39.CSR-MAGAZIN Consulting CSR_NEWS Digitalwirtschaft Künstliche Intelligenz

KI noch nicht „ready to go”

Foto: Fotis Fotopoulos auf Unsplash

ESG- und Nachhaltigkeitssoftware. Ein Beitrag für das 39. CSR MAGAZIN

Hamburg (csr-news) – Seit zwei Jahren arbeiten der Unternehmensberater Frode Hobbelhagen und der promovierte Geowissenschaftler René Hommel im „Sustainability Innovation Hub“ zusammen. Dort wollen sie mittelständische Unternehmer darin unterstützen, die passende Software für ihre ESG- und Nachhaltigkeitsaufgaben zu finden.

„Die Herausforderungen im Themenfeld Nachhaltigkeit und Digitalisierung sind so vielfältig, dass wir Spezialisten in einem Hub zusammenbringen wollen“, sagt Hobbelhagen zur Unternehmensidee. Denn die Spannbreite reiche von dem CO2-Fußabdruck eines Unternehmens über die Verantwortung in der Lieferkette bis hin zum Controlling und zur Unternehmenssteuerung. Hobbelhagen weiter: „Überall kann und muss man Daten sammeln und sinnvolle Steuerungsindikatoren festlegen.“ Da liegt die Frage nach den Möglichkeiten des Einsatzes datengetriebener Anwendungen zur Unterstützung von Entscheidungsprozessen nahe.

Vorsichtig digitalisieren

Daran, dass Deutschland in internationalen Vergleichsstudien in Sachen Digitalisierung nicht gut abschneidet, erinnert Hommel. „Viele Mittelständler haben mit Prozessen der Digitalisierung keine guten Erfahrungen gemacht“, so der Geowissenschaftler. Deshalb gelte es zunächst, sich dem Thema ESG- und Nachhaltigkeits-Management in kleinen Schritten anzunähern und erste, naheliegende und mit geringem Aufwand durchführbare Transformationsprozesse zu definieren. An welchen Stellen die Umsetzung dann digital erfolge, sei eine zweite Frage.

Vor der Entscheidung für digitale Optionen rät Hommel den Unternehmern, sich drei Fragen zu stellen: „Brauchst Du Digitales? Willst Du Digitales? Verfügst Du über eine Struktur, in der digitale Lösungen abgebildet werden können?“. Hieraus ergeben sich mögliche Umsetzungsstrukturen für die digitale Begleitung unternehmensinterner Transformationsprozesse. Hommel weiter: „Digitalisierungsnöte haben uns gelehrt, dass das Sparring mit Softwareanbietern hierbei sehr wichtig ist. Da diese im ESG-Bereich oft neu oder noch nicht lange am Markt sind, fehlen auf Anbieterseite manchmal die geeigneten Strukturen, um die Kompetenzen auf beiden Seiten nahtlos miteinander zu verbinden und den reibungsfreien Einsatz von ESG-Software möglich zu machen. An dieser Stelle setzte unser Hub an und baut die Brücke für beide Seiten.“

Treiber Nachhaltigkeitsberichterstattung

Für einen Treiber in Richtung Digitalisierung hält Hommel die „European Sustainability Reporting Standards (ESRS) nach denen zahlreiche Unternehmen erstmals für das Jahr 2024 Nachhaltigkeitsdaten berichten müssen. „Wenn sich große Mittelständler darauf nicht vorbereiten, haben sie ab dem 1.1.2024 ein Problem, die richtigen Daten zu erfassen“, sagt Hommel.

Einige der heute verfügbaren ESG-Software Systeme verfügen über nahtlose Datenintegrationsmöglichkeiten, wie Schnittstellen zu weit verbreiteten ERP-Systemen, aus denen sich relevante ESG-Daten automatisch beziehen lassen und auf Veränderungen des Datenbestands automatisch reagieren. Hommel weiter: „Der Software-Markt wächst fast monatlich, alle stellen sich mit großer Kraft auf die veränderten gesetzlichen Rahmenbedingungen ein.“

KI: Kosten und Nutzen abwägen

Angesichts der großen Datenmengen, mit denen im Nachhaltigkeitsmanagement gearbeitet wird, werden KI-Lösungen interessant, so Hobbelhagen. „Wenn sehr große Datenmengen ausgewertet werden müssen, wird das schwierig für das menschliche Gehirn.“ Perspektivisch werde KI im Controlling an Bedeutung gewinnen.

„Wir gehen nicht als Problemlöser in Sachen KI auf den Markt“, ergänzt Hommel. Denn trotz der Vorteile einer automatisierten Datenverarbeitung sei KI nicht die Lösung für jedes Problem oder jedes Unternehmen. Entscheidend sei die Frage nach dem Mehrwert, den solche Anwendungen böten.

„Eine brauchbare KI kommt nicht zum Selbstkostenpreis daher“, sagt Hommel. Kostenlos verfügbar seien Anwendungen, die sich in der Trainingsphase befänden. „Was etwas taugt, ist nicht billig.“ Vor einer Entscheidung für KI-basierte Lösungen stände daher eine Kosten-Nutzen-Abwägung. Denn auch klassische Datenverarbeitungsprogramme böten eine Automatisierung von Prozessschritten.

Und nicht für jede Aufgabe böte sich der Einsatz von KI an. „Bei KI generierten Texten sehen wir einen roten Faden in Richtung Vereinheitlichung, die grundlegende Message bleibt gleich“, sagt Hommel. Das würde dann auch für KI-generierte Nachhaltigkeitsberichte gelten: Die Individualität eines Unternehmens kommt weniger zum Zug. Und Hobbelhagen verweist im Kontext der Nachhaltigkeitsberichterstattung darauf, dass KI-generierte Texte möglicherweise den Vorwurf eines Greenwashing nach sich ziehen könnten.

Noch nicht „ready to go“

Vor dem Einsatz von KI-Systemen müssten grundlegende Fragen geklärt werden. „Keine KI läuft ohne Trainingsdaten“, sagt Hommel. „Und solche Trainingsdaten zu kreieren, ist eine echte Herausforderung. Vor allem, wenn es gilt fachliche Anforderungen zu erfüllen.“ Derzeit sei dies für den CSR-Bereich noch nicht schergestellt. Zum einen aufgrund der sich schnell verändernden gesetzlichen Rahmenbedingungen, zum anderen aufgrund der Tatsache, dass die Mehrzahl der gegenwärtig gebräuchlichen KI-Modelle aufgrund ihrer Trainingsdatenbasis den Wissenstand bis 2021 abbilden. Somit sei in vielen Bereichen des Nachhaltigkeitsmanagement KI noch nicht „ready to go“. Und auch der Mittelstand habe sich noch nicht in Richtung KI geöffnet. Hommel: Das ist eher ein Thema für 2024. Die KI-Entwicklung verläuft derzeit so rasant, dass wir erwarten, mehr userfreundliche und auch preisgünstige generative KI-Tools bald am Markt zu sehen, welche dann auch nativ mit deutscher Sprache sicherer umgehen können.“

Wie hält es der Digitalisierungsexperte selbst mit dem Einsatz KI-basierter Tools? „Wir nutzen KI durchaus, aber mit einer strengen Qualitätskontrolle. Wir lassen Sprachmodelle die größten Blocker in der Content-Erstellung lösen. Für Recherchezwecke, also für das Generieren eigentlicher Inhalte, sind sie derzeit unbrauchbar“, sagt Hommel. „Das kürzt den Weg ein bisschen ab. Manchmal nutzen wir auch Bildgenerierung, um in Marketing- oder Kundenmaterial den einen oder anderen Akzent zu setzen.“

Creative Commons Lizenzvertrag
Dieser Text (ohne Bilder) ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International Lizenz.


Werden Sie Mitglied im UVG e.V. und gestalten Sie den Nachhaltigkeitsdialog mit. > Die Infos
DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner