38.CSR-MAGAZIN CSR_NEWS Digitalwirtschaft

Impulse für eine verantwortlich-nachhaltige Digitale Transformation

Foto: Achim Halfmann

Megatrends mit transformatorischer Kraft. Ein Beitrag für das 38. CSR MAGAZIN

Nachhaltigkeit und Digitalisierung sind zwei Schlagworte, die in den aktuellen gesellschaftlichen Diskursen allgemein, aber auch im engeren Zusammenhang mit der Forderung nach Unternehmensverantwortung nicht mehr wegzudenken sind. Doch wie verhalten sich diese Megatrends zueinander: Unterstützt Digitalisierung das nachhaltige Wirtschaften? Oder bildet Nachhaltigkeit eine unterstützende Funktion der Digitalisierung? Schließlich könnten Nachhaltigkeit und Digitalisierung als zwei Seiten einer Medaille betrachtet werden.

Von Matthias Schmidt und Matthias Tomenendal

Von Unternehmen wird erwartet, dass sie über ihre ökonomische Verantwortung und ihr Gewinnstreben hinaus auch gesellschaftliche Verantwortung übernehmen. Das Konzept der Corporate Social Responsibility (CSR) ist mittlerweile als ein praxisgängiges Verständnis einer Unternehmensethik bekannt. Mit Blick auf die Digitalisierung und die neuen (ethischen) Herausforderungen, die damit für Unternehmen einhergehen, hat sich die Idee einer Corporate Digital Responsibility (CDR) herausgebildet. Dabei geht es um die Frage, wie Unternehmen unter den Bedingungen der digitalisierten Welt verantwortlich handeln können.

Das Konzept der Nachhaltigkeit umfasst neben ökologischen explizit auch soziale und ökonomische Aspekte, die mit einander balanciert werden müssen. Häufig dienen dabei die Sustainable Development Goals (SDG) der Vereinten Nationen als Bezugspunkt für die Umsetzung und Bewertung von Nachhaltigkeit im Unternehmen. Bei näherer Betrachtung der SDGs fällt auf, dass das Thema Digitalisierung dabei keine explizite Rolle spielt. Umgekehrt ist in Standards zur Umsetzung von Nachhaltigkeit in und durch Unternehmen die Verantwortung von Unternehmen in digitaler Hinsicht größtenteils eine Fehlanzeige.

Bei einer getrennten Betrachtung werden die Phänomene der Nachhaltigkeit und der Digitalisierung oftmals auch mit dem Schlagwort des Megatrends (1) in Verbindung gebracht. Damit sind Veränderungen gemeint, die in besonderem Maße dazu angetan sind, die Entwicklungen in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik dauerhaft zu beeinflussen. Zunehmend spricht man auch von einer Transformation, einem grundlegenden Umbruch, der alle unsere Lebensbereiche durchdringen und neu justieren würde.

Ausgehend von der grundsätzlichen Annahme, dass es sich bei den Herausforderungen sowohl der Digitalisierung (bspw. Konnektivität oder Cyber-Sicherheit) als auch der Nachhaltigkeit (bspw. Klimawandel oder Ressourcenknappheit) um Megatrends mit transformatorischer Kraft handelt, stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis diese beiden Phänomene zueinander stehen (2). In einer funktionalen Hinsicht könnte man das eine als eine unterstützende Funktion des anderen interpretieren. So könnte man in den technologischen Entwicklungen der Digitalisierung eine Möglichkeit sehen, die Bemühungen einer an der Idee der Nachhaltigkeit orientierten Unternehmensführung zu unterstützen. Man denke hier etwa an den verstärkten Einsatz von Videokonferenzen anstatt von Dienstreisen. Umgekehrt könnte man auch die Idee der Nachhaltigkeit als eine unterstützende Funktion der Digitalisierung sehen. Etwa dann, wenn im Zuge von Energieknappheit smarte digitale Lösungen zur Steuerung der Produktionsplanung getriggert und etabliert werden. Schließlich könnte man Nachhaltigkeit und Digitalisierung als zwei Seiten einer Medaille begreifen, als zwei miteinander verwobene Aspekte einer einzigen Transformation, bei der man das eine nicht ohne Ansehung des anderen betrachten kann. In diesem Sinne lässt sich das Verhältnis zwischen Digitalisierung und Nachhaltigkeit auch als „(Paar-)Tanz“ zwischen Sozio- und Technosphäre interpretieren (3).

Was zunächst wie eine akademische Übung aussehen könnte, nämlich die Frage, ob die Digitalisierung der Nachhaltigkeit über- oder untergeordnet ist und in welchem funktionalen oder sequenziellen Verhältnis sie zueinanderstehen, ist gleichwohl von konkreter Relevanz für Unternehmen. Denn von Unternehmen wird verantwortliches Handeln erwartet, sowohl unter den Bedingungen und Herausforderungen der Nachhaltigkeit als auch denen der Digitalisierung. Anstatt nun zwei Stränge zu verfolgen wie beispielsweise eine CDR-Strategie und eine Nachhaltigkeitsstrategie, dürfte es ökonomisch klug sein, beides von vornherein miteinander zu verbinden und eine Strategie zur Mitgestaltung einer verantwortlichen nachhaltig-digitalen Transformation zu entwickeln. Die „große Transformation“ (4) erfordert nämlich eine Neugestaltung von unternehmerischen Geschäftsmodellen, in denen notwendigerweise sowohl die Erfordernisse der Digitalisierung als auch der Nachhaltigkeit stimmig integriert sein müssen.

Für die Praxis der Unternehmensführung ist es somit grundsätzlich ratsam, Synergien zwischen den virulenten Themen zu schaffen, die sie in ihrer Verantwortung herausfordern und auf die sie im Rahmen ihrer betrieblichen Aktivitäten eine Antwort geben müssen. Das gilt gleichermaßen für die strategische als auch für die operative Ebene im Unternehmen. Gleichwohl ist in dieser Hinsicht bislang nur wenig in Literatur und Praxis zu finden (5), sodass an dieser Stelle für die Forschung ein Desiderat und für die Praxis ein Bedarf formuliert werden kann.

Gerade in unsicheren und instabilen Zeiten ist eine effektive und operativ gangbare Unternehmensverantwortung sowohl gesellschaftlich als auch ökonomisch bedeutsam: Zur verantwortlichen Mitgestaltung der transformatorischen Kräfte und zur ökonomisch klugen Sicherung und Entwicklung des Unternehmens.

Mit einem transdisziplinären Ansatz (6) zur Forschung und für die Beratung von Unternehmen dürften die identifizierten Bedarfe am besten gedeckt werden können. Das bedeutet, dass schon bei der Entwicklung von Konzepten und Maßnahmen zu einer digital-nachhaltigen Unternehmensverantwortung Expert:innen aus Theorie und Praxis sowie mit unterschiedlichen Hintergründen gemeinsam an effektiven Lösungen für die anstehenden Herausforderungen arbeiten. So könnten in einer reflexiven und produktiven Weise ethische Aspekte mit betriebswirtschaftlichen Anforderungen verzahnt werden, um Strategien und zugleich auch konkrete Tools, wie Mess- und Umsetzungsmodelle für unternehmerische Maßnahmen, zu entwickeln, die gleichermaßen der digitalen wie der ökologischen Seite der anstehenden Transformation gerecht werden.

Prof. Dr. Matthias Schmidt
ist Professor für Unternehmensführung/Unternehmensethik an der Berliner Hochschule für Technik (BHT). In Forschung, Lehre und Beratung befasst er sich mit den Fragen einer gesellschaftsbezogenen und verantwortungsbewussten Unternehmensführung und -entwicklung.
mschmidt@bht-berlin.de; http://prof.bht-berlin.de/schmidt

 

Prof. Dr. Matthias Tomenendal
ist Professor für Allgemeine BWL, insbesondere Management & Consulting, an der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin. Seine Kernthemen sind strategisches Management und Unternehmensberatung, derzeit mit den Schwerpunkten Neues Wachstum, Digitalisierung und Nachhaltigkeit.
matthias.tomenendal@hwr-berlin.de

 

(1) Vgl https://www.trendreport.de/megatrends/   /  vgl. Naisbitt, J. (1984). Megatrends – 10 Perspektiven, die unser Leben verändern werden. 2. Auflage, Bayreuth: Hestia   /    vgl. https://www.zukunftsinstitut.de/dossier/megatrends/#12-megatrends (letzte Abrufe: 6. November 2022)
(2) Vgl. hierzu auch die Überlegungen zu Optionen für die so genannte “Zwillingstransformation” bei Basler, S. & Brink, A. (2022). Twin Transformation Typologie, https://i-em.de/ttt (letzter Abruf: 5. November 2022)
(3) Vgl. Sühlmann-Faul, F. (2019). Digitalisierung und Nachhaltigkeit – It takes two to tango. Ökologisches Wirtschaften – Fachzeitschrift, 33(2), 11. https://doi.org/10.14512/OEW340211 (letzter Abruf: 5. November 2022)
(4) Vgl. Polanyi, K. (2021). The Great Transformation: Politische und ökonomische Ursprünge von Gesellschaften und Wirtschaftssystemen, 15. Auflage, Suhrkamp Taschenbuch Verlag Berlin.
(5) Vgl. Griese, K.-M., Hirschfeld, G. & Baringhorst, S. (2019). Unternehmen zwischen Digitalisierung und Nachhaltigkeit – eine empirische Untersuchung. NachhaltigkeitsManagementForum 27, 11-21.
(6) Vgl. Lawrence, M. G., Williams, S., Nanz, P. & Renn, O. (2022). Characteristics, potentials, and challenges of transdisciplinary research, One Earth 5(1), 44-61.


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