Köln (csr-news) > „Rio+20 ist kein Ende, es ist ein Anfang“, sagte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon in seiner Eröffnungsrede auf dem Umweltgipfel Rio+20. Gleichzeitig ermahnte er die anwesenden Teilnehmer aus 190 Nationen: „Die Zeit ist nicht auf unserer Seite“. Es war ein groß inszeniertes Ereignis und wurde schon vor Beginn heftig kritisiert. Haben sich die Erwartungen bestätigt? So wurde der Umweltgipfel von Medien, Politik, Wirtschaft und NGOs kommentiert.
„Die Reden sind vorbei, jetzt beginnt die Arbeit“, kommentierte Ban Ki Moon das Ergebnis des Gipfels. „Rio hat uns der Zukunft, die wir möchten, näher gebracht. Jetzt müssen wir uns auf die konkrete Umsetzung konzentrieren“, stimmte EU-Umweltkommissar Janez Potocnik gegenüber der Nachrichtenagentur dpa zu. Und auch die Bundesregierung zeigte sich insgesamt zufrieden. Bundesumweltminister Peter Altmeier: „Auch wenn nicht alle Ziele erreicht wurden, so haben sich doch alle 191 Staaten der Erde auf das Konzept des ‚grünen Wirtschaftens’ geeinigt“. Er, genauso wie Entwicklungsminister Dirk Niebel sehen die Einigung von Rio als Arbeitsauftrag, der nun konkretisiert und in handlungsorientierte Maßnahmen übersetzt werden muss. Niebel: „Wir haben nicht viel Zeit, erfolgreich ein einheitliches und kohärentes Zielsystem mit überprüfbaren Indikatoren zu entwickeln“.
In den Medien wird dagegen hauptsächlich das international veränderte Kräfteverhältnis thematisiert. „Ohnmächtige Europäer“, schreibt die Süddeutsche Zeitung, von ihren Zielen hätten die Europäer nichts erreicht. „Die Globalisierung lässt grüßen“ und „Die Europäer werden sich eine andere Taktik zulegen müssen, wollen sie international noch Entwicklung mitgestalten“. „Die neuen politischen Schwergewichte heißen China, Indien und Brasilien, das vor Kraft kaum noch laufen kann“, schreibt der Tagesspiegel und empfiehlt ebenfalls ein anderes Vorgehen: „Sollte die EU international mal wieder etwas durchsetzen wollen, wird sie mehr Ehrgeiz in die Vorbereitung investieren müssen. Wenn Europa mit einer unerfahrenen Ratspräsidentin, einem eher konfliktscheuen Umweltkommissar und zwei Neu-Umweltministern aus den größten Staaten Frankreich und Deutschland anrückt, kann es seine Interessen nicht mehr durchsetzen“. Auch die FAZ spricht von einer geopolitischen Machtdemonstration, Brasilien, Indien und andere Länder im Wachstumsrausch, ließ seine Gäste wissen, wie die Zukunft zu gestalten sei. Zeit-Online Redakteurin Alexandra Endres sieht dagegen Deutschland und Europa als mögliche Vorreiter: „Wenn wir wirklich weiterkommen wollen, hin zu einer nachhaltigen Welt, müssen deshalb Einzelne vorangehen. Deutschland und Europa wären in der Lage, diese Rolle zu übernehmen“. Die französische Le Monde sieht dagegen den europäischen Ehrgeiz verloren noch eine Führungsrolle im Bereich der nachhaltigen Entwicklung zu übernehmen. „Es ist eine herbe Enttäuschung. Man ist den ernsten Herausforderungen der ökologischen Krise ausgewichen“. Auf ein Missverständnis weist Jule Reimer vom Deutschlandfunk hin: „Die Konferenz war kein reiner Umweltgipfel. Es ging genauso um Armutsbekämpfung. Und wer das Abschlussdokument gut liest, wird dazu einiges darin finden“.
Als komplette Enttäuschung werten die meisten Nichtregierungsorganisationen die Konferenz von Rio. „Die Abschlusserklärung bedeute keinen Rückenwind im Kampf gegen Armut, Hunger und Umweltzerstörung“, heißt es beim Evangelischen Entwicklungsdienst EED und dem evangelischen Hilfswerk „Brot für die Welt“. „Wer Selbstverpflichtungen zu konkreten Schritten des Umsteuerns oder mindestens ein Aufbruchssignal erhoffte, wurde jäh enttäuscht“, bilanziert Cornelia Füllkrug-Weitzel. „Weder die Armen noch die künftigen Generationen standen in Rio jemals im Mittelpunkt“, so die Direktorin von „Brot für die Welt“. Das magere Ergebnis von Rio liefert aus Sicht der Hilfswerke jedoch keinen Anlass zur Entmutigung. „Was die große Weltpolitik nicht schafft, entsteht bereits an der Basis. Die Gesellschaft muss weiterhin Druck ausüben, damit die Politik sich bewegt. Ähnlich das katholische Hilfswerk Misereor. „Den Staats- und Regierungschefs fehlte offenbar der Wille, den sozialen und ökologischen Herausforderungen weltweit zu begegnen und umzusteuern. Das ist ein vorläufiger Tiefpunkt der weltweiten Bemühungen um soziale Gerechtigkeit und Umweltschutz“, erklärte Misereor-Bischof Werner Thissen. „Wir dürfen jetzt nicht in eine kollektive Schockstarre verfallen. Wir müssen die wenigen positiven Impulse nutzen, um über Rio hinauszudenken. Die Zivilgesellschaft, besonders auch die Kirche, muss nun weltweit Druck auf die Regierungen ausüben und die Verbindlichkeit einfordern, die in Rio gefehlt hat“. Germanwatch-Geschäftsführer Christoph Bals kommt in seiner Analyse zu dem Schluss: „Die Verhandlungsprozesse werden immer stärker durch Stellungskämpfe zwischen geschwächter Supermacht USA und den aufstrebenden neuen Großmächten wie China, Indien, Brasilien dominiert“. „Es gibt aber durchaus einiges, auf dem man aufbauen kann: In der Zukunft werden sich die Akteure einer Wirtschaft, die das Klima, die Ozeane oder die Böden gefährden, angesichts des durchgesetzten Paradigmas einer grünen Wirtschaft weltweit rechtfertigen müssen“. Ebenfalls enttäuscht zeigt sich Martin Kaiser, Leiter der internationalen Klimapolitik von Greenpeace: „War der Erdgipfel in Rio 1992 noch ein historischer Aufbruch, so erscheint die heutige Rio-Konferenz wie eine Kapitulation der Regierungen vor den nationalen wirtschaftlichen Interessen und den internationalen Konzernen“. Der Verband Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen (VENRO), der Deutsche Naturschutzring (DNR) und das Forum Umwelt & Entwicklung bewerteten den bisherigen Verlauf des Rio+20 Gipfels als „noch enttäuschender als ohnehin erwartet“. Greifbare Fortschritte für Umweltschutz und Armutsbekämpfung seien in dem jetzt vorliegenden Abschlusstext praktisch nicht auffindbar. Der Text sei ein „Ausdruck alten, überholten Denkens“. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) weist dagegen Kritik an der Erklärung zurück. Enttäuscht könne nur sein, „wer mit unrealistischen und überhitzten Erwartungen nach Rio gereist ist“, teilte der Verband mit. Wichtig seien nun die Prozesse, die nach der Konferenz beginnen. „Angesichts der bestehenden Herausforderungen braucht die UNO eine zentrale Institution, um wirksam und vor allem effizient tätig werden zu können“.