Paris > Frauen verrichten in Deutschland immer noch deutlich mehr unbezahlte Arbeit als Männer: Der Unterschied mache täglich mehr als hundert Minuten aus, ging am Dienstag aus einer Gesellschaftsstudie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hervor. Der Durchschnittsbürger verbringt demnach fast dreieinhalb Stunden am Tag mit unbezahlter Arbeit wie Kochen, Putzen, Pflege von Angehörigen und ähnlichem.
Die Deutschen liegen mit 3,6 Stunden täglich leicht über dem Schnitt, wie aus der zweijährlichen Studie „Gesellschaft auf einen Blick“ hervorging. Unbezahlte Arbeit komme häufig zu kurz, wenn der Wohlstand einer Gesellschaft gemessen werde, weil sie nicht in die Berechnung des Bruttoinlandsproduktes (BIP) einfließe, hob die OECD hervor. Der Studie zufolge würde sich das BIP eines durchschnittlichen Mitgliedslandes schätzungsweise um 30 bis 50 Prozent erhöhen, wenn unbezahlte Arbeit ein Teil der Rechnung wäre.
Auch die Art der unbezahlten Tätigkeiten sei unterschiedlich zwischen Männern und Frauen aufgeteilt, heißt es in der Studie: Etwa doppelt so viele Frauen wie Männer kochen und kümmern sich demnach um die Kinder. Beim Putzen ist das Verhältnis demnach sogar eins zu drei. Eines sei bei der Gesamtverteilung unbezahlter Arbeit in den OECD-Ländern von Norwegen bis Italien, von Mexiko bis Japan aber gleich – „unbezahlte Arbeit ist weiblich“, stellte die Organisation fest.
Ein Grund dafür dürfte der vergleichsweise hohe Anteil von Frauen sein, die keiner Lohnarbeit nachgehen oder nur Teilzeit arbeiten, hieß es in der Studie. In Ländern, in denen viele Frauen vollbeschäftigt seien, übernähmen Männer zusehends auch unbezahlte Arbeiten. In aller Regel sei die Gesamtarbeitszeit – bezahlt und unbezahlt – zwischen den Geschlechtern in den Ländern ausgeglichener, in denen vergleichsweise viele Frauen berufstätig sind.
Die Studie „Gesellschaft auf einen Blick“ gibt auch einen Überblick über Entwicklungen wie Beschäftigungsquoten, Sozialausgaben, Einkommen, Scheidungen und Kindersterblichkeit. Unter anderem ging daraus hervor, dass Deutschland als eines von nur drei OECD-Ländern – neben Polen und Israel – eine niedrigere Arbeitslosenquote hat als vor der weltweiten Wirtschaftskrise: Während die Arbeitslosigkeit zwischen 2007 und 2009 in fast allen OECD-Ländern noch oben geschnellt sei, sei sie in Deutschland um fast einen Prozentpunkt gefallen. Am stärksten stieg die Quote demnach in Spanien, um 9,8 Prozentpunkte; in den Vereinigten Staaten etwa nahm sie um 4,7 Prozentpunkte zu.
Zudem stellten die Autoren fest, dass in Deutschland auf jeden Rentner nur drei Menschen im erwerbsfähigen Alter kämen, dies sei „erheblich weniger“ als der OECD-Durchschnitt von 4,2 Menschen im Arbeitsalter. Das einzige Land, in dem das Verhältnis von Menschen im erwerbsfähigen Alter und Älteren jenseits der 65 noch angespannter sei, sei Japan mit einem Verhältnis von 1 zu 2,8.
Mit seiner Geburtenrate von durchschnittlich 1,36 Kindern pro Frau liegt Deutschland am unteren Ende der OECD-Spanne, wie der Überblick der Organisation erbrachte. Israel nimmt dagegen mit 2,96 Geburten pro Frau den ersten Platz in der OECD ein.
Weitere Informationen auf der deutschen Internetseite der OECD