42.CSR-MAGAZIN Bergbau CSR_NEWS

Europäischer Bergbau braucht Transparenz und ehrlichen Dialog

Foto: Unsplash+

„NIMBY“ und „BANANA“: Ein Beitrag für das 41. CSR MAGAZIN

Die Vorwürfe gegen den BMW-Zulieferer waren massiv. Der marokkanische Rohstoffkonzern Managem sollte dafür verantwortlich sein, dass in seiner Mine in Bou Azzer große Mengen giftigen Arsen in die Umwelt gelangt seien. Außerdem entspräche der Schutz der Arbeiter nicht den internationalen Standards. Mehr noch: Gegen kritische Gewerkschaften werde bewusst vorgegangen. Das jedenfalls waren Resultate einer Recherche von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung, die im November 2023 veröffentlicht wurden. Das Medienecho war groß, nicht zuletzt weil die kritische Öffentlichkeit beim Thema Nachhaltigkeit immer stärker die gesamte Lieferkette in den Blick nimmt. Nach dem deutschen Lieferkettengesetz 2023 ist derzeit auch auf europäischer Ebene eine gesetzliche Regelung in Arbeit.

Von Daniel Silberhorn

Umweltschutz, Sicherheit und Rechte der Arbeiter oder der massive Eingriff in Landschaften durch großflächigen Tagebau – wovon auch indigene Völker betroffen sein können: Solche Aspekte prägen häufig das Bild des Bergbaus, auch bei uns. In Deutschland haben sich 2023 die medial präsenten Proteste im ‚Hambacher Forst‘ zum fünften Mal gejährt. Bergbau hat nicht das beste Image. Mit dem Begriff der Nachhaltigkeit ist er für viele nur schwierig oder gar nicht zusammenzubringen.

Bergbau: Erwartungen und Bedarf steigen

Der Fall Managem ist dabei in zweifacher Hinsicht exemplarisch. Zum einen zeigt er das stetig steigende Interesse an nachhaltigeren Praktiken entlang von Lieferketten auch bei Metallen. Und zum zweiten steht die marokkanische Mine mit dem weltbekannten Automobilhersteller als Kunde für einen globalen Trend, der direkt mit unseren Bemühungen zur Dekarbonisierung und Energiewende verbunden ist: Die Nachfrage nach wichtigen Rohstoffen wächst und wird in den kommenden Jahren rasant ansteigen.

Beispiel umweltfreundlichere Mobilität: Moderne Elektroautos benötigen etwa sechs Mal so viel kritische Rohstoffe wie konventionell betriebene Fahrzeuge. Allein die energiespeichernde Batterie beinhaltet Lithium, Kobalt, und Nickel. Schätzungen zufolge könnte der Bedarf an Lithium bis 2040 um den Faktor 42 ansteigen, der von Kobalt um den Faktor 21 und der von Nickel immerhin 19-mal höher sein als 2020. Durch Recycling allein lässt sich das nicht decken, so die Einschätzung.

Weshalb Branchenvertreter die Trommel für einen stärkeren europäischen Sektor rühren – wie etwa Rolf Kuby. Kuby leitet Euromines, die ‘European Association of Mining Industries, Metal Ores & Industrial Minerals’. Euromines mit Sitz in Brüssel sieht sich als Vertreter des europäischen Bergbaus im Bereich Metalle und Mineralien, 15 nationale Verbände und 18 Bergbau-Unternehmen zählen zu den Mitgliedern.

„Einige Stimmen aus der Wissenschaft sagen voraus: Wir brauchen für eine Dekarbonisierung der Wirtschaft so viele wichtige Rohstoffe wie in der gesamten bisherigen Menschheitsgeschichte erzeugt“, betont Kuby. „Trotzdem haben wir den Bergbau in Europa in den letzten Jahren vernachlässigt.“ Obwohl durchaus – in unterschiedlichen Tiefen und Qualitäten – Rohstoffe zu finden sind. „An erster Stelle steht Skandinavien mit Eisenerz und Kupfer, aber auch Portugal, Spanien oder Tschechien“, erläutert Kuby.

Zehn bis 15 neue Minen bis 2030 benötigt

In der Tat: Der Bericht „World Mining Data 2021“ der österreichischen Bundesregierung zeigt seit der Jahrtausendwende einen globalen Anstieg der Bergbau-Produktion um fast 60 Prozent bis 2019. Nur in Europa ging der Ertrag zurück: Und zwar um deutliche knapp 30 Prozent, also gegenläufig zum Bedarf.

Zehn bis 15 neue Minen könnten laut Insidern bis 2030 nötig sein, um die Metalle für die europäische Energiewende zu fördern. Das klingt nach einem guten Markt. Doch aktuell haben etwa Investoren ein größeres Interesse an Gigafabriken für Batterien als an Minen, beobachtet die Dokumentation “Made in Europe: from mine to electric vehicle„, erstellt von der niederländischen Hochschule KU Leuven.

„Das größte Thema, das der Bergbau in Europa und weltweit hat, ist die gesellschaftliche Akzeptanz“, beobachtet Kuby. „Bei vielen ist das nicht einmal mehr „NIMBY“ – also ‚Not in my backyard‘, sondern sogar “BANANA“. Also ein kategorisches ‘Building absolutely nothing anywhere near anything.” Dabei müssten wir uns klarmachen, so Kuby, was unseren Wohlstand ermöglicht. Kuby weiter: „Natürlich verändert der Bergbau die Welt, und natürlich hat der Bergbau einen Fußabdruck – aber es gibt modernen Bergbau, der selbst Biodiversität und eine Wiederherstellung der Landschaft einbezieht.“

Woran denkt man in Deutschland beim Stichwort Bergbau? Viele sicherlich vor allem an das Ruhrgebiet einschließlich einer Wahrnehmung einer Branche, die eher Relikt der Vergangenheit ist. Schließlich endete der Abbau von Steinkohle im Pott 2018. Oder eben an die umstrittene Braunkohle in vier großen Revieren. Möglicherweise noch an Salz, wie etwa die Südwestdeutschen Salzwerke AG als einem der bedeutendsten Salzproduzenten Europas, oder an den Kasseler Düngemittelhersteller K+S.

Was viele nicht wissen: Wir haben weitere Lagerstätten. Und es tut sich etwas im deutschen Bergbau.

Renaissance des deutschen Bergbaus?

Die DDR war zum Beispiel der viertgrößte Uranproduzent der Welt. Über einen Zeitraum von mehr als 40 Jahren förderte man mehr als 200.000 Tonnen des radioaktiven Rohstoffs. Und einzelne Unternehmen wie Sachtleben Bergbau im Schwarzwald sind heute Teil des mittelständischen Rückgrates der deutschen Wirtschaft. Im Jahr 2023 feierte das Unternehmen das 125-jährige Bestehen seiner Grube Clara, in der seit 1898 ohne Unterbrechung Erz gefördert wird.

Solche Leuchttürme des Bergbaus könnten künftig Verstärkung bekommen. Südlich von Dresden etwa soll ein Lithiumbergwerk entstehen und in der Lausitz eines Tages Kupfer gefördert werden, sowie in kleineren Mengen auch andere Metalle. Im Erzgebirge könnten in den kommenden Jahren zumindest zwei bis drei Bergbau-Projekte eine Genehmigung erhalten. Die Saxore Bergbau GmbH etwa hofft, im Laufe des Jahres 2026 in Breitenbrunn mit der Förderung von Zinn zu beginnen.

Kann dieser europäische, dieser deutsche Bergbau nachhaltig sein? „Ich bin zuversichtlich, dass die Branche in Europa und international angrenzend den Anspruch hat, den Bergbau auf die sauberste und bestmögliche Weise zu führen“, sagt Rolf Kuby. „Und Probleme wie Kinderarbeit haben wir hier glücklicherweise überhaupt nicht.“ Anders als etwa im Kongo, weshalb auch BMW nach eigenen Angaben kein Kobalt für seine Elektroauto-Batterien mehr aus dem afrikanischen Land bezieht.

Trotz insgesamt höherer Standards gibt es etwas zu beachten. „Das wichtigste ESG-Thema bei uns ist die Arbeitssicherheit, also Health and Safety“, sagt Kuby. „Und Umwelteinflüsse, also Luft, Wasser, Boden.“ Damit verbunden sei: Energie. Also eine Elektrifizierung, insbesondere des Transports im Bergwerk. „Generell gilt aber: Wenn Sie zum Beispiel in Kiruna im Bergwerk von LKAB unter Tage gehen, haben Sie eher das Gefühl, ein Raumschiff zu betreten. Da ist alles tipptopp“, berichtet Kuby.

Wie nachhaltig zeigt sich der EU-Bergbau?

LKAB ist ein schwedisches Bergbauunternehmen, das sich zu 100 % im Besitz des schwedischen Staates befindet. Es betreibt unter anderem das weltgrößte Eisenerz-Bergwerk in Kiruna und ist ebenfalls Mitglied von Euromines. „We take responsibility for building a sustainable future“, heißt es auf der LKAB-Website. Aber gibt es so etwas wie einen nachhaltigen Bergbau überhaupt? Manche sagen: Metalle werden dauerhaft aus dem Boden entnommen. Sie wachsen nicht nach. Daher kann kein Bergbau nachhaltig sein. Und ziehen deshalb den Begriff „verantwortungsbewusster Bergbau“ vor.

So wie die Sachtleben Minerals GmbH & Co KG, zu der Sachtleben Bergbau gehört. Auf der Webseite gibt das Unternehmen bislang nur wenig Einblick. Im kurz gehaltenen Code of Conduct finden sich acht Themen: Geschäftsethik, unter die auch die UN-Menschenrechte gefasst sind, Einhaltung der Gesetze, Chancengleichheit, Führung – Ausbildung – Gesundheits- und Arbeitsschutz, Arbeitnehmervertretung, Datenschutz und schließlich Umweltschutz sowie Lieferkette. „Ein verantwortungsvoller Umgang mit Energie und den Schutzgütern Mensch, Tier, Pflanze, Wasser, Klima, Luft, Boden und Landschaft ist für unser Handeln maßgeblich“, heißt es im Absatz zum Umweltschutz. Umfassendere Daten fehlen bislang.

Anders bei RHI Magnesita. Mit Sitz in Wien produziert das Unternehmen Materialien zum Einsatz in Branchen von Stahl- bis Chemie, die Temperaturen von mehr als 1.200°C aushalten. RHI Magnesita betreibt selbst Bergbau, darunter Österreichs größtes Untertagebergwerk im steirischen Breitenau. Auf seiner Webseite findet sich ein umfassender Nachhaltigkeitsbericht. Als Highlights verweist das Unternehmen darin auf seinen Anteil von 33% Frauen im Vorstand, eine niedrige Häufigkeit von Verletzungen, einen reduzierten CO2-Ausstoß pro Tonne und eine Recyclingrate von 10,5%.

„Recycling ist in mehrfacher Hinsicht das Gebot der Stunde, nicht nur im Bergbau, sondern auch in der nachgelagerten Feuerfestindustrie“, sagt Thomas Drnek, Head of Environment bei RHI Magnesita. „Zum einen, weil jede Tonne Feuerfest, die wir erst gar nicht abbauen und sintern müssen, eine Tonne Co2 einspart. Und zum anderen, weil Recycling im Critical Raw Materials Act der Europäischen Kommission eine ganz zentrale Rolle einnimmt.“ Die gesamte Branche sei dabei, sich in Sachen Recycling neu zu erfinden. Die großen Kunden reichen dabei die Nachhaltigkeitsanforderungen durch.

Unternehmen stärker in der Pflicht

Wie im Falle von Managem. Bei der Unterzeichnung der Zusammenarbeit im Jahr 2020 hatte BMW bekannt gegeben, künftig „nachhaltiges Kobalt“ aus Marokko zu beziehen. Dementsprechend reagierte man nach Bekanntwerden der kritischen Recherche 2023 umgehend: Der Autohersteller teilte mit, den Vorwürfen nachzugehen. „Sollte es Fehlverhalten geben, muss es abgestellt werden“, so ein Sprecher.

In Zukunft werden die Unternehmen innerhalb Europas noch stärker in der Pflicht sein, solche Versprechen durch ein stringentes Management der Lieferkette einzuhalten – und das transparent und kontinuierlich entlang klarer KPIs (Key Performance Indikatoren) zu kommunizieren. Das bedeutet für alle Beteiligten entlang der gesamten Wertschöpfung: Den negativen Einfluss insbesondere auf die Umwelt zu minimieren, den gesellschaftlichen und kulturellen Einfluss im Blick zu haben und dabei klare ESG-Kriterien zu erfüllen. Und schließlich transparent Rechenschaft abzulegen. Für all das entstehen derzeit neue Standards.

Den „ESG-Standard for Mineral Supply Chains der Responsible Minerals Initiative (RMI)“ gibt es beispielsweise bereits seit 2021. Im Herbst 2023 hat die OECD ein Handbuch für umweltbezogene Sorgfaltspflichten in mineralischen Rohstofflieferketten veröffentlicht. Und mehrere Organisationen wie die ISO oder die US-basierte Initiative for Responsible Mining arbeiten aktuell an weiteren Standards.

Neue ESG-Standards kommen

Auch die Gesetzgebung ist in Bewegung: Das deutsche Lieferkettengesetz und die in fortgeschrittener Diskussion befindliche Corporate Sustainability Due Diligence Direktive (CSDDD) der EU verpflichten Unternehmen auf ihre Verantwortung in der Lieferkette. Und die Corporate Sustainability Reporting Direktive (CSRD) wird festlegen, was Unternehmen in Sachen Nachhaltigkeit künftig berichten müssen.

Ein zentraler Aspekt der CSRD: Die doppelte Materialität. Also nicht nur die finanzbezogenen ESG-Risiken, sondern auch der Einfluss des Unternehmens auf Umwelt und Gesellschaft müssen offengelegt werden. Unternehmen sind von dieser erweiterten nicht-finanziellen Berichtspflicht betroffen, wenn sie mindestens zwei von drei Kriterien auf Mutterkonzernebene erfüllen: Mehr als 250 Mitarbeitende und/oder ein Nettoumsatz von mehr als 50 Mio. € Umsatz und/oder eine Bilanzsumme von mehr als 25 Mio. €.

Im Januar 2024 trat der europäische Critical Raw Materials Act (CRMA) in Kraft. Der CRMA soll Europa unabhängiger von Importen kritischer Rohstoffe machen. Es geht um mehr heimischen Bergbau, mehr Recycling und stabilere Lieferpartnerschaften mit so genannten sicheren Herkunftsländern. BMW & Co sind dabei mit Triebfeder gewesen: „Wir machen heute vieles im Bereich der Rohstoffe, weil es die Nöte der europäischen Automobilindustrie zu befriedigen gilt“, sagt Rolf Kuby. Dabei soll der CRMA explizit die Kreislaufwirtschaft und eine nachhaltige Beschaffung fördern. Als überfällige „gute Balance“ zwischen Rohstoffbedarf und Minimierung von Umweltauswirkungen wird der CRMA in der Branche begrüßt. Umweltschützer kritisieren, dass konkrete Maßnahmen wie Ressourceneffizienz darin fehlen. Auch sei „die Chance vertan, durch das Gesetz die Rechte der Menschen zu stärken, die vom Bergbau betroffen sind“, so der WWF. Und nicht zuletzt bleibe Rohstoffabbau in Naturschutzgebieten möglich.

Transparenz und Dialog schaffen Vertrauen

Allerdings muss die Öffentlichkeit mehr ins Boot geholt werden – durch Offenheit und Dialog: „Große Teile der Gesellschaft haben nach wie vor eine negative Einstellung zum Bergbau und zum gesamten Bergbausektor“, sagte Sinead Kaufman, Chief Executive Minerals beim Bergbaukonzern Rio Tinto, jüngst dem Branchenportal Miningscout. Und: „Was für die Gesellschaft im Allgemeinen von Nutzen sein könnte, fühlt sich für die unmittelbar betroffenen Gemeinden nicht zwangsläufig auch richtig an.”

„What’s in it for me?“, also die Frage, was haben die Menschen vor Ort davon, ist wichtiger als abstrakte Konzepte wie die Unabhängigkeit Europas oder Versorgungssicherheit. Die Kommunikation darf nicht einfach zu überzeugen suchen oder gar Greenwashing betreiben. Sie muss transparent und offen sein, auch bezüglich der Risiken und Auswirkungen – die nach strengen ESG-Kriterien gemanagt und von extern geprüft werden müssen. Stakeholder Engagement in allen richtungsweisenden Fragen und die Bereitschaft, Kompromisse einzugehen, werden für eine gesellschaftliche Akzeptanz entscheidend sein.

Rolf Kuby: „Ich wünsche mir von den Unternehmen deshalb ein stärkeres Engagement gegenüber der Gesellschaft. Wir wollen von ihr mehr anerkannt werden. Wir können nicht verlangen, dass sie uns einfach so umarmt. Wir können nur durch Transparenz und Kommunikation ihr Vertrauen gewinnen.“

Soll er Akzeptanz finden, muss Bergbau in Europa sicht- und erlebbar verantwortungsvoll entlang klarer ESG-Richtlinien betrieben werden. Vielleicht schaffen wir im Zeichen des European Green Deals den richtigen Weg. Wenn nicht für voll nachhaltigen, dann doch für verantwortungsbewussten Bergbau.

Daniel Silberhorn
ist Senior Advisor ESG & Sustainability Transformation bei SLR Consulting in Frankfurt am Main.


Werden Sie Mitglied im UVG e.V. und gestalten Sie den Nachhaltigkeitsdialog mit. > Die Infos
DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner