Von Sibongile Khumalo
Lephalale > Die UN-Klimakonferenzen wandern um die Welt, doch ihre Warnungen vor Klimaerwärmung und Treibhauseffekt zeigen nicht überall Wirkung. Wenn heute im südafrikanischen Durban eine weitere Klimakonferenz mit Delegationen aus mehr als 190 Staaten zusammenkommt, dann stehen die Paradoxe der Zeit gleichsam am Horizont. Im Norden des Landes wird unter Hochdruck ein Megaprojekt des Kohlezeitalters hochgezogen – das Medupi-Kraftwerk bei Lephalale mit kalkulierten Baukosten von umgerechnet elf Milliarden Euro wird das viertgrößte Kohlekraftwerk der Welt.
Die gigantischen Betontürme, die sich aus der südafrikanischen Steppe erheben, stehen stellvertretend für den Hang der Schwellenländer, ihre Kohlevorräte zu verfeuern, um die Wirtschaftsleistung anzukurbeln. Südafrika befindet sich da mit China und Indien im Bunde. Die aufstrebenden Wirtschaftsmächte sind innerhalb weniger Jahre auch an die Spitze der Kohlendioxid (CO2) abstoßenden Länder geklettert. In Südafrika liegt der Kohleanteil an der Stromproduktion bei 90 Prozent, in China sind es 70 und in Indien 55 Prozent.
„In unserer Zeit ist ‚Kohle‘ fast zu einem Schimpfwort verkommen“, befindet Cornelis van der Waal von der südafrikanischen Energie-Agentur Frost and Sullivan. „Niemand mag es – aber das Land braucht doch Strom!“ Jeder sei für saubere Energiequellen, Kohle jedoch sei preisgünstig „und zur Zeit das, was dieses Land bezahlen kann.“ Innerhalb von zwei Jahrzehnten soll sich der Energiebedarf Südafrikas verdoppeln. Selbst bei gleichzeitigen Investitionen in Atomkraft und erneuerbare Energien dürfte der Kohleanteil dann immer noch bei 65 Prozent liegen.
So ist das Kohlekraftwerk Medupi nicht das einzige, das derzeit mit Volldampf vorangetrieben wird. Parallel entsteht das Kusile-Kraftwerk. Immerhin setzen die Betreiber auf höhere Betriebstemperaturen, so dass die Energieeffizienz steigen und der Anteil an CO2-Emissionen und Asche geringer als bei traditionellen Kraftwerken ausfallen soll. In China planen die Kohlekraftwerksbetreiber die unterirdische Lagerung von Kohlendioxid. Dafür wird in der Wüste der Inneren Mongolei vom staatlichen Shenhua-Konzern eine Pumpstation errichtet. Gedacht ist an eine unterirdische Lagerung verflüssigten Kohlendioxids für vorerst eintausend Jahre.
In Indien erlebt die Kohleindustrie einen beispiellosen Aufschwung. Seit 2007 wurden dort 55 Kohlekraftwerke gebaut, in diesem Jahrzehnt sollen nach den Planungen des Kohleministeriums in Neu Delhi weitere einhundert hinzukommen. Umweltaktivisten werden die Konferenz in Durban nutzen, um solche Planungen zu geißeln. „Erneuerbare Energien schlagen Kohle in jedem Kontext“, sagt die Greenpeace-Sprecherin für Afrika, Mleita Steele. Angesichts der „katastrophalen Auswirkungen“ des Klimawandels sei es „absurd“, heute noch „kohlebetriebene, kolossale Kraftwerke“ zu errichten. Es gebe keine „umweltverträgliche“ Verbrennung von Kohle.
In den Schwellenländern finden solche Argumente vorerst wenig Gehör. für „entlegene Gebiete“ seien erneuerbare Energien vielleicht angemessen, sagt Umashankar S., Programm-Manager am Indischen Zentrum für Wissenschaft und Umwelt. Für urbane Zentren sei Kohle jedoch der einzige geeignete Energieträger, weil sie es ermögliche, dem anhaltenden Bedarf zu entsprechen. „Schwellenländer können von der Kohle nicht lassen.“