Ein Diskussionsbeitrag von Dr. Christian Grünler, Geschäftsführer von SOS Kinderdörfer Global Partner.
Die Forderung, die gesamte Unternehmenskultur und –kommunikation auf den Prüfstand zu stellen sowie das Kerngeschäft inklusive der Lieferkette unter die Lupe zu nehmen, ist absolut akzeptabel und zu begrüssen. Dabei geht es nicht nur um die selbstverständliche Einhaltung von Gesetzen wie Umweltrichtlinien oder strikte Verbote wie Kinderarbeit, sondern auch darum, eine anständige Produktqualität zu liefern, nachhaltig mit vorhandenen Ressourcen umzugehen und seine Mitarbeiter und Geschäftspartner respektvoll zu behandeln. Keine Frage, wer in seinem Kerngeschäft verantwortungsvoll handelt, hat viel erreicht. Und doch sollte das Engagement über das Kerngeschäft hinausgehen. Im neudeutschen Sprachgebrauch ist von „Corporate Citizenship“ die Rede, d.h. von der Forderung an Unternehmen, sich über ihre eigentliche Geschäftstätigkeit hinaus als „guter Bürger“ für ökologische, kulturelle oder soziale Belange zu engagieren und so eine zusätzliche gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen.
Nicht jedes Unternehmen kann bei diesem „außerordentlichen“ Engagement für das Gemeinwohl eine Brücke zu seinem Kerngeschäft schlagen. Für einen Lebensmittelhersteller bietet es sich an, beispielsweise bedürftige Kinder in Schulen oder Kindergärten zu versorgen. Was aber macht zum Beispiel ein Hersteller von Stahl oder von Medizintechnik? Wie beispielsweise sollte eine Rechtsanwaltskanzlei, die auf Urheberrecht spezialisiert ist, die Brücke zu sozialem Engagement finden? Viele Fehler in der CSR-Praxis entstehen aus dem Missverständnis, dass im CSR-Engagement die Produkte oder Dienstleistungen der Firmen unbedingt einen Platz finden müssen, auch wenn das oft auf Kosten der Authentizität und der Qualität der unterstützten Projekte geschieht.
Ich meine, dass das Engagement des Unternehmens zur Unternehmensphilosophie und zu den Unternehmenswerten, aber nicht zwingend zum Kerngeschäft passen muss. Das ist ein großer Unterschied, denn zu Werten gehören beispielsweise Verlässlichkeit, langfristiges Denken und Internationalität – also viel allgemeinere Grundsätze, mit der Unternehmen auf die Suche nach geeigneten CSR-Partnern gehen sollten. Damit trifft die Firmenleitung dann vermutlich auch viel leichter den Nerv ihrer Mitarbeiter und Kunden.
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Ein zentrales Argument für kerngeschäftsnahe CSR-Strategie: Glaubwürdigkeit des Engagements, so alle MaFo-Ergebnisse und Stakeholderbefragungen, entsteht im Spannungsfeld zwischen Eigeninteresse und gesellschaftlichem Interesse. Das muss kein No-go für soziale Projekte sein, oft fehlt es hier einfach an kreativem Denken in der Strategieentwicklung! Und natürlich lassen sich auch für Anwaltskanzleien und Stahlwerke interessante Leuchtturmprojekte finden. Klar muss jedoch auch sein: Kein Unternehmen vergibt erwirtschaftetes Geld ohne selbst etwas davon zu haben. Diese Zeiten sind eigentlich vorbei.