Heilbronn (csr-news) – Für ein eigenständiges Verständnis der gesellschaftlichen Unternehmensverantwortung im Mittelstand sprach sich der Wirtschaftsethiker Thomas Beschorner, Professor an der Universität St.Gallen, aus. „Ich plädiere dafür, stärker darüber nachzudenken: ‚Was ist CSR im Mittelstand?‘ – und dabei nicht so stark auf die Großunternehmen zu schielen“, sagte Beschorner am 15. September in Heilbronn auf der Jahrestagung des Deutschen Netzwerk Wirtschaftsethik (DNWE). Dem Mittelstand stellten sich andere unternehmensethische Probleme als Großunternehmen, etwa das Thema Nachfolgeregelung. Zudem gebe es eine eigene, für Mittelständler typische Motivlage für die Beschäftigung mit CSR: das Verständnis des Unternehmens als Lebenswerk des Unternehmers, die Zugehörigkeit zu einer lokalen Gemeinschaft oder die Zusage „wir bilden aus“.
Erste Studien des von Beschorner geleiteten Instituts für Wirtschaftsethik (IWE) St.Gallen deuteten auf eine Zweiteilung der CSR-Orientierung im Mittelstand: Die eine Gruppe der Mittelständler widme sich insbesondere sozialen Aspekten, die andere wende sich ökologischen Aspekten zu. „Diese Zweiteilung korreliert nicht mit der Unternehmensgröße“, so Beschorner. Bei den eher ökologisch orientierten Mittelständlern deute sich eine Herkunft aus dem Umweltmanagement an. In Bezug auf die CSR-Herausforderungen für diese Unternehmen sagte Beschorner: „Es geht um die Integration der jeweils noch nicht berücksichtigten Aspekte.“
Zudem plädierte der Wissenschaftler für ein differenzierteres Mittelstandsverständnis: „Mittelstand“ sei eine Geisteshaltung und eine Selbstzuschreibung, gekennzeichnet durch eine Autonomie gegen Fremdbestimmung und ein klassisches Unternehmerverständnis – und nicht so sehr eine Frage der Unternehmensgröße.
Kritisch äußerte sich Beschorner zur wissenschaftlichen Beschäftigung mit der Wirtschaftsethik. „Die Wissenschaft im deutschsprachigen Raum hat nicht dazu beigetragen, eine Praxisorientierung zu schaffen“, sagte der Wirtschaftsethiker. Wissenschaftliche Auffassungen zur Wirtschaftsethik seien in zwei Positionen gespalten, zwischen denen der Diskurs abgebrochen sei. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung habe sich von der Praxis entkoppelt und es fehle an empirischer Forschung. Beschorner plädierte für das neue Modell einer „kulturalistischen Wirtschaftsethik“ als „Perspektive zur Entwicklung möglicher Welten“. In einer solchen kulturalistischen Wirtschaftsethik gehe es nicht nur um sozialwissenschaftliche Programme, sondern um einen „Brückenschlag zum Ethischen“. Zur Bedeutung von CSR sagte Beschorner: „Worum es gehen muss, das ist eine integrierte Managementperspektive, die sehr stark am Kerngeschäft des Unternehmens orientiert ist.“
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