Hamburg > Wie entsteht ein Skandal, wie reagiert man als betroffenes Unternehmen darauf, wie bekommt man ihn schnell aus den Schlagzeilen – und wie kommt er überhaupt hinein. Mit diesen Themen beschäftigte sich der prominent besetzte „Skandalgipfel“ des Kieler Krisennavigators und des Instituts für Journalistik und Kommunikationswissenschaft der Universität Hamburg am vergangenen Mittwoch.
Vom Skandal könnten wir viel für den Normalfall lernen, so der Hamburger Medienwissenschaftler Sigrid Weischenberg, wobei es nicht darum ginge, Dreck unter den „Teppich zu kehren, sondern eine Skandalisierung durch die Medien durchschaubar zu machen um Waffengleichheit herzustellen“. Denn was nicht skandalisierbar ist, drohe dem Journalismus durch die Lappen zu gehen, wobei sich eine Strukturschwäche des Journalismus offenbare: die Selektion an extremen, punktuellen, personellen Auffälligkeiten und nicht an sozialen Prozessen, die eher in den „blinden Fleck“ der Medien fielen. Als Beispiele führte Weischenberg das Versagen des Wirtschafts- und Finanzjournalismus im Vorfeld der Finanzkrise an, wie die derzeit stattfindende „Hexenjagd auf Manager“ – wobei es seiner Meinung nach bei Letzterer nicht immer die Falschen treffe.
Zwischen „Ein zweites Tschernobyl?“ und „Eigentlich ist nichts passiert.“
Ivo Banek, der Leiter Kommunikation von Vattenfall Europe Nuclear Energy, schildert die Ereignisse um das Kernkraftwerk Krümmel, wie sie sich nach Sicht von Vattenfall zutrugen. In den Medien habe sich das Ganze dann durchaus anders dargestellt – bis hin zu Vergleichen mit Tschernobyl, obwohl der Vorfall laut IAEO-Standards unterhalb der Wahrnehmungsschwelle war. Die Ursachen dafür sieht Banek in der rein technischen Sicht auf die Ereignisse auf der einen und in der Macht der Bilder auf der anderen Seite: Sobald das Ereignis unter Kontrolle war, sei es als erledigt angesehen worden und die Öffentlichkeitswirkung von Bildern eines Feuers nah einem Kernkraftwerk sei unterschätzt worden. Gesteigerte Transparenz und der Dialog mit der Öffentlichkeit, aber auch hier wieder organisatorische und personelle Konsequenzen waren die Folge. Beispielsweise würden Ereignisse mit Krisenpotential intern direkter und unmittelbarer kommuniziert – und der „Vattenfall Reputation Monitor“ spiegele den Erfolg dieser Maßnahmen wider. Der SPIEGEL schrieb im Nachgang der Ereignisse in seinem Artikel ‚Der Störfall‘: „Tatsächlich ist der Störfall auch ein Lehrstück über die Manipulation von Meinungen, über Opportunismus und die Versuchung, mit Ängsten Politik zu machen“.
„Schnell aus den Schlagzeilen“
In einem Dialog, der die verschiedenen Akteure innerhalb eines Skandales darzustellen versuchte, loteten Margarete Reske, Vorsitzende Richterin der Kammer für Presse- und Urheberrechtssachen am Landgericht Köln, und Dr. Birgit Brömmekamp, Rechtsanwältin mit dem Schwerpunkt Presse-, Persönlichkeits- und Urheberrecht aus Köln, die Chancen und Grenzen des Presserechts bei Skandalen und Affären aus. Zwischen beiden bestand in vielen Punkten Einigkeit, so auch darüber, dass eine Verhinderung von kritischer (Skandal-) Berichterstattung juristisch im Vorwege nur schwer durchzusetzen sei, da unter anderem die konkrete Aussage bekannt sein müsse, um sie zu verbieten. Dazu käme ein Mangel an konkreter Begehungsgefahr durch bloße Recherche. Sogenannte „presserechtliche Informationsschreiben“ könnten noch dazu schlafende Hunde wecken; der persönliche Kontakt zum Justitiar eines Mediums sei im Vorfeld der bessere Weg.
Rechtsbehelfe, um im Anschluss an eine Veröffentlichung schnell aus den Schlagzeilen zu kommen, seien Eilverfahren und einstweilige Verfügungen. Das Presserecht könne nur ein Teil der Krisenbewältigung sein, könne aber einen wichtigen Beitrag bei der Bewältigung von Skandalen leisten, beispielsweise über eine frühzeitige gütliche Einigung. Unterscheiden müsse man grundsätzlich zwischen Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen. Meinungsäußerungen seien bis an die Grenze der Schmähkritik möglich. Eine Bewertung habe dabei jedoch stets aus dem Zusammenhang heraus zu erfolgen.
Bei unwahren Tatsachenbehauptungen hingegen griffen die Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, der Unterlassung oder der Gegendarstellung, besonders zügig vor allem vor einer spezialisierten Spruchkammer. Die Wirkung einer Gegendarstellung werde allgemein häufig überschätzt, weil dabei lediglich Tatsachenbehauptung gegen Tatsachenbehauptung stünde und noch dazu der „Redaktionsschwanz“ die Wirkung mildere. Auch gebe es keinen Anspruch auf eine „Folgeberichterstattung“ über die Gegendarstellung hinaus. Wirksamer seien Richtigstellungen, die allerdings nur im Hauptsacheverfahren erwirkt werden könnten, was erfahrungsgemäß ein halbes Jahr dauere. Gütliche Einigungen, beispielsweise die Bereitschaft des Mediums, ein klärendes Interview zu veröffentlichen, seinen aus Unternehmensperspektive vorzuziehen.
Weitere Informationen im Internet:
www.skandalgipfel.de