Von Achim Halfmann
Die Grundsatzfrage am Anfang dieser Überlegungen lautet: CSR ist eine Querschnittsaufgabe und berührt sehr verschiedene Unternehmensbereiche. Macht ein darauf ausgerichtetes Beratungsangebot Sinn? Was ist eine CSR-Beratung? „Das frage ich mich seit 15 Jahren“, sagt Sabine Braun, Geschäftsführende Gesellschafterin der akzente kommunikation und beratung (München). CSR-Beratung besitzt eine Nähe sowohl zur Organisations- als auch zur Kommunikationsberatung und hat es zugleich mit Fragen des Risikomanagements zu tun. Ein breites Feld also, das eine weite Kompetenz und intensive Arbeit erfordert und die Berater vor das Problem stellt: Kunden nehmen den Umfang dieser Dienstleistung oft nicht wahr und der Markt ist nicht so weit entwickelt, dass gut aufgestellte Beratungsunternehmen alle ihre Fixkosten aus den Honoraren decken können. So sieht es Michael Winter, Geschäftsführender Gesellschafter der Stakeholder Reporting (Hamburg). CSR-Beratung sei eine „Mischung aus verlängerter Werkbank, Think Tank und Best Practice-Beratung“ und das Thema CSR selbst habe „sehr viel mit gesundem Menschenverstand zu tun“.
Beraterszene im Umbruch?
Wer berät Unternehmen, die ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden wollen? Auf zwischen 20 und 40 schätzt Sabine Braun die Zahl der großen CSR-Beratungsanbieter in Deutschland. Daneben gibt es viele kleine Agenturen und Einzelberater. Kapitalorientierte Unternehmen sind größtenteils Kunden größerer Beratungsunternehmen, schreibt der Unternehmensberater Michael Hesseler in seinem Buch „Unternehmensethik und Consulting“ (München 2011). Deren Ethikmaßnahmen beurteilt er skeptisch, sie „stehen oft auf tönernen Füßen, weil Beratung nicht berufsrechtlich geschützt ist und noch keinen empirisch klar beschreibbaren Beruf bezeichnet.“ (S. 289) CSR-Beratern stellt sich jedenfalls eine herausfordernde Aufgabe, so Hesseler: „Offensichtlich besitzen moralische und ethische Themen gerade an der Spitze hierarchisch geprägter Organisationen eine soziale Sprengkraft, weil die Beantwortung von Fragen nach dem richtigen oder falschen, guten oder schlechten, fairen oder unfairen, gerechten oder ungerechten moralischen Handeln angesichts der Dominanz des Gewinnstrebens Unbehagen auslöst.“ (ebenda)
Die Themen CSR oder Nachhaltigkeit gehören heute jedenfalls zum Angebotsspektrum der meisten großen Unternehmens- oder Kommunikationsberatungen. Sie werden häufig von Mitarbeitern wahrgenommen, die auch in anderen Beratungsfeldern tätig sind. Bei Laub & Partner (Hamburg) haben sich drei Mitarbeiter auf das Thema spezialisiert und stoßen zu den Beraterteams dazu, wenn es um CSR geht, berichtet Geschäftsführer Jan Fockele. Mit anderen Beratungen arbeitet er in einem Netzwerk, legt den eigenen Schwerpunkt auf die Kommunikation und holt etwa für die Strategieberatung andere Anbieter mit ins Boot.
In dem Feld ist eine Vielzahl von Einzelberatern tätig. „Die schießen wie Pilze aus dem Boden“, stellt Christian Conrad, Geschäftsführer von brands & values (Bremen), fest. Auch andere haben beobachtet, dass die Zahl der „One-Man-Shows“ wächst und in der Beraterszene ein reges Kommen und Gehen herrscht. Ihre Zielgruppe sind insbesondere Unternehmen im Mittelstand: Hier wird in Sachen CSR ein großes Wachstumspotential verortet. Doch gilt das auch für die CSR-Beratung?
Beratungsmarkt Mittelstand?
Dieter Schöffmann, Geschäftsführer der VISaVIS Agentur für Kommunikation (Köln), ist da skeptisch, gerade was die kleineren Mittelständler und Selbständigen betrifft. „KMU sind ein Feld für ‚Unternehmensfrühstücke‘“, so Schöffmann. Berater könnten hier einen Austausch unter bereits aktiven Unternehmen arrangieren und so zugleich weitere Unternehmen für eine Verantwortungsübernahme gewinnen. In der Branche dominiert eine skeptische Einschätzung gegenüber dem Mittelstand als zukünftigem Auftraggeber: Viele Entscheidungen fallen aus dem Bauch heraus, es fehlen Budgets für strategische Projekte und Mittelständler verlassen sich in Sachen CSR auf ihren gesunden Menschenverstand, heißt es. Vielleicht würden dort einige der kleinen Berater, die ohne höhere Fixkosten kalkulieren, ihre Angebote platzieren können. Der Begriff Mittelstand ist allerdings breit, Unternehmen mit einem Jahresumsatz oberhalb einer Milliarde Euro finden sich immer häufiger im Kundenstamm der CSR-Berater. Für diese Unternehmen sind der Markenwert und die Attraktivität als Arbeitgeber für zukünftige Auszubildende wichtige Motive, sich mit dem Thema CSR zu beschäftigen, sagt Sabine Braun.
Manche Mittelständler greifen in Sachen CSR auf die Angebote ihrer Branchenverbände oder der Kammern zurück. Da überrascht es schon eher, dass auch diese übergeordneten Zusammenschlüsse selten Beratungsbedarf in Sachen CSR signalisieren. Und so kann es auch dazu kommen, dass der neue CSR-Verantwortliche eines Branchenverbandes in der Redaktion von CSR NEWS anruft und sich danach erkundigt, welches Fachbuch ihm den Einstieg in das Thema erleichtern könnte …
Wie finde ich meinen Berater?
„Woran erkennt man einen guten Berater? Am schicken Anzug?“, fragt Jan Fockele. Das Angebot an CSR-Beratern ist für Kunden bisher wenig transparent. Und so rät Christian Conrad Unternehmen, verschiedene Berater auszuprobieren und je nach Aufgabenstellung unterschiedliche Berater zu wählen. Das mag der Tendenz deutscher Unternehmen entgegenkommen, Beratungsunternehmen vorwiegend für Einzelprojekte zu beauftragen, eine Anstoßberatung in Anspruch zu nehmen und die Projekte dann selbst fortzuführen.
Für Berater wiederum ist es eine Hilfe, in den Unternehmen auf eigene CSR-Expertise zu treffen. „Auf Kundenseite fehlt mitunter das professionelle Gegenüber“, stellt Dieter Schöffmann fest. So erleben es Berater, das Unternehmen eine erste Ausschreibung von CSR-Beratungsleistungen dazu verwenden, ihre Ausschreibungstexte und ihr Briefing zu verbessern.
Zukunft der Beraterszene
Aber nicht nur Unternehmen, sondern auch CSR-Berater stehen vor der Herausforderung, ihre Professionalisierung voranzutreiben. Im Bereich des CSR-Reporting sieht Sabine Braun einen deutlichen Professionalisierungsschub, hier haben sich klare Standards etabliert. Ähnliches erwartet Braun in den nächsten zwei bis drei Jahren für das Corporate Volunteering. In vielen anderen Bereichen fehlen solche Standards bisher. Ein Problem, das auch auf Beratungsfelder jenseits der CSR zutrifft.
Der fachliche Austausch ist innerhalb der CSR-Beraterszene jedenfalls wenig entwickelt. Dort steht man sich eher wettbewerbsorientiert gegenüber, distanziert und vorsichtig, manchmal auch kleinkariert und verbissen, wie es ein Berater formuliert. Dabei gibt es viele Aufgaben, die sie am besten gemeinsam lösen können:
- Wo ist das Themenfeld CSR zwischen Strategie- und Kommunikationsberatung zu verorten?
- Wo machen Spezialisierungen Sinn und wann eine generalisierte CSR-Beratung?
- Welche Standards und Tools können die Beratung zum Erfolg führen?
- Wie verhalten sich spezialisierte CSR-Berater zu den entsprechenden Angeboten in PR- und Unternehmensberatungen?
- Und letztlich wäre das gemeinsame Engagement von CSR-Beratern am besten dazu geeignet, das Thema gesellschaftliche Verantwortung im Kerngeschäft von Unternehmen zu verankern.
Wohin steuert die Branche? Wird des mehr CSR-Beratungsspezialisten oder eine Integration dieser Aufgabenstellung in die Unternehmens- und Kommunikationsberatung geben? Die Frage ist offen, manches spricht für die zweite Alternative.
Autor: Achim Halfmann
Der Beitrag erschien zuerst im CSR MAGAZIN Nr. 3 (3/2011)
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