München > Leicht zugängliche Öl-und Gasvorkommen sind weitgehend erschöpft. Ölkonzerne müssen deshalb auf Kosten der Arbeiter und der Umwelt immer größere Risiken eingehen und immer tiefer unter den Meeresböden liegende Ölvorkommen erschließen. Die Rating Agentur vom oekom research hat 27 Unternehmen der Branche untersucht und dabei festgestellt: Nur eines der Unternehmen weist in den zurückliegenden drei Jahren keinen tödlichen Arbeitsunfall aus; bei großen Konzernen sind es mehr als 20 tödliche Arbeitsunfälle pro Jahr. Und: Etwa 40 % dieser Unternehmen wurden Umweltverstöße nachgewiesen. Auf der Suche nach Öl und Gas dringen die Konzerne in immer abgelegene Gebiete mit wachsenden Risiken für die Biodiversität und die globalen Ökosysteme vor.
Die Ausbeutung schwer zugänglicher Öl-und Gasreserven – etwa durch die Nutzung von Ölsanden und Schiefergas – ist zugleich mit einem höheren Energieaufwand verbunden. Vielleicht liegt darin ein Grund dafür, dass sich die wenigsten großen Ölkonzerne konkrete Treibhausgas-Reduktionsziele setzen. Schwerer wiegt nach Überzeugung von oekom research aber: die untersuchten Unternehmen berichten gar nicht oder nur sehr begrenzt über ihre Umweltstandards und die Umweltauswirkungen bei der Ausbeutung unkonventioneller Öl-und Gasvorkommen. Gerade im Zusammenhang mit dem Untergang der Ölplattform Deepwater Horizon interessieren Stakeholder solche Informationen besonders. „Wenn die Branche keine Kurskorrektur vornimmt, sind weitere Katastrophen absehbar“, warnt Kristina Rüter, Research Director und branchenverantwortliche Analystin bei oekom research.
Ein weiteres Defizit: In der Branche wird kaum in eine Transformation des Geschäftsmodells investiert. Der oekom research-Bericht hebt hier BP als positives Beispiel heraus; doch auch BP investiert nur in einer Größenordnung von weniger als 0,5 % des Umsatzes in erneuerbare Energien.
Mehr Transparenz fordert der Bericht in Bezug auf die Zahlungen der Ölkonzerne an Regierungen. Einerseits bleiben bis zu 80 % der Gewinne aus dem Öl- und Gasgeschäft im Ursprungsland (über staatliche Beteiligungsmodelle, Steuern, Abgaben und Lizenzgebühren). Andererseits versickert dieses Geld zu oft durch Korruption und Vetternwirtschaft in privaten Taschen und steht nicht zur Armutsbekämpfung und Förderung der lokalen Wirtschaft zur Verfügung. Transparenz über Geldflüsse an Regierungen wäre ein erster Schritt in Richtung auf eine Lösung des Problems. Dass diese möglich ist, belegen Konzerne wie Statoil und Nexen; ihrem Beispiel fordern folgen jedoch nur wenige andere.
Angesichts eines immer härteren Wettbewerbs und bewaffneter Konflikte um Ressourcen erwartet oekom research eine zunehmende Bedeutung von Menschenrechtsfragen in der Ölindustrie. Aktuell sind solche Konflikte in Nigeria ein Thema. Zur Ausbeutung von Öl-und Gasvorkommen benötigen die Konzerne eine Infrastruktur, für die Wälder gerodet, Straßen und Pipelines gebaut und Mitarbeiter angeworben werden. Diese Infrastruktur steht oft im Kontrast zur Lebensweise lokaler Bevölkerungsgruppen, was zu erheblichen Konflikten führen kann. Einerseits bemühen sich fast alle untersuchten Konzerne um den Dialog mit der lokalen Bevölkerung und die Vermeidung negativer Auswirkungen ihres Geschäftes auf die betroffenen Regionen. Andererseits sieht oekom research weiteren Raum für die Prävention gewaltsamer Auseinandersetzung und den dauerhaften Schutz der Menschenrechte und der Lebensgrundlage lokaler Bevölkerungen.
Von den 27 untersuchten Unternehmen haben 14 ihren Sitz in Europa, zwei in Russland, drei in Kanada, fünf in den USA und jeweils ein Unternehmen in Brasilien, Südafrika und Australien. Die europäischen Unternehmen schneiden in der Studie traditionell etwas besser ab. Zwei US-Unternehmen schafften den Sprung ins obere Drittel des Ranking. Die beiden neu aufgenommenen russischen Unternehmen belegen die beiden letzten Plätze. Das Rating führt der integrierte österreichische Öl- und Gasunternehmen OMV an, gefolgt vom Betreiber des italienischen Gastransportnetzes Snam Rete Gas und dem französischen Konzern Total. Alle drei Unternehmen erreichen die Gesamtnote B. Insgesamt erhielt etwa ein Drittel der untersuchten Unternehmen den Prime Status (Noten A bis B). BP wird in dem Rating von oekom research seit über 10 Jahren als ‚Not Prime‘ geführt und das Unternehmen war aufgrund von Umweltverstößen bereits vor dem aktuellen Unfall im Golf von Mexiko massiv abgewertet worden.
Die Zusammenfassung der Studie im Internet:
http://www.oekom-research.com/index.php?content=pressemitteilung_23062010