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Kinderarbeit im westafrikanischen Kakaosektor

© Forum Nachhaltiger Kakao

Das Harkin-Engel-Protokoll ist ausgelaufen

Der Preis für Kakao im Hauptanbauland Côte d’Ivoire (Elfenbeinküste) ist wegen der weltweiten Corona-Krise stark gefallen. Produzenten in dem westafrikanischen Staat bekommen pro Kilo derzeit 750 CFA-Francs (1,14 Euro); im Herbst waren es noch 1.000 CFA-Francs, wie die Kaffee-Kakao-Vereinigung (The Coffee and Cocoa Board) des Landes Ende März mitteilte. Der Kakaopreis hat direkte Auswirkungen auf die Armut. Und Armut gilt als eine Hauptursache für die nach wie vor häufige Kinderarbeit in dem Sektor – trotz aller Programme von Unternehmen, NGOs und der Regierungen. Über den Weg heraus aus Armut und Kinderarbeit gehen die Meinungen auseinander.

Von Achim Halfmann

Für die Côte d’Ivoire ist Kakao ein wichtiges Wirtschaftsgut. Laut Weltbank erwirtschaftet das westafrikanische Land mit Kakao zehn bis 15 % des Bruttoinlandsprodukts, das „braune Gold“ steht für 40 % seiner Exporte, vom Kakao leben fünf bis sechs Millionen Menschen und damit jeder Fünfte in Côte d’Ivoire. Die Hälfte der Kakaobauern lebt demnach aber unter der Armutsschwelle – mit Kinderarbeit als einer Konsequenz. Ähnlich sieht es im benachbarten Ghana aus, das Platz zwei der weltweiten Kakaoexporteure belegt und etwa 70 % seiner Exporterlöse aus diesem Wirtschaftssektor bezieht.

Über die Zahlen zur Kinderarbeit in den Kakaoanbaugebieten Côte d’Ivoire (Elfenbeinküste) und Ghana wird selten gestritten. Hierzu veröffentlichte das National Opinion Research Center (NORC) der Universität Chicago Ende 2020 eine detaillierte Studie. Ausgangspunkt der Studie ist das Jahr 2001, als Vertreter der Kakaoindustrie sich gegenüber dem US-amerikanischen Senator Tom Harkin und dem Mitglied des US-Repräsentantenhauses Eliot Engel zu umfangreichen Maßnahmen gegen die schlimmsten Formen der Kinderarbeit in Côte d’Ivoire und Ghana verpflichteten, indem sie das sogenannte Harkin-Engel-Protokoll unterzeichneten.

Die beiden Länder stehen im Fokus, weil von dort etwa 60 % der weltweit verarbeiteten Kakaobohnen stammen. Ziel war, die belastendsten Formen der Kinderarbeit – z.B. gefährliche Tätigkeiten, körperlich besonders anstrengende Arbeit, Nachtarbeit und die Beteiligung am Chemikalieneinsatz – in Côte d’Ivoire und Ghana bis zum Jahr 2020 um 70 Prozent zu reduzieren. Die NORC-Studie blickt Ende 2020 zurück und stellt fest: Das Ziel wurde deutlich verfehlt.

So stieg der Anteil der Kinder aus landwirtschaftlichen Haushalten in Kakao-Anbaugebieten, die in Côte d’Ivoire und Ghana besonders belastenden Formen der Kinderarbeit ausgesetzt sind, in den Jahren zwischen 2008 und 2019 von 30 % auf 43 % – allerdings auf dem Hintergrund eines Produktionsanstiegs um 62 %. Im selben Zeitraum verbesserte sich der Anteil der 5- bis 17-Jährigen aus Kakao-Anbaugebieten, die eine Schule besuchten, deutlich – von 58 % auf 80 % in Côte d’Ivoire und von 89 auf 96 % in Ghana.

Die Autoren der Studie werten das Harkin-Engel–Protokoll trotz Zielverfehlung als Erfolg, weil es Regierungen und Industrie im Kampf gegen die Kinderarbeit vereint habe. Deshalb könne das Protokoll als Modell für ein über das Jahr 2020 hinausgehendes Engagement dienen. Dabei ist den Studienautoren auch wichtig, dass sie sich genau mit einer der zahlreichen Herausforderungen in dieser Region beschäftigt haben: der Kinderarbeit. Andere schwerwiegende Probleme wie die Kindersklaverei oder die Abholzung der Urwälder bleiben in dieser Studie außen vor.

Nicht nichts, aber zu wenig

Johannes Schorling ist Referent beim Inkota-Netzwerk und sieht in der Studie auch Belege für die Wirksamkeit der Industrieprogramme. „Die Studie zeigt auch: Es ist nicht so, dass gar nichts passiert wäre. Die Programme von Nestlé etwa scheinen an gewissen Stellen eine Wirkung zu haben“, sagt der NGO-Experte. Allerdings: „Mit ihren Verbesserungen erntet die Schokoladenindustrie die ‚low hanging fruits‘. Insgesamt aber hat die Schokoladenindustrie zu spät begonnen, zu wenig getan – und sie scheuen die Kosten.“

Kinderarbeit in Westafrika habe strukturelle Ursachen. “ Dazu gehört vor allem die Armut. Solange man dieses Problem nicht löst, wird die Kinderarbeit nicht zu bewältigen sein“, sagt Schorling. Auf zahlreichen Schoko-Artikeln prangt heute ein Zertifikat wie das von der Rainforest Alliance. Ein Verbesserungsbeitrag in Richtung Kinderarbeit? „Nur acht Prozent der Kakaobäuerinnen und -bauern an der Elfenbeinküste sind Fairtrade-zertifiziert. Und Standards wie den der Rainforest Alliance halte ich nicht für ausreichend.“ Weiter sagt Schorling, dass auch die Mehrheit der zertifizierten Bauern und Bäuerinnen unter der Armutsgrenze lebe.

Im Blick auf das zu geringe Einkommen der Bauernfamilien weist der Inkota-Experte der Industrie Verantwortung zu: „Wenn es um die Zahlung existenzsichernder Preise als Hebel zur Verbesserung der Situation geht, besteht in der Schokoladenindustrie ganz und gar kein Konsens. Nur einzelne Unternehmen, Nischenunternehmen, zahlen existenzsichernde Preise.“ Deshalb brauche es politische Rahmenbedingungen wie ein Lieferkettengesetz, das Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen haftbar mache, sagt Schorling.

Existenzsichernde Löhne gegen die Armut

Auch für Maja Volland, politische Referentin beim Forum Fairer Handel, gilt: „Grundlegende Ursache für die Kinderarbeit ist die Armut. Deshalb braucht es ein grundsätzliches Umdenken: Es muss am Preis angesetzt werden.“ Und gerade dies würden die Programme der Schokoladenindustrie nicht leisten. „Es gibt etliche – zum Teil kostspielige – Projekte, aber das sind Insellösungen“, sagt Volland.

Auf dem Kakaomarkt herrsche ein extrem harter Preis- und Wettbewerbsdruck – zum Nachteil der Produzenten. „Der Anteil der Kakaobauern am Endpreis der Schokolade ist sehr gering und immer weiter geschrumpft“, so Volland. Dabei würden höhere Zahlungen an diese Bauern aller Voraussicht nach nur gering auf das Endprodukt durchschlagen.

In dieser Situation biete der faire Handel mit seinen langfristigen Verträgen, fairen Preisen, transparenten Lieferketten und direkten Lieferbeziehungen eine Alternative. „Die Abnehmer wissen, wo der Kakao herkommt“, sagt die politische Referentin. In den Anbauregionen sensibilisierten Fairhandelsorganisationen die Bauern vor Ort für das Thema Kinderarbeit. Es gebe Kontrollen und bei Verstößen werde gemeinsam eine Lösung gesucht. Volland weiter: „Bleiben die Missstände, werden Konsequenzen gezogen.“

Neben der Schokoladenindustrie sieht Volland einen weiteren Akteur – den Handel – in der Verantwortung: „Das Verbraucherbewusstsein für Lieferkettenthemen wächst – wie auch der Anteil der Fair-Trade-Schokoladen in Supermärkten, auch wenn viele immer noch zu billigeren Produkten greifen. Hier sehe ich auch den Einzelhandel in der Pflicht, der mit besonders günstigen Ankerprodukten Verbraucher in seine Läden lockt.“

© Forum Nachhaltiger Kakao

Vielschichtige Ursachen

Was tun Unternehmen angesichts der Kinderarbeit in ihrer Kakao-Lieferkette? Produzenten und Händler haben sich im Jahr 2000 in der World Cocoa Foundation (WCF) zusammengeschlossen und wollen in dieser Non-Profit-Organisation gemeinsam einen verantwortungsbewussten Kakaoanbau fördern. Eine zweite internationale und industriefinanzierte Organisation ist die in der Schweiz als Stiftung registrierte International Cocoa Initiative (ICI), die sich für den Schutz von Kindern in Kakaoanbaugebieten engagiert. Die ICI verdankt ihre Gründung den Vereinbarungen des Harkin-Engel-Protokolls.

Mitglieder dieser Initiativen sind daneben mit eigenen Programmen engagiert, etwa der für seine Schokoriegel bekannte und auch in Deutschland produzierende US-Konzern Mars Inc.

Im Hinblick auf die Kinderarbeit sieht eine Pressesprecherin der deutschen Mars GmbH vielfältige Ursachen: „Oft herrscht in den Anbauländern extreme Armut, es fehlt an Infrastruktur und der Zugang zu Bildung ist begrenzt bzw. gering. Außerdem haben die Bäuerinnen und Bauern häufig nur unzureichend Zugang zu landwirtschaftlichen Betriebsmitteln und kaum Finanzierungsmöglichkeiten“, so ihr Statement Weitere Probleme seien eine unzureichende Strafverfolgung von Kinderarbeit sowie gesellschaftliche Normen, die Frauen daran hindern, etwas zum Einkommen der kakaoanbauenden Haushalte beizutragen.

Mars Inc. hat 2018 das Nachhaltigkeitsprogramm „Cocoa for Generations“ gestartet. Der Konzern mit einem Jahresumsatz von 35 Mrd. US-Dollar (2017) und will bis zum Jahr 2028 eine Mrd. US-Dollar in die seine Nachhaltigkeitsstrategie, den „Cocoa for Generations Plan“, investieren. Das Unternehmen will so einen Beitrag zum Schutz von Kindern, zur Steigerung des Einkommens bäuerlicher Haushalte und zum Erhalt der Wälder leisten.

Transparenz in der Lieferkette

Wie Mars ist auch der in der Schweiz ansässige internationale Nahrungsmittelkonzern Nestlé in der World Cocoa Foundation (WCF) und der International Cocoa Initiative (ICI) vertreten und zudem in eigenen Projekten engagiert. „Seit 2009 leisten wir mit dem Nestlé Cocoa Plan einen Beitrag zur Nachhaltigkeit im Kakaosektor. Unser Child Labor Monitoring and Remediation System haben wir seit 2012 zusammen mit der International Cocoa Initiative aufgebaut. Und wir rollen es weiter aus. Bis 2025 wollen wir alle Kooperativen in Westafrika damit erreichen“, sagt Manuel Schuh, Public Affairs Manager bei der Nestlé Deutschland AG.

Lebensmittelkonzerne wie Nestlé sind nicht selbst im Kakaoanbau tätig. „Wir beziehen unseren Kakao von Cargill, Barry Callebaut oder anderen großen Zwischenhändlern. Wir sehen aber unsere eigene Verantwortung darin, bis hinunter in den Anbau zu schauen“, so Schuh. Dieser Blick die Lieferkette hinunter bis in den Anbau erfordert ein Management-System wie das bei der ICI angesiedelte „Child Labour Monitoring and Remediation System (CLMRS)„. Das System will vor Ort ein Bewusstsein für das Problem Kinderarbeit erzeugen, über eine Smartphone-App Daten zur Kinderarbeit erfassen und in belastenden Situationen einen korrigierenden Eingriff ermöglichen.

„Mithilfe von Systemen wie dem CLMRS lässt sich mehr Transparenz herstellen, sodass sich die Datenlage deutlich verbessert. Das ist ein großer Fortschritt, da auf diese Weise ein gezieltes Eingreifen möglich ist.“ Manuel Schuh weiter: „Mit unserem Child Labor Monitoring and Remediation System erreichen wir rund 75.000 Kleinbauern, die sich in Kooperativen organisieren und den Kakao über Zwischenhändler verkaufen.“

Organisationen wie das WCF und die ICI sind für die Industrie nicht nur eine Plattform, um Menschenrechtverstöße durch Kinderarbeit gemeinsam zu adressieren, sondern zugleich Brücken in die Gesellschaft. In Deutschland ist eine vergleichbare Initiative das 2014 als eingetragener Verein gegründete „Forum Nachhaltiger Kakao“. Und auch hier zählen Mars Deutschland und Nestlé Deutschland zu den Mitgliedern. Für Manuel Schuh ist dieses Forum „eine der relevantesten Multistakeholder-Initiativen mit einem hohen Maß an Engagement“. Schuh weiter: „Diese Initiative zeigt, wie man Akteure aus Unternehmen, Handel, Ministerien und der Zivilgesellschaft an einen Tisch bekommen kann. In Arbeitsgruppen stellen wir uns unterschiedlichen Themen wie ‚Nachhaltigkeit‘ oder ‚Kommunikation‘. Meetings finden etwa einmal im Monat statt.“

Die deutsche Multistakeholder-Initiative

Wolf Kropp-Büttner ist seit sieben Jahren ehrenamtlicher Vorsitzender des Kakaoforums und war zuvor 20 Jahre als Schokoladenhersteller in der Industrie tätig. Das Forum setzt sich aus vier Mitgliedergruppen zusammen: der öffentlichen Hand, der Kakao-, Schokoladen- und Süßwarenindustrie, dem Lebensmitteleinzelhandel sowie der Zivilgesellschaft. Vernetzt ist das Forum mit drei ähnlichen Multi-Stakeholder-Initiativen in Holland, Belgien und der Schweiz.

„Die Initialzündung zur Gründung unseres Forums liegt in den Jahren 2010/2011, als das Thema Kinderarbeit an Aufmerksamkeit gewann“, sagt Kropp-Büttner. „Es erschien offenkundig, dass diese Herausforderung nicht durch die Industrie allein zu lösen war. Deshalb haben wir den Dialog mit Herstellern, Handel, Zertifizierern, der Zivilgesellschaft und der Bundesregierung gesucht, um gemeinsam Nachhaltigkeitsprogramme voranzutreiben, die die Lebensbedingungen der Kakaobauernfamilien verbessern und die natürlichen Ressourcen erhalten sollten.“ Die Bekämpfung der Kinderarbeit ist Bestandteil dieser Programme. Hier kooperiert das Forum Nachhaltiger Kakao mit der ICI in der Entwicklung von Instrumenten zur Identifikation, zum Monitoring und zur Bekämpfung von Kinderarbeit.

Für deutsche Unternehmen und Initiativen sind internationale Kooperationen wichtig, um in den Kakao-Anbauländern Einfluss zu gewinnen. Kropp-Büttner: „In Deutschland kommt etwa die Hälfte des Kakaos aus der Côte d’Ivoire, andersherum nehmen wir etwa 10% ihres Exportvolumens ab. Wir sind also nicht die einzigen Aufkäufer. Von daher ist der Einfluss der deutschen Industrie auf die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in der Côte d’Ivoire gering.“

Steuerung über den Preis

Wenn die Armut der Kakaoanbauern am Anfang der Kinderarbeit in Westafrika steht, dann lautet die zentrale Frage: Wie aber lässt sich diese Armut durchbrechen? Oder anders gefragt: Wie kommt mehr Geld aus der Kakaovermarktung bei den Produzenten an? Der Kakaomarkt in Côte d’Ivoire und Ghana ist politisch stark reguliert, der Preis für den Rohkakao wird von den Regierungen festgelegt.

Eine jüngst beschlossene Erhöhung des Kakaopreises kann nun – wie eingangs berichtet – angesichts gesunkener Nachfrage nicht aufrechterhalten werden. Ein in der ivorischen Handelsmetropole Abidjan befragter Experte, der anonym bleiben will, bezeichnet den Preiseinbruch als „die Rückkehr zur Realität“: Dieser Preis entspreche dem, was die Bauern tatsächlich erhielten. Der ivorische Experte rät zur Begrenzung der Produktion, um den Preis wieder anheben zu können. Ganz ähnlich sieht das Kropp-Büttner: „Einseitige Preisvorgaben funktionieren nicht, sie müssen in eine Mengensteuerung eingebunden werden: Hohe Preise bei schlechter Struktur führen zu überproportional hohen Kakaoernten und der Markt wird überschwemmt, was wiederum Auswirkungen auf den Kakaopreis hat.“

Armut als Strukturproblem

NGOs kritisieren zudem, dass der Prozess zur Festlegung des Kakaopreises und die staatlichen Ausgaben in der Kakaopolitik intransparent seien. Der Weg heraus aus der Armut führt auch deshalb über eine nachhaltige Entwicklung in allen Sektoren: Politik, Zivilgesellschaft und Wirtschaft. Ähnlich sieht es der Vorsitzende des Forums Nachhaltiger Kakao: „Grundsätzliche glaube ich, dass wir es mit einem massiven Strukturproblem in dem Armutsgürtel südlich der Sahara zu tun haben: Rechtssysteme und Schulbildung liegen deutlich unter dem europäischen Niveau“, sagt Kropp-Büttner. „Deshalb müssen die Strukturen in diesen Ländern über Programme der Entwicklungszusammenarbeit, die einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen, also über enge sektorale Ansätze hinausgehen, verbessert werden, damit es für die Menschen dort zusätzliche Einkommensmöglichkeiten gibt.“

Für die Bauernfamilien sind ergänzende Einnahmequellen neben dem Kakao wichtig, um Missernten und Kakaopreisschwankungen ausgleichen zu können. Und so wünscht sich der Forumsvorsitzende von der Entwicklungspolitik, „dass mehr in struktureller Wirtschaftsförderung und der Schaffung von Einkommensalternativen für die ländliche Bevölkerung gedacht wird.“

Zudem ist ein ausreichendes Funktionieren der staatlichen Ordnung für eine Verbesserung der Situation unerlässlich. Aus Ghana und Côte d’Ivoire werden illegale Wirtschaftspraktiken wie Landrodungen und Landinbesitznahmen berichtet. Und die staatliche Kontrolle der Kinderarbeit weist deutliche Mängel auf. „Es gibt in Ghana und der Côte d’Ivoire Gesetze gegen die Kinderarbeit, aber die Umsetzung ist teuer und funktioniert nicht flächendeckend“, sagt Kropp-Büttner. Eine Überwachungsfunktion könne die Industrie in diesen Ländern nicht wahrnehmen, das sei Sache der Regierungen. Kropp-Büttner verweist auf die Entwicklungszusammenarbeit und das Bundesentwicklungsministerium: „Für das Forum ist es wichtig, dass das BMZ in Zusammenarbeit mit den anderen Gebern den Politikdialog mit der Regierung in der Côte d’Ivoire effizient wahrnimmt.“

Das Forum Nachhaltiger Kakao ist vor Ort mit eigenen Projekten tätig, die kakaoproduzierende Familienbetriebe und ihre Kooperativen unterstützen und deren Einkommensbasis verbessern. „Die Industrie kann motivieren, über Projekte arbeiten. Im Kakaoforum versuchen wir das z.B. gemeinsam mit der Bundesregierung und der Regierung der Côte d’Ivoire im Projekt Pro-Planteurs„, sagt Kropp-Büttner.

Eine PRO-PLANTEUR-Frauengruppe wird geschult (© Forum Nachhaltiger Kakao)

Der Blick nach Südamerika

Der überwiegende Teil des weltweit produzierten Kakaos – etwa 70 % – stammt aus Westafrika. Als Anbauregion folgt danach Mittel- und Südamerika mit einem Marktanteil von 15 %. Dort ist die ForestFinance tätig, ein Unternehmen, dass unter dem Motto „Wir machen Wald“ Investitionsgelegenheiten in Wälder und nachhaltige Agroforstsysteme schafft. Dazu zählt das Produkt „KakaoWald“, ein Investment zu 80 % in Edelkakao-Aufforstungen in Peru sowie zu 20 % Schutz in Primärwälder in Panama.

Harry Assenmacher ist Gründer und Geschäftsführer von ForestFinance. Das Nachhaltigkeitsinvestment ist für ihn ein Vehikel: „Ein gemeinsames Wirtschaften mit den Menschen in Südamerika hinzubekommen, das ist unser Ziel. Seit Mitte der 90er Jahre versuchen wir ein Beispiel dafür zu setzen, wie ein solches gemeinsames Wirtschaften aussehen kann.“ Mit ForestFinance wollen er und seine Kolleg:innen ein Beispiel für eine andere Art des Wirtschaftens setzen. „Wir haben uns bewusst entschieden, keine NGO zu gründen. Denn wirklich ändern wird man nur etwas, wenn man an die Ökonomie rangeht“, sagt Assenmacher.

Was bietet den Menschen in den peruanischen Edelkakao-Aufforstungen Perspektiven? „Wir arbeiten nicht mit Tagelöhnern, sondern mit Menschen, die einen Arbeitsvertrag haben und kranken- sowie rentenversichert sind. Damit können sich Familien entwickeln, eigene Häuser bauen und ihre Kinder zur Schule schicken“, sagt Assenmacher.

Bei aller marktwirtschaftlichen Orientierung sieht auch der ForestFinance-Geschäftsführer die Staatengemeinschaft in der Pflicht. Denn leider honoriere der Markt Verantwortungsübernahme nicht immer, durch den viel zu niedrigen Kakaopreis seien die Kosten für ein nachhaltig-soziales Wirtschaften kaum zu realisieren. Assenmacher weiter: „Meiner Meinung nach liegt die Lösung nicht in freiwilligen Aktivitäten einzelner Unternehmen – so lobenswert die sind – oder Marktmechanismen: Ohne staatliche Eingriffe und Vorschriften auch seitens der EU wird sich kaum etwas grundlegend ändern.“ Veränderungen brächte ein Lieferkettengesetz, „das seinen Namen wirklich verdient – mit einer gesetzlichen Verpflichtung zum Nachweis der Einhaltung von Menschenrechten.“

Ein StartUp rund um die Kakaofrucht

Mit marktwirtschaftlichen Unternehmungen die Lebensbedingungen von Kakaobauern verbessern, darauf zielt auch das junge Unternehmen Koa. Die Arbeit mit erneuerbaren Energien brachte 2017 die Gründer Benjamin Kuschnik und Anian Schreiber zusammen. Schreiber ist heute Managing Director der Koa Switzerland AG und sagt: „Kinderarbeit ist ein Armutsproblem: Eltern sind auf die Arbeitskraft ihrer Jungen und Mädchen angewiesen. Mit unserem Projekt wollen wir einen ökonomischen Impact erzielen und die Situation dieser Familien verbessern.“

Grundidee von Koa ist es, bisher nicht genutzte Teile der Kakaofrucht verwertbar zu machen und zugleich die Industrialisierung im ländlichen Ghana zu fördern. Schreiber: „Der Prozess der Kakaoverarbeitung ist seit mehreren hundert Jahren unverändert und besitzt disruptives Potential. Von der Kakaofrucht werden nur 25 % genutzt: die Bohnen. Das Fruchtfleisch und die Schale werden weggeworfen. Dabei ist das Fruchtfleisch schmackhaft und bedeutet bis zu 30% Zusatzeinkommen für Kleinbauern. Mit dem Einsatz von Solarstrom ermöglichen wir, dass das Fruchtfleisch in der Community vor Ort gewonnen wird.“

Koa produziert mit Bäuerinnen und Bauern in Ghana einen hochwertigen Kakaofruchtsaft ohne künstliche Zusätze. Im Marketing von Koa fallen die Produktqualität und der Nutzen des Unternehmens für die Menschen in Ghana zusammen: „2017 haben wir die ersten 300 Liter Kakaofruchtsaft in Handarbeit hergestellt und einen Teil davon in Europa in die Sternegastronomie gegeben. Das Produkt wurde uns sehr gut abgekauft. Die Köche haben uns gesagt: Das Produkt muss erstklassig sein. Und wir wollen die Story dahinter wissen, um sie unseren Kunden erzählen zu können“, sagt Schreiber.

Zukunft: unsicher

Auf dem Weg heraus aus der Kinderarbeit in Côte d’Ivoire und Ghana gibt es keinen einfachen und schnellen Weg. Gefordert sind umfassende gesellschaftliche und wirtschaftliche Reformen. 2001 brachte das Harkin-Engel-Protokoll Regierungen, Unternehmen und die Zivilgesellschaft an einen Tisch. Im vergangenen Jahr ist es ausgelaufen, ohne seine Ziele erreicht zu haben. Zukunft? Unsicher. Das darf der (Fach-) Öffentlichkeit nicht entgehen.

Achim Halfmann
ist Journalist und Medienpädagoge und lebt im Bergischen Land.
achim.halfmann@csr-news.net

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