Würzburg (uvg) – Nachhaltiges Investment ist auf dem Vormarsch. Durch die im November verkündete Mehrheitsbeteiligung bei ISS, (mit ihrer Tochter ISS-ESG, ehemals oekom-research) wird die Deutsche Börse zu einem der weltweit führenden Finanzanbieter von Daten und Research im Bereich „Environment, Social and Governance“ (ESG). Als wissenschaftliche Grundlage für die Nachhaltigkeitskriterien der ISS-ESG gilt der Frankfurt-Hohenheimer Leitfaden (FHL) der Weltethos-Forschungsgruppe Finanzen und Wirtschaft (ehemals Forschungsgruppe ethisch-ökologisches Rating). Die Mitglieder der Forschungsgruppe leisten Pionierarbeit im Bereich wissenschaftlicher Arbeit zu kulturverträglichen Konzepten sozial und ökologischer Investments und sind weltweit aktiv.
Die Deutsche Börse AG und Genstar Capital LLC haben am 18. November 2020 bekannt gegeben, dass die Deutsche Börse eine Mehrheitsbeteiligung von circa 80% an ISS basierend auf einer 100%-Bewertung von 2,275 Millionen US-Dollar (1,925 Millionen Euro) erwerben wird. Durch die Akquisition wird die Deutsche Börse auch zu einem der weltweit führenden Anbieter von ESG-Daten und -Research. Der Abschluss der Transaktion wird für das erste Halbjahr 2021 erwartet. Auch die Deutsche Börse unterstreicht damit nachdrücklich ihr Bekenntnis zu ESG als einen der wichtigsten Megatrends der Branche, der das Investitionsverhalten in den kommenden Jahren grundlegend verändern wird.
Nachhaltiges Investment auf dem Vormarsch
„Angesichts der steigenden Bedeutung von Environment, Social and Governance (ESG) als Megatrend für Investitions- und Unternehmensentscheidungen begrüßen wir, dass der Frankfurt-Hohenheimer Leitfaden (FHL) als erste mit wissenschaftlichen Methoden erarbeitete Kriteriologie für nachhaltige Unternehmens-Ratings künftig noch weitreichendere Verbreitung erfahren wird“, so Prof. Johannes Hoffmann, Gründer der Forschungsgruppe Ethisch-Ökologisches Rating an der Goethe-Universität Frankfurt (FGEÖR) und Mitglied der Forschungsgruppe Finanzen und Wirtschaft des Weltethos-Instituts der Universität Tübingen. Der Theologe und Wirtschaftsethiker Prof. Hoffmann gehört zu den Forschern der ersten Stunde im nachhaltigen Finanzwesen und interkultureller Wirtschaftsethik. Durch die geplante Übernahme der Institutional Shareholder Services Inc (ISS) – und somit der ISS-ESG (ehemalig oekom-research) – durch die Deutsche Börse wird auch der FHL am Weltethos-Institut weltweite Verbreitung erfahren. Bislang ist wenig bekannt, dass die ersten dieser Ratings – meist basierend auf dem FHL – in Deutschland entstanden sind.
Frankfurt-Hohenheimer Leitfaden als Ursprung der oekom research
Der FHL ist einer der wichtigsten, wissenschaftlich erarbeiteten und international anerkannten Untersuchungen, die nicht nur erstmals von der oekom research AG (heute ISS-ESG) – finanziert durch Mittel von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt und von kirchlichen Sponsoren (vor allem 20 Gemeinschaften des Deutschen Ordensrates und die Diözese Limburg) sowie privaten Sponsoren – umgestetzt und bis heute ihren Ratings zugrunde liegt, sondern die meisten Nachhaltigkeitsratings weltweit beeinflusst hat. Mit der praktischen Umsetzung des FHL Ende der 90er Jahre stieg oekom research zu einer weltweit führenden ESG-Research- und Ratingagentur auf. Der FHL wurde von einem interdisziplinären Team aus Wissenschaftler*innen und Praktiker*innen unter Leitung der von Johannes Hoffmann und Gerhard Scherhorn 1993 gegründeten Forschungsgruppe Ethisch-Ökologisches Rating (FGEÖR) entwickelt. Somit wurde hier bereits in den 90er Jahren Pionierarbeit geleistet und der Grundstein für ethisch-ökologische Ratings gelegt. Aus der dort begründeten Systematik der Nachhaltigkeitskriterien Kultur-, Natur- und Sozialverträglichkeit ist das Corporate Responsibility Rating (CRR) der oekom research AG in München entwickelt worden, das heute im Rahmen der ISS-ESG von vielen institutionellen Investoren, Banken und Fonds-Gesellschaften weltweit angewandt wird. Am 15. März 2018 wurde die oekom research anschließend von der ISS, dem weltweit größten Anbieter von Lösungen für Corporate Governance und Responsible Investment, aufgekauft.
Aktuelle Forschung am Weltethos-Institut
2018 ist die FGEÖR als Forschungsgruppe Finanzen und Wirtschaft an das Weltethos-Institut der Universität Tübingen angegliedert worden. Seither treibt eine neue Generation um das Leitungsteam bestehend aus Dr. Ndidi Nnoli-Edozien, Benedikt Hoffmann, Dr. Bernd Villhauer, Bernd Hanheiser und Prof. Dr. Harald Bolsinger die Weiterentwicklung des FHL und damit verwandter aktueller Forschungthemen voran. Die Weltethos-Forschungsgruppe Finanzen und Wirtschaft ist ein interdisziplinärer Zusammenschluss von kritischen Wissenschaftler/innen und Praktiker/innen mit dem Ziel, Beiträge zur Entwicklung einer sozial-ökologischen zukunftsfähigen Marktwirtschaft zu leisten und die Grundlage des FHLs als ESG-Kriteriologie auf andere Kontinente wie Afrika und Asien zu übertragen. Das ethisch-ökologische Rating ist ein wichtiger Schritt, Unternehmen in der Entwicklung nachhaltigerer Produktionsverfahren und neuer Geschäftsmodelle bis hin zur Kreislaufwirtschaft zu bestärken. Von Beginn an haben internationale Wissenschaftler/innen (z.B. aus Nigeria, Südkorea, Japan und Indien) die Forschung begleitet und in andere kulturelle Kontexte übertragen. „Die zentrale Säule des FHL und auch der daraus hervorgegangenen SevenPillars ist immer Kulturverträglichkeit gewesen, was es uns erst ermöglicht hat die Kriteriologie in andere kulturelle Kontexte zu übersetzen, und nur so konnten wir die SevenPillar-Methodologie als erstes afrikanisches ESG-System etablieren, was die Umsetzung in Afrikas größtem Privatunternehmen, der Dangote Group, nun auch bestätigt hat“, so Chairwoman des Boards der Forschungsgruppe Dr. Ndidi Nnoli-Edozien. Die Implementierung der SevenPillars, ein direktes Produkt der Arbeit der Forschungsgruppe, bei Dangote brachte Dr. Ndidi Nnoli-Edozien den Africacem Sustainability Award und die Nominierung als eine der „40-Leading-Women on the SDGs“ ein, es ermöglicht vor allem aber der Unternehmensgruppe eine Führungsrolle bei der Umsetzung von Integriertem Reporting als Schritt zu einer Bezifferung der Externalisierung von Kosten einzunehmen. Die SevenPillars gelten als ein Best-Practice-Beispiel für die Umsetzung von Nachhaltigkeitsreporting.