Auswirkungen auf die Bevölkerung, die der Bericht anprangert. Zudem würden Tagebaue nach der Ausbeutung als „ökologische Wüsten“ sich selbst überlassen. Ein zweiter Kritikpunkt sind die Unfallgefahren für Kohlearbeiter. Auf dem Hintergrund mangelnder Investitionen in Arbeitssicherheit stürben jährlich teilweise mehr als 180 Minenarbeiter bei Methan-Explosionen, so der Bericht.

„Bitter Coal“ kritisiert, dass die deutschen Energieversorger Vorteile aus der Kohleförderung unter völlig unzureichenden Bedingungen ziehen und die genannten Probleme nicht entsprechend adressieren. Der Name der Studie erinnert bewusst an die 2010 von internationalen Energieversorgern gegründete Initiative „Bettercoal“. Bei dem „Klub der Industrie“ seien „keine weltbewegenden Veränderungen vorgesehen“, heißt es. Von den acht Sitzen der „Stakeholder Advisory Group“ seien fünf von Bergbauunternehmen oder ihren Verbündeten belegt. Die drei weiteren seien von einem Gewerkschafter sowie jeweils einem Vertreter von Pax Christi und der Umweltorganisation Flora and Fauna International belegt. Letztere sei für ihre „zahlreichen und lukrativen ‚business partnerships‘ bekannt“.

Anspruchsvoller Code of Conduct

Für Pax Christi sitzt der Niederländer Egbert Wesselink im Stakeholder Advirory Board. Auch in seinen Augen besäße eine Multi-Stakeholder-Initiative eine höhere Glaubwürdigkeit, „Bettercoal“ ist eine Industrieinitiative. Damit wären die NGOs aber nicht ohne Einfluss. Sie haben sich intensiv an der Erarbeitung eines Code of Conduct beteiligt, der zu den fortschrittlichsten Regelwerken dieser Art gehöre, so Wesselink. Seiner Erinnerung nach seien seine Vorschläge dazu vollständig übernommen worden. Auch zur Governance-Struktur habe er Ideen eingebracht, die seien noch in der Beratung. Bei der „Bettercoal“-Initiative gehe es jetzt um die Entwicklung von Beurteilungsmethoden, auf deren Grundlage der Code of Conduct dann den Zulieferern vorgelegt werden könne.

Der Geschäftsführer von „Bettercoal“, Martin Christie, verweist auf die Berücksichtigung von Menschenrechts- und Umweltthemen in dem erarbeiteten Code of Conduct. Zu der Beteiligung russischer oder kolumbianischer Unternehmen bei der Erarbeitung von Umwelt- oder Sozialstandards gebe es – um Verbesserungen vor Ort zu erreichen – keine Alternative. Dazu fanden auch Konsultationen mit Unternehmen, Regierungen und NGOs in Moskau und Bogota statt, deren Protokolle im Internet nachzulesen sind. Sobald Beurteilungsmethoden entwickelt seien, werde die Arbeit mit den Zulieferern konkreter, denn dann würden die Herausforderungen in der Praxis ersichtlich. Derzeit liegt der Bettercoal Code in einem ersten Entwurf vor. Dieser soll in den nächsten Wochen weiter diskutiert und im Sommer verabschiedet werden. Christie: „Unsere Initiative ist ‚Markt-getrieben‘, was sich als einer unter mehreren Wegen erwiesen hat, Veränderungen zu bewirken. Jedenfalls haben wir uns immer die Zeit genommen, die verschiedenen Aspekte unserer Initiative mit anderen zu diskutieren.“ Und eine RWE-Sprecherin versicherte gegenüber CSR NEWS: „Wir werden den internationalen Codex der Bettercoal Initiative nutzen, wenn dieser erarbeitet und finalisiert ist.“


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