In einer Masterarbeit wurde die Qualität aller 158 verfügbaren Nachhaltigkeitsberichte von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) aus Deutschland, Österreich und der Schweiz (DACH-Länder) untersucht, die in den Jahren 2010 und 2011 veröffentlicht wurden. Ziel der Arbeit war einerseits die Erlangung eines umfassendes Überblicks über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von KMU in den DACH-Ländern und andererseits die Offenlegung von Differenzen in der Berichterstattung zwischen den Ländern, den verwendeten Nachhaltigkeitsstandards, der Unternehmensgröße und den Branchen.
Ein Beitrag von Simon Schnabel
Um eine möglichst große Transparenz und internationale Vergleichbarkeit zu gewährleisten, dienten alle Indikatoren des G3-Leitfadens der Global Reporting Initiative (GRI) als Kriterien. Bewertet wurden die Berichte hinsichtlich ihrer Vollständigkeit von 0 (keine Angaben) bis 3 Punkten (vollständige Angaben) je Indikator. Die Einzelwerte der Berichte aller Indikatoren wurden zu einem gewichteten Gesamtscore aggregiert, der zwischen 0% (keinerlei Angaben) und 100% (vollständige Angaben in allen Indikatoren) liegen konnte.
Insgesamt offenbarte die Untersuchung große Unterschiede bei der Qualität der Nachhaltigkeitsberichte der einzelnen Unternehmen. Die beste Qualität liefern die Unternehmen Märkisches Landbrot GmbH (Gesamtscore von 94%), Knecht & Müller AG (83%) und Druckerei Janetschek GmbH (82%). Die geringste Gesamtqualität der Informationen von Berichten einzelner Unternehmen liegt bei 5%.
Zudem ergab die Studie, dass die Qualität der Nachhaltigkeitsberichterstattung vor allem von der Wahl des Berichtsstandards abhängt. Die Berichte, die nach GRI erstellt wurden, erreichen einen durchschnittlichen Wert von 50% der maximal erreichbaren Punkte, wohingegen die Berichte nach dem United Nations Global Compact (UNGC) nur 12% erreichen. Dies zeigt, dass Berichte, die nach GRI erstellt werden sehr viel ausführlichere und belastbare Fakten und Informationen aufweisen, als diejenigen, die nach UNGC, einem anderen oder keinem besonderen Standard erstellt wurden. Insgesamt ist der Anteil der Berichte, die nach GRI erstellt wurden in Österreich mit 71% am höchsten, wohingegen in der Schweiz 32% dem GRI-Berichtstandard entsprechen und in Deutschland nur 16%. Der am stärksten verbreitete Berichtsstandard der deutschen KMU ist CSR-Tourism certified (des Forum Anders Reisen e.V.), welcher fast 40% aller Berichte ausmacht. Die Berichte nach ist CSR-Tourism certified besitzen durchschnittlich zwar nur eine Qualität von 24%, jedoch weist dieser Berichtsstandard zahlreiche spezifische Indikatoren auf, die durch die GRI-Indikatoren nicht erfasst werden. CSR-Tourism certified kann gleichwohl als Vorbild für andere Brancheninitiativen gelten, da sich dieser Standard durch die verpflichtende Anwendung der Mitglieder des Forum Anders Reisen e.V. sehr schnell verbreitet hat und sehr homogene Nachhaltigkeitsberichte mit guter branchenspezifischer Informationsqualität zur Folge hat.
Auch die einzelnen GRI-Indikatorengruppen werden mit sehr unterschiedlicher Qualität berichtet: Die allgemeinen Profilangaben zum Unternehmen weisen mit Abstand die höchste Qualität auf, gefolgt von den Umweltindikatoren, wohingegen besonders die sozialen Bereiche der Menschrechte und Produktverantwortung über die geringste Qualität verfügen. Ein Grund für das schlechtere Abschneiden vor allem bei den Informationen über die Einhaltung der Menschenrechte dürfte die diesbezügliche umfassende Sozialgesetzgebung in Mitteleuropa sein. Für Unternehmen, die vorwiegend in diesem Markt tätig sind, scheint dieses Themenbereich für die Berichterstattung nur eine geringe Relevanz zu besitzen.
Trotz der Qualitätsunterschiede der Berichte ist es dennoch wichtig, die Bereitschaft aller untersuchten Unternehmen, Informationen zu Ihrer Nachhaltigkeitsleistung zu veröffentlichen, anzuerkennen. Diese 158 vorbildlichen Unternehmen stellen jedoch gerade einmal 0,006% aller 2,5 Mio. KMU aus den DACH-Ländern dar.
Die zusätzlich durchgeführte Befragung der untersuchten Unternehmen zeigte, dass sich KMU vor allem bei der Zusammenstellung der für die Berichte benötigten Daten schwertun, da ihnen Erfahrung sowie personelle und finanzielle Kapazitäten fehlen. Auch wird der Zuschnitt der Nachhaltigkeitsstandards auf Großunternehmen und der damit für mitteleuropäische KMU unpassenden Indikatoren bemängelt. Dies zeigt, dass die Überarbeitung der GRI-Leitlinien zu G4 und die bessere Anpassung für KMU aus Industrieländern dringend geboten ist. Gleichwohl gewährleistet die Orientierung der Unternehmen am GRI-Standard die beste Berichtsqualität, die auch international vergleichbar ist.
Sehr geehrter Herr Podleisek, vielen Dank für Ihren Kommentar, hier meine Antworten dazu:
1. UNGC bezeichnet sich zwar selbst nicht als Nachhaltigkeitsstandard, aber im Prinzip stellen die Prinzipien nichts anderes dar, v.a. auch mit der Erweiterung um den „GC Advanced“ Level. 2. Ich habe GRI verwendet, weil er der de facto Nachhaltigkeitsstandard ist und andere Indikatoren die Vergleichbarkeit für andere eventuell nachfolgenden Studien erschwert hätte. Die Ergebnisse haben gezeigt, dass die Verwendung von GRI als Basis zu ähnlichen Ergebnissen führt wie andere Rankings (vgl. Kurzfassung, FHNW Ranking der Geschäftsberichte und IÖW/Future-Ranking). 3. Es nutzen mit 34 KMU von deutschen 90 KMU insgesamt „CSR-Tourism certified” (siehe Abb. 2 in der Kurzfassung der Masterarbeit)
Hier finden Sie nun eine Kurzfassung der Masterarbeit mit allen wichtigen Informationen: http://360report.org/tl_files/presse/masterarbeit-nachhaltigkeitsberichte-schnabel.pdf
Der Artikel hat ein paar Ungereimtheiten: UNGC ist kein Standard zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, und wenn ich GRI als Basis nehme ist wenig überraschen, dass GRI-Berichte diesen Kriterien am ehesten entsprechen. Sehr überrascht hat mich auch die Aussage, dass „CSR-Tourism certified“ der am weitesten verbreitete Standard in Deutschland sein sollte. Leider fehlt dem Artikel die weiterführende Quellenangabe zur entsprechenden Masterarbeit.
Der letzte Abschnitt bringt es m.E. auf den Punkt, nämlich dass „sich KMU bei der Zusammenstellung der für die Berichte benötigten Daten schwertun, da ihnen Erfahrung sowie personelle und finanzielle Kapazitäten fehlen.“ Ich denke, dass in vielen Unternehmen, auch und gerade im Mittelstand, durchaus der Wille und die Motivation vorherrscht, nachhaltiger zu wirtschaften und dies auch zu dokumentieren. Sei es, um Kosten zu sparen, um einen Wettbewerbsvorteil zu erlangen, oder aus intrinsischer Motivation heraus. Allein, es fehlt an Ressourcen und mittelstandgerechten tools für die Zusammenstellung der Daten und die Erstellung des Berichts. Diese tools sind notwendig, bevor auch von gesetzgeberischer Seite her über eine Berichtspflicht nachgedacht werden kann.